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Kriminalität in Zürich
Wenn die Rolex zum Risiko wird

Nacht an der Langstrasse: Hier besuchte das spätere Opfer eine Bar, bevor er sich auf den Heimweg machte.
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Er war an jenem Sonntagmorgen im vergangenen Oktober allein im Kreis 4 unterwegs, auf den Heimweg von der Memphis-Bar an der Langstrasse zu seiner Wohnung in Hottingen. Der 23-jährige Architekturstudent lief um fünf Uhr früh durch die Lagerstrasse, als er dringend pinkeln musste. Er trat hinter ein paar Büsche in der Nähe der Berufsmaturitätsschule.

Da passierte es.

«Ich weiss noch, dass in meinen Kopfhörern ‹Walking on Sunshine› lief», berichtet der 23-Jährige, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Plötzlich tauchten wie aus dem Nichts drei junge, drahtige Männer auf und sprangen ihn an, wie er erzählt.

«Mein erster Gedanke war: Kollegen, die mir einen Schreck einjagen wollen, es war ja gerade Halloween. Aber ich irrte mich.» Der Student, 1,83 Meter gross und gut 80 Kilo schwer, begann sich zu wehren. Doch gegen die drei Angreifer hatte er rasch das Nachsehen. Irgendwann habe er sich am Boden befunden, im Würgegriff. «Ich bekam keine Luft mehr und musste aufgeben.»

8000 Franken auf dem Schwarzmarkt

Die Täter hatten es auf seine Armbanduhr abgesehen, eine Rolex Submariner, die auf dem Schwarzmarkt laut Schätzungen schnell 8000 Franken einbringt. Die Täter rissen ihm die Luxusuhr vom Handgelenk und rannten weg. Das Handy, das beim Kampf zu Bruch gegangen war, die Kopfhörer und das Portemonnaie nahmen sie nicht mit. Dafür versetzte einer der Täter ihm vor dem Wegrennen noch einen Tritt.

Der nächtliche Uhrenraub im Langstrassenviertel ist kein Einzelfall. Knapp 100 Fälle, in denen Uhren gestohlen oder geraubt wurden, verzeichnete die Stadtpolizei Zürich im vergangenen Jahr, wie Sprecher Pascal Siegenthaler sagt. Man beobachte vermehrt solche Delikte und erfasse sie seit August 2022 deshalb speziell. Bereits von August bis Ende 2022 gingen bei der Stadtpolizei 50 Anzeigen wegen Uhrendiebstahls ein.

Eine solche Rolex wurde dem Studenten aus Zürich-Hottingen im Langstrassenviertel geraubt.

Laut der am Montag veröffentlichten Kriminalstatistik verzeichnete die Kantonspolizei Zürich im vergangenen Jahr eine markante Zunahme der Betrugs- und Vermögensdelikte. In der Stadt Zürich hat die Zahl der Vermögensdelikte wie Diebstahl und Raub ebenfalls zugenommen.

Die Uhrendiebe versuchen laut Stadtpolizei-Sprecher Siegenthaler meistens zunächst via Trickdiebstahl an die Beute zu gelangen. Gelinge dies nicht, komme es zu einem Entreissdiebstahl oder gar zu einem Raub. Etwa die Hälfte der Uhrendiebstähle betreffe den Kreis 1, rund ein Drittel den Kreis 4. Die Stadtpolizei Zürich mache in diesem Zusammenhang immer wieder gezielte Aktionen sowohl mit uniformierten wie auch mit zivilen Kräften, sagt Siegenthaler. Dabei sei es auch schon zu Festnahmen gekommen. Bei den Tätern handle es sich in der Regel um Personen aus Maghreb-Staaten.

Die Stadtpolizei rät, in jedem Fall Anzeige bei der Polizei zu erstatten, denn nur so könnten die Ermittlungen aufgenommen werden.

Anzeige erstattet hat auch der 23-Jährige aus Hottingen, allerdings erst ein paar Tage später, was die Polizei bedauert habe, weil eine sofortige Anzeige die Chance einer Festnahme erhöht hätte und die Polizei dann auch mögliche DNA-Spuren der Täter an seinem Handgelenk hätte sichern können.

Londoner Polizei setzt Lockvögel ein

Mit den vermehrten Uhrendiebstählen zeigt sich auch in Zürich ein Phänomen, von dem seit einiger Zeit vor allem Metropolen wie Paris und London betroffen sind. Dort sind teure Uhren ein begehrtes Diebesgut auf der Strasse, denn deren Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt verspricht gute Gewinne. Oft sind Banden am Werk, die es auf betrunkene Menschen abgesehen haben, die aus Clubs kommen. Im Kampf gegen die Uhrenräuber setzt die Londoner Polizei laut Medienberichten auch Zivilpolizisten als Lockvögel ein. Sie tragen absichtlich teure Uhren am Handgelenk, um so mögliche Täter anzulocken und zu überführen.

Die Stadtpolizei Zürich verzeichnete 2023 deutlich mehr Vermögensdelikte.

«Im Nachhinein denke ich, dass ich mit meiner Rolex am Handgelenk an jenem Abend schon an der Langstrasse beobachtet wurde und die Täter mir später folgten», sagt der 23-Jährige aus Hottingen. Gewisse Armbänder von Luxusuhren, etwa von Rolex oder Audemars Piguet, fielen geübten Augen schon von weitem auf.

Wahrscheinlich sei es nicht die beste Idee gewesen, an diesem Abend seine Rolex «auszuführen». Andererseits wisse man ja auch nicht von Anfang an, wo es einen im Ausgang überallhin verschlage.

Sicherheitsempfinden angeknackst

Heute ärgere ihn, dass er sich überhaupt auf einen Kampf eingelassen habe, sagt der junge Mann. Er hätte die Uhr ja auch einfach herausrücken können, zumal sie versichert sei, für ziemlich viel Geld. Aber sich zu wehren, sei in diesem Moment «eine Art Überlebensinstinkt» gewesen. Er habe grosses Glück gehabt, dass er beim Überfall keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen und keiner der Täter ein Messer gezückt habe.

An man wears a Rolex Daytona wristwatch, pictured in Zurich, Switzerland, in March 2009. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Ein Mann traegt eine Rolex Daytona Armbanduhr, aufgenommen im Maerz 2009 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Dafür hat der Vorfall sein Sicherheitsempfinden angeknackst, wie der 23-Jährige sagt. Bisher habe er das Gefühl gehabt, er könne sich in seiner Stadt problemlos bewegen, auch nachts. Nach dem Überfall sei er sich da nicht mehr so sicher.

Seine Rolex bleibt verschwunden, die Täter wurden nicht gefasst, wie ihm die Polizei erklärte. «Schade, es war ein Geschenk meiner Eltern zum 20. Geburtstag, mein Name ist auf der Unterseite eingraviert», sagt der Student. Dass nun eine völlig fremde Person diese Uhr trage, sei schon ein seltsamer Gedanke.