Kriminalität in Mexiko und den USADie Kartell-Kardashian emanzipiert sich
Sie ist die Frau von El Chapo, Mexikos berühmtestem Drogenboss. Doch während der in den USA im Gefängnis sitzt, ist Emma Coronel nun wieder frei – und auf dem besten Weg zur Promikönigin.
Es ist still geworden um Emma Coronel, was einerseits nur logisch ist, sass die 34-Jährige doch die vergangenen Jahre in Haft, verurteilt von einem US-Gericht wegen Schmuggel und Geldwäsche. Dazu soll Coronel auch ihrem Mann, dem legendären mexikanischen Drogenboss Joaquín Guzmán Loera, genannt El Chapo, bei einem spektakulären Gefängnisausbruch geholfen haben.
Doch während der längst wieder gefasst ist und in den USA vermutlich bis zu seinem Lebensende hinter Gittern sitzen wird, ist Emma Coronel seit vergangener Woche aus der Haft entlassen, unter Auflagen zwar, aber immerhin: Die «Kim Kardashian von Sinaloa», wie sie mal genannt wurde, ist frei – und Fans und die Klatschpresse fragen sich nun: Was kommt jetzt?
Denn es war – von den vergangenen Jahren in Haft mal abgesehen – eigentlich nie wirklich ruhig um Coronel. Im Gegenteil: Die ehemalige Schönheitskönigin suchte das Rampenlicht, gab Interviews auf Luxusjachten, hatte einen offiziellen Instagram-Account mit Hunderttausenden Fans und Pläne für eine eigene Modemarke. All das machte sie so besonders, stammt sie doch aus einer Welt, in der Frauen sonst kaum vorzukommen scheinen: der mexikanischen Kartellkultur, dominiert von schnauzbärtigen Bossen und Maschinenpistolen schwingenden Sicarios, besungen in eigenen Liedern und verherrlicht in blutrünstigen Serien. Frauen? Gab es höchstens in der Rolle der braven Gattin oder der kurvigen Geliebten, Objekte und Opfer, mehr nicht.
Nur die halbe Wahrheit
Ganz falsch ist das natürlich nicht, trotzdem aber auch nur die halbe Wahrheit. Es reicht, sich die Geschichte des mexikanischen Drogenhandels anzusehen: Einer der ersten grossen Narco-Bosse war kein Mann, sondern eine Frau, María Dolores Estévez Zuleta, auch genannt Lola la Chata. In den 30er- und 40er-Jahren baute sie von Mexiko-Stadt aus ein höchst lukratives Drogenimperium auf, das Heroin, Marihuana und Morphin bis in die USA und nach Kanada verkaufte. Lange konnte Lola la Chata ihr Geschäft auch deshalb so erfolgreich ausüben, weil sie als Frau von Ermittlungsbehörden unterschätzt wurde. Solche Beispiele gibt es auch in anderen lateinamerikanischen Staaten.
Wahr ist allerdings auch, dass diese Narcas weiterhin Ausnahmen sind. Sie haben es in einem von Machogehabe und Misogynie geprägten Umfeld nach oben geschafft, nicht weil, sondern obwohl sie Frauen sind. Und genau das macht Emma Coronel so besonders, steht sie doch für einen ganz neuen Typus von Weiblichkeit in der Welt der Kartelle: kein reines Sexobjekt, sondern eine ehrgeizige Unternehmerin, nicht nur stille Dekoration, sondern Stilikone.
Coronel dürfte genau gewusst haben, worauf und vor allem auf wen sie sich einlässt.
Gerade einmal 18 Jahre alt war Coronel, als sie 2007 Joaquín El Chapo Guzmán heiratete – er ganze drei Jahrzehnte älter und auch damals schon ein berüchtigter Kartellboss, sie eine Schönheitskönigin, geboren in den USA, aufgewachsen aber in einem Kaff im bergigen Norden von Mexiko. Ihr Vater, hat Coronel einmal in einem Interview gesagt, sei ein einfacher Bauer gewesen. Dazu war er aber wohl auch in den Drogenhandel verstrickt, ebenso wie ihr Bruder und wahrscheinlich auch ein Onkel. Coronel dürfte genau gewusst haben, worauf und vor allem auf wen sie sich einlässt.
US-Ermittlungsbehörden glauben, dass El Chapos junge Ehefrau schnell auch selbst mit ins Geschäft einstieg, half, Geld zu waschen und Drogen zu verschicken. Und als El Chapo 2015 aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis entkam, soll Coronel massgeblich an der Planung der spektakulären Flucht beteiligt gewesen sein, unter anderem, weil sie ihrem Mann eine Uhr mit GPS-Sender zusteckte, der es erlaubte, ihn innerhalb der Haftanstalt zu orten und so einen 1,5 Kilometer langen Tunnel bis zu einem Duschtrakt in seiner Nähe zu graben.
Bei jedem Gerichtstermin war sie anwesend
Eineinhalb Jahre später wurde El Chapo dann wieder gefasst, an die USA ausgeliefert und angeklagt. Dort in New York war es, wo Emma Coronel endgültig zur öffentlichen Person wurde: Bei jedem Gerichtstermin war sie anwesend, begleitet von Bodyguards und behängt mit teurem Schmuck. Klatschreporter berichteten, bald aber auch Modeblogs – Coronel wurde zur Vorreiterin des sogenannten Buchona-Stils: lange Fingernägel, runde Kurven, Glitzer, wo es nur geht.
Der Gerichtssaal wurde zu Coronels Bühne, hier warf sie sich Kusshändchen mit El Chapo zu, und einmal, als eine ehemalige Geliebte ihres Mannes aussagte, erschienen er und Coronel sogar im gleichen roten Samtblazer, eine romantische Geste, aber auch eine klare Ansage: Finger weg, der Typ gehört mir. Als Coronel einen Account bei Instagram eröffnete, folgten ihr bald Hunderttausende, und als sie ankündigte, eine eigene Modemarke herauszubringen unter dem Namen ihres Mannes, berichtete sofort die Presse.
El Chapos Söhne aus einer anderen Ehe kämpfen um Einfluss im Sinaloa-Kartell.
Doch während El Chapo in den USA für eine lebenslange Freiheitsstrafe hinter Gitter wanderte, wurde das Leben für Emma Coronel in Mexiko wohl zunehmend unsicherer. Ein Machtkampf war ausgebrochen im Sinaloa-Kartell, El Chapos Söhne aus einer anderen Ehe kämpften mit anderen Fraktionen um Einfluss. Ein Sohn von El Chapo wurde nun an die USA ausgeliefert.
Coronel, so die Vermutung, könnte Angst bekommen haben um sich und ihre Töchter. Im Februar 2021 flog sie jedenfalls in die USA, liess sich verhaften und gestand umgehend, an den illegalen Geschäften ihres Mannes beteiligt gewesen zu sein. Dass sie nun, nach nicht einmal drei Jahren in Haft, schon wieder unter Auflagen entlassen worden ist, könnte auch daran liegen, glauben Experten, dass sie mit den Behörden zusammengearbeitet hat.
Sie ist US-Bürgerin
Coronel hat dabei Glück: Weil sie in Kalifornien geboren ist, hat sie auch die US-Staatsbürgerschaft, kann also nicht nach Mexiko abgeschoben werden, wo das Leben für sie sicherlich gefährlich wäre. Auf der anderen Seite muss sie sich laut Auflagen aber auch eine geregelte Arbeit suchen. Gut möglich, dass sie erst mal ihre Social-Media-Accounts wiederbelebt. Sehr wahrscheinlich aber auch, dass sie die Idee einer eigenen Modelinie wieder aufnimmt, der Arbeitstitel: «El Chapo Guzman: JGL LLC».
Aus einem der berüchtigtsten Drogenbosse Mexikos könnte am Ende also eine Modemarke werden. Emma Coronel hat sich von ihrem Mann sogar extra vertraglich die Namensrechte abtreten lassen. Allein das, muss man sagen, war schon ein Akt der Emanzipation.
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