Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Krieg in der Ukraine
Was Donald Trump mit König Attila und Papst Leo verbindet

Fresko „Das Treffen von Leo dem Grossen und Attila« aus dem 16. Jahrhundert, in den Stanzen des Raffael im Vatikan-Museum.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Es sah zappenduster aus für das Römische Reich im Jahr 452. Die einstige Weltmacht lag militärisch am Boden, Attila und seine Hunnen waren in Italien eingefallen und schickten sich an, gegen das Zentrum des Imperiums vorzurücken. Da, in der Stunde höchster Not, setzte Rom seine «Geheimwaffe» ein: Papst Leo I., Oberhaupt der noch jungen Christenheit.

Mit einem kleinen Gefolge nur zog Leo den Hunnen entgegen. Am Fluss Mincio traf er sich mit Attila zum Gespräch. Was er dem Hunnenführer sagte, ist nicht bekannt. Doch nach dem Treffen leitete Attila den Rückzug seiner Truppen ein. Wie uns die Chronisten berichten, war der Kriegsfürst aus dem Osten von der machtvollen Persönlichkeit des Papstes so sehr beeindruckt, dass er seine Eroberungspläne aufgab. Rom war noch einmal davongekommen (wenn auch nur für kurze Zeit).

Es handelt sich um einen der wenigen überlieferten Fälle in der Weltgeschichte, in denen eine akute militärische Krise augenscheinlich ohne jegliche Druckmittel entschärft wurde. Entscheidend sollen einzig und allein das Charisma und die Überzeugungskraft von Leo «dem Grossen» (wie er später genannt wurde) gewesen sein.

Die Ohnmacht gegenüber Putin

Womit wir in der Gegenwart sind, genauer gesagt: bei Donald Trump und Wladimir Putin. Seit mehreren Wochen schon verhandelt der US-Präsident mit dem russischen Machthaber über Frieden oder Waffenstillstand in der Ukraine. Bislang hat Trump mit Putin kein Treffen am Fluss Mincio vereinbart; ansonsten aber gibt es interessante Parallelen zu Leo und Attila – insbesondere im ungleichen Kräfteverhältnis.

Der Papst war dem Hunnenfürsten gegenüber realpolitisch machtlos. Er konnte ihm mit nichts drohen, ausser vielleicht mit Hölle und Verdammnis – wobei dies Attila, den Heiden aus der asiatischen Steppe, vermutlich nur mässig beeindruckt hätte.

Drohen kann Trump vor allem der Ukraine

Was Trump angeht, so verfügt er gegenüber den Ukrainern über maximale Druckmittel, die er ungeniert und mit voller Wucht einsetzt. Seine Drohungen, die von seinem Vorgänger Joe Biden initiierte Unterstützung komplett einzustellen, haben dem überfallenen Land bereits weitgehende Zugeständnisse abgenötigt. Gegenüber Putin jedoch hat Trump weniger in der Hand.

Trump schliesst nicht nur jede direkte Konfrontation mit Russland aus. Er ist auch Gefangener seiner eigenen Wahlkampfversprechen: der Verheissung eines neuen russisch-amerikanischen Tauwetters und einer dezidierten Abwendung von der ukrainisch-europäischen Achse. Wirksame Restriktionen gegenüber Putin oder nur schon deren glaubhafte Ankündigung sind unter diesen Umständen schwierig.

Die Russen machen sich dies zunutze. Bisher lassen sie ihre amerikanischen Gegenparts in den Verhandlungen auflaufen und intensivieren sogar ihre Angriffe in der Ukraine. Fast tragikomisch wirkt es da, wie Trump in einem Interview am Wochenende erklärte, er sei «sehr wütend» über Putins Verhalten in den letzten Tagen. Er drohte dabei zwar Zölle auf russisches Öl an, ruderte aber wenig später wieder zurück.

Die Leo-Legende ist wohl falsch

Bleibt also die Hoffnung, dass sich Trump am Ende tatsächlich als eine Art Wiedergeburt von Leo dem Grossen entpuppt. Viele Trump-Bewunderer sind überzeugt, dass Putin im Februar 2022 den Überfall auf die Ukraine erst gar nicht gewagt hätte, wäre damals ihr Idol im Amt gewesen. Trump seinerseits verkündete im Wahlkampf, er werde als Präsident den Ukraine-Krieg innert 24 Stunden beenden. Auch wenn diese Zeitspanne jetzt schon überschritten ist: Kann es «Donald dem Grossen» gelingen, ohne Druckmittel, sondern alleine kraft seiner imponierenden Persönlichkeit und Autorität den russischen Aggressor von seinem Tun abzubringen?

Leider stehen die Chancen dafür auch mit Blick auf die Historie eher schlecht. Die Leo-Legende jedenfalls wurde von der Geschichtswissenschaft längst dekonstruiert. Demnach hat wohl kaum päpstliches Charisma den hunnischen Rückzug veranlasst. Viel eher waren vermutlich Attilas Ressourcen erschöpft, es gab logistische Probleme für die Truppen. Und: Möglicherweise empfing Attila von Leos Gefolge sogar Zahlungen für seinen Abzug.

Der Papst hatte dem Hunnen also nichts entgegenzusetzen, aber allenfalls etwas anzubieten. Auch dies ist eine Parallele zur Gegenwart. Vielleicht zwingt Trump die Ukraine irgendwann zu derart umfassenden Konzessionen, dass sogar Russland zufriedengestellt ist. Den Beinamen «der Grosse» wird die Geschichte dem US-Präsidenten dafür allerdings nicht verleihen.