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Monatelang keinen Lohn
Kurz vor Fussball-WM: Katar nimmt protestierende Arbeiter fest

Verschiedene Menschrechtsorganisationen kritisieren die Arbeitsbedingungen in Katar aufs Schärfste: Arbeiter auf der Baustelle des Al-Wakrah-Stadions, 6. Februar 2018.
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Tausende tote Bauarbeiter, Ausbeutung und Diskriminierung. Die Bilanz im Vorfeld der Fussball-WM 2022 in Katar ist verheerend. Nun soll die katarische Regierung die Liste der Menschenrechtsverletzungen im arabischen Land um eine Missetat verlängert haben.

Vor dem Start der Fussballweltmeisterschaft im November hat das Gastgeberland 60 ausländische Arbeitskräfte verhaftet, die gegen ausstehende Löhne protestierten, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Ein Teil der Festgenommenen soll ausgewiesen worden sein.

Für Mustafa Kadri, den Geschäftsführer der Beratungsfirma Equidem Research, die den Vorfall untersuchte, lassen die Festnahmen Zweifel an Katars Versprechen, die Arbeitsbedingungen für die vielen ausländischen Arbeiter zu verbessern, aufkommen, wie er der AP erklärte. 

Arbeitsministerium zahle die verspäteten Löhne

Eine Videoaufnahme zeigt die circa 60 Arbeitnehmer, die am 14. August vor den Büros der Al Bandary International Group in Doha demonstrieren. Zu dem Konglomerat gehören Bauunternehmen, Immobilien, Hotels, Gastronomie- und andere Unternehmen. Ein Teil der Demonstranten soll laut AP sieben Monate lang keinen Lohn erhalten haben.

In einer Erklärung der katarischen Regierung zu den Verhaftungen schreibt sie, dass «eine Reihe von Demonstranten wegen Verstosses gegen die Gesetze zur öffentlichen Sicherheit festgenommen wurden». Genaue Details zu den Verhaftungen und Ausweisungen will die Regierung nicht bekannt geben. Doch sie räumte ein, dass das Unternehmen die Löhne nicht gezahlt habe und dass das Arbeitsministerium «alle verspäteten Löhne und Leistungen» an die Betroffenen zahlen werde. «Das Unternehmen wurde bereits vor dem Vorfall von den Behörden wegen Nichtzahlung von Löhnen untersucht, und nun werden weitere Massnahmen ergriffen, nachdem eine Frist zur Begleichung ausstehender Lohnzahlungen verpasst wurde», erklärt die Regierung.

Die Verantwortlichen von Al Bandary International halten sich bedeckt und antworten nicht auf Anfragen der amerikanischen Nachrichtenagentur. 

Die Arbeiter sollen nach der Festnahme unter prekären Bedingungen inhaftiert gewesen sein. Einige von ihnen berichten, dass sie im Haftzentrum ohne Klimaanlage bei rund 41 Grad Hitze ausharren mussten. Die Polizei sagte laut Kadri zu den Gefangenen, wenn sie bei solch heissem Wetter streiken könnten, könnten sie auch ohne Klimaanlage schlafen. 

Der Menschenrechtsexperte ist Gründer des Beratungsunternehmens Equidem Research: Mustafa Kadri.

Ein Gefangener beschrieb Equidem Research, wie er 300 seiner Kollegen aus Bangladesh, Ägypten, Indien, Nepal und den Philippinen im Haftzentrum getroffen hat. Einige von ihnen hätten nach den Protesten ihren Lohn erhalten – andere nicht. Seine Aussagen konnten jedoch nicht überprüft werden. 

Katar arbeitet an besseren Arbeitsbedingungen

Seit der Vergabe der WM an Katar 2010 hat das Land einige Beschäftigungspraktiken verbessert. Dazu gehört die Abschaffung des traditionellen Kafala-Systems: Arbeiter hatten dabei einen «Sponsor» oder einen Förderer, der sie ins Land holte und eine Arbeitserlaubnis beschaffte. Normalerweise war dieser auch der Arbeitgeber. Wenn die Arbeiter den Job wechseln oder das Land verlassen wollten, mussten sie zuerst ihren «Sponsor» um Erlaubnis fragen. Zudem setzte das Emirat als erstes Land der Region einen monatlichen Mindestlohn in drei Stufen fest, der für Arbeitnehmer aller Nationalitäten und in allen Sektoren gelten soll: So erhalten Arbeitsmigranten mindestens 1000 Rial (etwa 250 Franken) Monatsgehalt. Zudem muss der Arbeitgeber eine «angemessene Unterkunft» sowie Verpflegung zur Verfügung stellen oder den Migranten weitere 800 Rial pro Monat zahlen – sodass der Mindestlohn zwischen 365 und 445 Franken variiert.

«Es müsse sich noch vieles verbessern, aber Veränderungen sind im Gang.»

Rita Schiavi, Unia-Gewerkschafterin, 22.11.2021

Für den Aktivisten Kadri muss Doha noch einiges an den Arbeitsbedingungen verbessern. Besonders wenn es darum geht, sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer ihre Löhne pünktlich bekommen und vor Arbeitgebern mit missbräuchlichen Praktiken geschützt sind, wie er der AP erklärte. «Sind wir alle in den letzten Jahren von Katar betrogen worden?», fragt sich Kadri und deutet an, dass die jüngsten Reformen nur «ein Vorwand» gewesen seien, um die vorherrschenden Arbeitspraktiken fortzusetzen, wie die Nachrichtenagentur schreibt. 

Ende 2021 gab es noch Lob von Rita Schiavi, die die Gewerkschaft Unia als Delegierte bei der Dachgewerkschaft Bau- und Holzarbeiterinternationale mit Sitz in Genf vertritt und in Katar seit 2017 wiederholt Arbeitsinspektionen durchgeführt hat. Damals sagte sie nach einer Baustellenkontrolle: «Auf den Stadionbaustellen und bei den WM-Infrastrukturbauten wie Untergrund- und Schnellbahnen gelten europäische Sicherheitsstandards.» 

Auch bei der Unterbringung der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter stellte sie Fortschritte fest. In Katar setze sich der Standard durch, dass vier Gastarbeitende ein Zimmer belegten und sich sechs Personen eine Dusche und ein WC teilten, so Schiavi. Anders sah es aber noch abseits der offiziellen WM-Baustellen aus, beim Bau von Supermärkten oder Wolkenkratzern. Da sei es weiter oft so, dass zehn Personen in einem Raum schliefen, und teilweise seien die Arbeitswege derart aufwendig, dass Gastarbeitende zwei Stunden zur Arbeit fahren müssten und darum gezwungen seien, schon um 4 Uhr morgens aufzustehen. Es müsse sich noch vieles verbessern, aber Veränderungen seien im Gang, auch bei den Hausangestellten, stellte die Gewerkschafterin Ende 2021 fest.