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Eskalation im Nahen Osten
Späte Warnung aus Washington

FILE - President Joe Biden meets with Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu in New York, Sept. 20, 2023. Less than three weeks ago, Netanyahu sat beside Biden and marveled that an "historic peace between Israel and Saudi Arabia" seemed within reach. Now, the outbreak of war between Israel and the Palestinians is threatening to delay or derail a country-by-country diplomatic push by the United States to improve relations between Israel and its Arab neighbors. (AP Photo/Susan Walsh, File)

Mit dem bevorstehenden Einmarsch der israelischen Armee im Gazastreifen wächst die Gefahr eines Flächenbrandes im Nahen Osten. Der iranische Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian warnte Israel diese Woche in Beirut davor, «Kriegsverbrechen» zu begehen. Und: Sollte Israel mit der «Belagerung von Gaza und Palästina» fortfahren, würden «neue Fronten» entstehen, sagte Abdollahian.

Offenbar denkt die Führung in Teheran an die Möglichkeit, dass neben der Hamas auch die im Südlibanon aktive Hizbollah gegen Israel aktiv werden könnte. Als schiitische Miliz und libanesische Partei ist die Hizbollah zwar anders verfasst als die über Gaza herrschende Hamas, ein sunnitischer Ableger der Muslimbrüder. Doch die beiden islamistischen Gruppen eint ein tiefer Hass auf Israel. Und: Beide erhalten viel Geld aus dem Iran. Zusammen mit dem Islamischen Jihad und den Huthi im Jemen zählen sie zu den Stellvertretergruppen, mit denen die Islamische Republik ihr Ziel verfolgt, im Nahen Osten eine Vormachtstellung zu erringen.

Washington weiss um das Risiko einer Ausweitung des Gaza-Kriegs. US-Präsident Joe Biden schickte gleich zwei Flugzeugträger mit Hunderten von Kampfjets ins östliche Mittelmeer, um die Nachbarn von Angriffen auf Israel abzuhalten. In seiner Rede vom Dienstag, mit der sich Biden voll hinter den jüdischen Staat schlug, kam zwar das Wort Iran nicht vor. Doch am Tag danach sagte er: «Wir haben den Iranern klargemacht: Passt auf!»

In this image released by the US Department of Defense, the world's largest aircraft carrier USS Gerald R. Ford sails during a fueling-at-sea operation from the replenishment oiler USNS Laramie (L) in the eastern Mediterranean Sea, October 11, 2023. US President Joe Biden dispatched the carrier and its fleet to the region in a show of support for Israel, also warned Hamas-backer Iran to "be careful." US officials said another carrier would soon be available if needed. (Photo by Jacob Mattingly / US Department of Defense / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO /  US Department of Defense/US Navy/Mass Communication Specialist 2nd Class Jacob Mattingly" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Die Warnung kommt spät. Viele amerikanische und israelische Kritiker glauben nämlich, dass die sich zuletzt zunehmend entspanntere Politik Washingtons gegenüber den Mullahs in Teheran die jetzige Krise erst ermöglicht hat. Mehrheitlich konservative Stimmen halten es für einen Kapitalfehler, dass Präsident Barack Obama mit dem Iran ein Nuklearabkommen aushandeln liess, um das Land in eine neue Sicherheitsarchitektur für den Nahen Osten einbauen zu können. Obama wollte damit die USA aus ihren Verstrickungen in der explosiven Region befreien.

Donald Trump beendete die Besänftigungspolitik abrupt. Er zog die USA aus dem Nuklearabkommen zurück und suchte den Iran mit einer Sanktionspolitik des «maximalen Drucks» gefügig zu machen. Im Januar 2020 liess er Qasem Soleimani, den populären Chef der Quds-Auslandabteilung der iranischen Revolutionsgarden, mit einem Drohnenschlag in Bagdad töten.

Das Attentat scheint den Ehrgeiz der islamischen Revolutionäre in Teheran nicht gebrochen zu haben. Im Gegenteil: Ihnen kam zugute, dass Biden, kaum war er im Weissen Haus, das Nuklearabkommen wiederzubeleben suchte und bald auch Wirtschaftssanktionen zu lockern begann. Die iranische Ölproduktion stieg auf über drei Millionen Fass pro Tag – so viel wie seit 2018 nicht mehr. Der Iran dürfte dieses Jahr mit Erdöl 30 bis 40 Milliarden Dollar verdienen und kann damit seine militanten Stellvertreter in der Region problemlos unterhalten.

Der als Kriegsfreund bekannte Senator Lindsey Graham will iranische Erdöleinrichtungen bombardieren lassen.

«Hüst und hott» kennzeichnet auch die US-Politik gegenüber Israel. Trump stellte die traditionell enge Verbundenheit Washingtons zum wichtigsten Nahost-Verbündeten wieder her und verlagerte sogar die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Unter Biden kühlte sich das Verhältnis der zwei Staaten spürbar ab, als der konservative Benjamin Netanyahu erneut Premierminister wurde. Bis heute wurde Netanyahu nicht von Präsident Biden im Weissen Haus empfangen.

Solidarität nach dem Hamas-Terror führte fast alle US-Politiker zurück auf den Kurs der engen Partnerschaft mit Israel. Zu den Ausnahmen gehören Palästina-freundliche Kongressabgeordnete am linken Flügel der Demokraten.

Republikanern reicht das nicht; sie drängen darauf, dass der Iran abgestraft wird. Der als Kriegsfreund bekannte Senator Lindsey Graham will iranische Erdöleinrichtungen bombardieren lassen. Sein Kollege und Präsidentschaftskandidat Tim Scott will zumindest die dem Iran versprochene Lösegeldsumme von sechs Milliarden Dollar einfrieren. Die Biden-Regierung und das Emirat von Katar haben inzwischen auf den politischen Druck reagiert und erklärt, die Summe werde vorderhand nicht freigegeben.  

Offizielle Sprecher dementieren konkrete Hinweise

Die Oppositionspolitiker gehen davon aus, dass Drahtzieher im Iran die Hamas-Terroraktion vom letzten Samstag nicht nur finanzierten, sondern auch mitorganisierten, was inzwischen drei Zeitungen behaupten. Offizielle Sprecher in Jerusalem und Washington beharren jedoch darauf, dass ihre Geheimdienste bislang keine konkreten Hinweise dafür gefunden hätten.

«Die israelischen und amerikanischen Regierungen wollen gar nicht herausfinden, ob es direkte Verbindungen der Hamas-Terroraktion zum Iran gibt», glaubt der Harvard-Politikwissenschaftler Stephen Walt. Alle hätten nur ein Interesse: «Ein rasches Ende herbeiführen und verhindern, dass es sich ausweitet.»