Ausfälle durch CoronaKrippen bangen ums versprochene Geld
Trotz staatlicher Unterstützung befürchten Krippenbetreiber hohe finanzielle Ausfälle. Der Schweizer Krippenverband spricht von einem Vollzugsproblem und Überforderung der beteiligten Stellen.
Die Kitas gerieten mit dem Lockdown vom 17. März in eine unmögliche Situation. Zwar mussten sie ihr Betreuungsangebot aufrechterhalten, aber gleichzeitig wurden die Eltern aufgefordert, ihre Kinder selber zu betreuen. In der Westschweiz und Basel mussten Kitas gar schliessen. Dadurch sind den Betreuungseinrichtungen grosse Verluste entstanden, für die Bund und Kantone nun aufkommen wollen.
Allerdings geht die Rechnung aus Sicht mancher Krippen nicht auf. Kita-Betreiber C.F.* aus dem Kanton Zürich beziffert seine Ausfälle für die Zeit von Mitte März bis Mitte Juni auf 200’000 Franken. Davon müsse er aber voraussichtlich rund 50’000 Franken selber tragen, wozu sein Unternehmen nicht in der Lage sei. Damit werde das Versprechen des Bundesrates für eine hundertprozentige Ausfallentschädigung nicht erfüllt.
C.F führt Krippen an drei Standorten und gehört zu jenen, die die Kinderbetreuung aufrechterhielten. Eltern, die ihr Kind wegen Corona nicht in die Kita schickten, mussten für den Platz weiterhin bezahlen. Und dieses Geld muss der Krippen-Betreiber den Eltern nun zurückerstatten. Ein anderer Kita-Betreiber mit vier Kitas und einem Hort befürchtet gar, dass er nur die Hälfte seiner Ausfälle vergütet bekommt und 60’000 Franken aus der eigenen Tasche finanzieren muss.
Krippen in Sandwich-Position
Dass die beiden Krippenbetreiber hohe ungedeckte Kosten befürchten, liegt unter anderem an einem missverständlichen Antragsformular. So verlangt der Kanton Zürich von den Kita-Betreibern, dass sie für ihr Personal erhaltene Sozialversicherungsleistungen wie Krankentaggelder, Erwerbsersatz (EO) und Kurzarbeitsentschädigung deklarieren und vom Ausfallbetrag abziehen. Da es sich in seinem Fall allerdings um Zahlungen für Mutterschaftsurlaube und Krankheitsfälle handle, seien diese Gelder nicht in der Krippenkasse geblieben, beklagt sich C.F. Er habe das Geld für Ersatzpersonal ausgegeben, weil das Angebot auch im reduzierten Betrieb aufrechterhalten werden musste und es gesetzliche Betreuungsschlüssel für Krippen gebe.
Wie gross das Loch in der Kasse der Krippen am Schluss effektiv sein wird, ist offen. Zwar hat der Kanton Zürich tatsächlich von den Krippen verlangt, Krankentaggelder und EO-Entschädigungen zu deklarieren. Doch das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen hält auf Anfrage fest, dass die Kantone bei der Berechnung der Ausfallentschädigung nur Sozialleistungen abziehen dürften, die einen direkten Zusammenhang zu Corona hätten, also der Corona-Erwerbsersatz für Selbstständigerwerbende und Kurzarbeitsentschädigungen. Dies habe das BSV dem Kanton Zürich mitgeteilt.
Der nationale Verband der Kitas, Horte und Tagesfamilien (Kibesuisse) spricht von einem Vollzugsproblem. «Viele kantonale Stellen und teilweise auch der Bund sind offensichtlich überfordert», sagt Estelle Thomet von Kibesuisse. Der Verband habe von Beginn weg darauf hingewiesen, dass nur Corona-bedingte Sozialleistungen verrechnet werden dürften. Betreuungsinstitutionen befänden sich in einer Sandwich-Situation. Einerseits müssten sie nun mit einem grossen administrativen Aufwand den Kantonen ihre Ausfälle belegen, und andererseits beklagten sich viele Eltern, weil sie noch immer kein Geld zurückerhalten hätten.
«Es ist für alle komplex»
Krippenbetreiber C.F. sagt, er könne das Geld den Eltern erst zurückzahlen, wenn er die staatliche Entschädigung erhalten habe. Das zuständige Zürcher Amt für Jugend und Berufsberatung stellt den Kitas einen Entscheid bis Mitte September in Aussicht. Tatsächlich habe der Kanton von den Kita-Betreibern die genannten Angaben über erhaltene Sozialversicherungsleistungen verlangt, sagt Nicole Kiefer, Co-Leiterin der provisorischen Zentralstelle zur Abwicklung der Ausfallentschädigung. Der Kanton werde aber genau überprüfen, ob es sich dabei um Corona-bedingte Leistungen handle. Andere Sozialversicherungsleistungen wie Mutterschaftsentschädigungen oder Leistungen privatrechtlicher Versicherungen wie Krankentaggelder würden nicht angerechnet, versichert sie. Für den Unmut der Krippenbetreiber zeigt sie Verständnis, sagt aber: «Die Abrechnung ist für alle Beteiligten komplex.»
Offenbar habe der Bund zu wenig klare Vorgaben an die Kantone gemacht, vermutlich auch weil zu viel Einmischung des Bundes nicht erwünscht sei, sagt Estelle Thomet. Klar sei aber auch, dass die Betreuungsinstitutionen keine hundertprozentige Entschädigung erhielten. So haben sie für jeden nicht in Anspruch genommenen Betreuungstag eines Kindes 8 Franken selber zu tragen, weil sie weniger Mahlzeiten abgeben mussten. Dieser Betrag sei eindeutig zu hoch und werde zudem verrechnet unabhängig davon, ob das Kind jeweils mit oder ohne Mittagsessen angemeldet sei, sagt Thomet.
Weniger Probleme haben die Krippen in jenen Kantonen wie Bern, die frühzeitig den Kitas finanziell unter die Arme gegriffen haben. Im Kanton Bern haben die Kitas von Kanton und Gemeinden im April 13 Millionen Franken zugesichert bekommen, damit sie den Eltern das Geld für nicht beanspruchte Plätze zurückbezahlen konnten. Auch in Bern müssen nun die Kitas ihre Abrechnungen einreichen. Aber der Kanton hat offensichtlich die Verordnung des Bundes von Beginn weg richtig gelesen und den Krippen nur coronabedingte Sozialleistungen verrechnet.
*Name der Redaktion bekannt
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