Handynetz in GefahrKrach um Parmelins Stromsparpläne
Swisscom, Sunrise und Salt haben Vertreter von Guy Parmelins Wirtschaftsdepartement zur Krisensitzung getroffen. Die Rede war von drohendem Bürgerkrieg und Plünderungen.
Sie sind sonst erbitterte Konkurrenten. Doch jetzt kämpfen die Telecomanbieter Swisscom, Sunrise und Salt für einmal Schulter an Schulter gegen die vom Bundesrat vorgeschlagenen Regeln, wer bei einem Strommangel weniger oder gar keinen Strom mehr bekommt.
Eigentlich können Betroffene bis zum 12. Dezember zu den Strommangelregeln Stellung nehmen. Die drei Festnetz-, Mobilfunk- und Internetanbieter sind von den geplanten Massnahmen stark betroffen. Sie wollten den Termin aber nicht abwarten und haben vorab eine Krisensitzung verlangt.
«Bürgerkriegsähnliche Zustände»
Gemäss Informationen, die dieser Redaktion vorliegen, haben sich nun letzte Woche die Telecomfirmen mit Vertretern von drei Bundesinstanzen getroffen: der Organisation für die Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen, dem Delegierten für die wirtschaftliche Landesversorgung und dem Bundesamt für Kommunikation.
Laut Quellen ging es in dieser Sitzung hitzig zu und her. Die Rede war sogar von drohenden Plünderungen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, sollte der Bund in einer Strommangellage den Lockdown von Internet, Telefon und Handynetzen anordnen. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren Armee und Sicherheitsbehörden vor Schreckensszenarien gewarnt, sollte über längere Zeit der Strom ausfallen und damit auch Telefon und Alarmanlagen.
Technisch nicht machbar
Sollte eine Stromkrise bedrohliche Ausmasse annehmen, plant der Bundesrat regionale Stromabschaltungen. Für Festnetztelefone, Handys sowie Internet und Fernsehen würde dies das komplette Aus für die ganze Schweiz bedeuten, warnen die Anbieter.
Würde Zürich der Strom abgeschaltet, könnte man auch nicht mehr zwischen Basel und Bern telefonieren. So verzahnt sind laut den Telecomunternehmen die Netze und Abhängigkeiten. Nicht mal die Erreichbarkeit von Polizei, Feuerwehr und Sanität ist laut den Telecomanbietern in jedem Fall gewährleistet.
Dasselbe würde für eine Strommangellage gelten, die weniger schlimm wäre. Um das regionale Abschalten von Stromnetzen zu verhindern, würde der Bund zuerst Grossbezügern von Strom Sparziele verbindlich vorgeben. Das könnten 20 oder gar 30 Prozent sein.
Swisscom, Sunrise und Salt sagen dazu, das sei technisch gar nicht machbar. Für den Betrieb der digitalisierten Netze und der Antennen seien 100 Prozent des heute verwendeten Stroms nötig. Mit nur noch 80 oder 70 Prozent Strom würden die Netze zusammenbrechen.
«Die Telecomnetze sind nicht für den reduzierten Betrieb während einer längeren Strommangellage gewappnet.»
Der Redaktion Tamedia liegt der Entwurf einer schriftlichen Stellungnahme der Anbieter vor. Darin heisst es, Teile der Mobilfunknetze und der Festnetze müssten faktisch abgeschaltet werden, sollte der Bundesrat die geplanten Vorgaben tatsächlich in Kraft setzen.
Wörtlich: «Der Betrieb der Netze ist auf eine zuverlässige und ausreichende Stromversorgung angewiesen. Mobilfunkantennen können maximal eine Stunde ohne reguläre Stromversorgung betrieben werden.» Danach müssten die Batterien für eine erneute volle Kapazität während 24 Stunden wieder aufgeladen werden. Und weiter: «Die Telecomnetze in der Schweiz sind für kurzfristige, rund einstündige Stromausfälle gewappnet, nicht aber für den reduzierten Betrieb während einer längeren Strommangellage.»
Will der Bundesrat also etwas anordnen, was technisch gar nicht geht?
Nein, sagt Markus Spörndli, der Sprecher von Bundesrat Guy Parmelin. «Bei einer allfälligen Kontingentierung von Strom müssten die Telekommunikationsanbieter in der Lage sein, ein Grundangebot aufrechtzuerhalten.» Nur ein Teil der Dienste von den Telecomanbietern sei für die Aufrechterhaltung der grundlegenden Telekommunikationsdienste erforderlich.
Anbieter sollen beim Streaming sparen
Konkret erwartet das Wirtschaftsdepartement von den drei Anbietern also, dass sie Digital-TV, Streaming-, Video- und Onlinespieleseiten abschalten, um Strom zu sparen. Telefonieren könnte man so weiterhin.
Dies sei unmöglich, sagen die Anbieter aber vehement. Stromsparziele von bis zu 30 Prozent seien so gar nicht zu erreichen. Sie verlangen, von der Stromrationierung ganz ausgenommen zu werden.
Dass sich Betroffene und Bund noch vor Ablauf einer Vernehmlassungsfrist für die Bundesratsverordnungen zur Krisensitzung treffen, ist ungewöhnlich. Bisher zeichnet sich noch keine Lösung in diesem Streit ab. Am Montag schaltet sich nun auch noch das Parlament ein. Dort muss der Bundesrat Fragen aus nicht weniger als fünf Fraktionen beantworten. Das deutet auf heftiges Lobbying aus Telecomkreisen hin.
Derzeit haben die Kontrahenten von Bund und Telecomunternehmen wohl nur noch eines gemeinsam – sie hoffen, dass die Strommangellage nie eintritt. Damit blieben auch die Verordnungen über Sparvorgaben und Netzabschaltungen obsolet.
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