Palästina-Demo in GrossbritannienLondons Polizei wehrt sich gegen den Druck des Premiers
Rishi Sunak will eine Pro-Palästina-Demo am Samstag verbieten – und stösst auf Widerstand des Londoner Polizeipräsidenten. Die Innenministerin giesst zusätzlich Öl ins Feuer.
Nach einer ganz ungewöhnlichen Breitseite gegen die Polizei hat sich die britische Regierung am Donnerstag ihrerseits unter schwerem Beschuss befunden. Labour und Liberaldemokraten forderten im Parlament die Entlassung von Innenministerin Suella Braverman.
Ausgelöst hatte Sunak die Krise mit seinem Druck auf den Londoner Polizeipräsidenten, von dem er verlangte, einen für diesen Samstag geplanten Demonstrationsmarsch gegen das Vorgehen Israels in Gaza zu verbieten, zu dem wie an den vergangenen Wochenenden Zehntausende von Menschen auf den Strassen erwartet werden. Ein Verbot war nach Ansicht Sunaks nötig, weil dieser Samstag Armistice Day in Grossbritannien ist.
Armistice Day ist der jährlich mit Prozessionen, Zeremonien und Gottesdiensten gefeierte Gedenktag zum Ende des Ersten Weltkriegs, an dem die Gefallenen und die Veteranen aller britischen Kriege geehrt werden. An diesem ganz besonderen Wochenende dürften darum keine pro-palästinensischen Demonstrationen in London stattfinden, hatte schon Anfang der Woche Ministerin Braverman verkündet.
Polizeichef verteidigt protestierende Pazifisten
Londons Polizeipräsident Sir Mark Rowley weigerte sich aber, dem Druck der Regierung nachzugeben. Er erklärte, dass solche Verbote, wegen des Grundrechts auf Rede- und Versammlungsfreiheit, in der Vergangenheit «nur äusserst selten» ausgesprochen worden seien. Selbstverständlich, sagte er, werde die Polizei in London dafür sorgen, dass die Proteste die Gedenkfeiern nicht stören würden. Anzeichen dafür gebe es aber gegenwärtig nicht.
Viele der Marschteilnehmerinnen und -teilnehmer seien Pazifisten, deren gutes Recht es sei, gegen die Bombardierung Gazas durch Israel zu protestieren, sagte Rowley. Solange die Demonstranten nicht die Absicht hätten, die Gedenkfeiern zu stören, bleibe die Kundgebung erlaubt.
Auch bei einer eilends angesetzten Besprechung mit dem Premierminister, zu der er nach Downing Street beordert wurde, beharrte Rowley auf dieser Position. Im Anschluss an die Konferenz erklärte Sunak, er mache Rowley für alles Weitere «haftbar». Der Polizeichef trage am Samstag «die volle Verantwortung».
Bravermans umstrittener Gastbeitrag
Innenministerin Braverman, die den rechten Tory-Flügel repräsentiert, mochte es freilich nicht dabei belassen. In einem Beitrag für die Donnerstagsausgabe der Londoner «Times» versicherte sie, den Demonstranten gehe es «nicht einfach um Hilfe für Gaza». Stattdessen suchten bei diesen «Hass-Märschen» bestimmte Gruppen, «vor allem Islamisten», sich im Pulk der Massen mehr Einfluss zu verschaffen.
Und leider, klagte Braverman, begünstige die Metropolitan Police häufig «linke Gruppen», wie etwa die Teilnehmer der «Black Lives Matter»-Kundgebungen, in der Stadt. Während die Polizei gegen «rechte und nationalistische» Demonstranten immer hart vorgehe und zum Beispiel auch gegenüber den Lockdown-Gegnern der Covid-Zeit «nie Pardon gekannt» habe, räume sie der «propalästinensischen Meute» jede Menge Freiheiten ein.
Diese Bemerkungen lösten empörte Reaktionen in Oppositionskreisen aus. Labours innenpolitische Sprecherin Yvette Cooper warf der Ministerin vor, «ausgerechnet in einer so prekären Zeit den Respekt für die Polizei zu untergraben», «bewusst Spannungen in der Bevölkerung anzuheizen» und «die Extremisten aller Seiten zu ermutigen».
«Wir treiben einfach unserer Niederlage entgegen.»
Labour Party und Liberaldemokraten verlangten so einmütig den Kopf der Ministerin. Premier Sunak beteuerte zwar, er habe «volles Vertrauen» in Braverman. Er räumte aber zugleich ein, dass der «Times»-Artikel nicht mit der Regierungszentrale abgesprochen worden war.
Für zusätzliche Unruhe sorgte Ex-Premierminister Boris Johnson, der befand, dass die Konservativen unter Rishi Sunak dem Untergang geweiht seien. Seinem früheren Schatzkanzler, meinte Johnson, sei es schlicht nicht gelungen, der Nation «eine positive Vision» zu offerieren: «Nichts, hinter das man sich stellen könnte. Gar nichts. Wir treiben einfach unserer Niederlage entgegen.» Das galt der im nächsten Jahr fälligen Unterhauswahl.
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