Krieg in GazaHamas-Zentrale unter Spital? Gebiet um Shifa-Klinik wird zum Schlachtfeld
Ein Angriff auf das Gelände könnte die Terroristen entscheidend schwächen – und würde Israel heftiger internationaler Kritik aussetzen. Der Druck auf Netanyahu steigt.
Die Kämpfe um Gaza-Stadt toben mit gnadenloser Härte. Am Wochenende ist auch die Umgebung des Shifa-Spitals zum unmittelbaren Kriegsgebiet geworden. Hunderte Patienten werden im grössten Spital des palästinensischen Küstenstreifens versorgt, zudem hatten sich Tausende Schutzsuchende auf das Gelände geflüchtet. In Tunneln unter dem Spital vermutet Israels Armee allerdings ein Hauptquartier der Hamas. Ein Angriff auf das Gelände könnte die Hamas also entscheidend schwächen – allerdings würde er Israel auch heftiger internationaler Kritik aussetzen. Rund um das Shifa-Spital wird deshalb nicht nur auf Leben und Tod gekämpft, sondern auch um die öffentliche Meinung.
Spitäler gehören nach humanitärem Völkerrecht zu zivilen Einrichtungen, die im Krieg nicht beschossen werden dürfen. Das Vordringen der israelischen Armee hat also sofort Alarm ausgelöst: «Es gibt laufend Luftangriffe», berichtete am Sonntag ein Arzt aus dem Spital im Fernsehsender al-Jazeera. Der Klinikdirektor Mohammed Abu Salmija sagte der Nachrichtenagentur AP, die israelischen Truppen «schiessen auf jeden draussen und im Innern des Spitals». Aus dem Gesundheitsministerium in Gaza hiess es, die Klinik sei vollständig belagert, Patienten und Personal seien eingeschlossen.
Israels Armeesprecher Daniel Hagari dagegen verbreitete eine ganz andere Version der Ereignisse. Er sprach von «Lügen» und «falschen Berichten», gezielt gestreut von der Hamas mit dem Ziel, die Menschen von einer Flucht abzuschrecken, um sie weiter als lebende Schutzschilde missbrauchen zu können. Die Klinik werde nicht belagert, sondern es gebe «an der Ostseite des Spitals einen sicheren Weg» für alle, die das Gelände verlassen wollten. Hagari kündigte an, dass Israels Armee auch bereit sei, zu helfen, Babys aus dem Shifa-Spital in eine andere, sichere Klinik zu bringen. «Wir bekämpfen nur Terroristen, die es darauf abgesehen haben, den Kampf direkt neben dem Spital zu führen.»
Tatsächlich gilt ein Spital nach dem Völkerrecht nicht mehr als ziviles Objekt, wenn eine Kriegspartei dort ein Waffenlager anlegt oder Raketen abschiesst. Verlangt wird allerdings, dass im Falle eines Angriffs die Verhältnismässigkeit gewahrt werden müsse. Das ist ein dehnbarer Begriff. Israel hat schon vor einiger Zeit Fotos und weiteres Material präsentiert, mit deren Hilfe belegt werden soll, dass der Untergrund der Klinik als Kommandozentrale genutzt werde.
Wachsende Kritik an Israels Kriegsführung
Mehr als fünf Wochen nach dem Massaker der Hamas (lesen Sie hier den Text über den Mann, der ein Video mit den Massakern zusammenschnitt) mit 1200 Toten wird ohnehin die Kritik an Israels Kriegsführung lauter. Im Gazastreifen steigt die Zahl der Opfer schnell. Nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums wurden mehr als 11’000 Palästinenser getötet, zwei Drittel davon Frauen und Kinder. Die UNO übernimmt diese Zahlen.
US-Aussenminister Antony Blinken rief Israel nun dazu auf, mehr zum Schutz von Zivilisten zu tun. «Viel zu viele Palästinenser wurden getötet, viel zu viele haben gelitten», erklärte er. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte eine Waffenruhe.
Die israelische Regierung will keine Waffenruhe
In Israel will man von solch einer Forderung nichts wissen. Als Ziel wurde die Vernichtung der Hamas ausgegeben, und das kann nach Einschätzung der Armee Monate, vielleicht sogar Jahre dauern. Aber die Kritik, die nun auch aus dem Kreis der Verbündeten kommt, führt Israels Führung vor Augen, dass die bislang zugesagte Unterstützung kaum auf Dauer gesichert sein kann.
Premierminister Benjamin Netanyahu kämpft mit markigen Worten gegen jede Kritik an. Macron warf er einen «schweren Fehler» vor, «faktisch und moralisch». Die Verantwortung für das Leid der Zivilisten in Gaza liege «bei der Hamas, nicht bei Israel», erklärte er. Mit Genugtuung wurde dann in Israel registriert, dass Macron am Sonntag bei Präsident Isaac Herzog anrief, um zu versichern, er habe Israel nicht eines absichtlichen Bombardements von Zivilisten beschuldigen wollen.
«Unser Kampf ist euer Kampf.»
Zudem versucht Netanyahu, eine gemeinsame Front aufrechtzuerhalten. «Unser Kampf ist euer Kampf», sagte er. Vereint müsse man sich dem vom Iran gesteuerten Terror entgegenstellen. Doch auch ohne internationale Unterstützung, so erklärte er, werde man sich nicht vom Kurs abbringen lassen: «Wenn nötig steht Israel fest auch gegen die ganze Welt.»
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