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Kopfgeld auf Herrliberger ausgesetzt
Vom FBI Gesuchter lebt unbehelligt am Zürichsee

Drohnenfoto Herrliberg am 27.02.2014.

Foto: Michael Trost / Tamedia AG.
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Die graue Wolkendecke spiegelt sich in den Fensterscheiben eines unscheinbaren Mehrfamilienhauses. Im Innern des Gebäudes, das in einem ruhigen Herrliberger Wohnquartier steht, ist es dunkel. Einer der Briefkästen trägt die Anschrift «Osipov».

Im Dorf ist es kein Geheimnis, dass der vom FBI Gesuchte hier lebt. Wie mehrere Leser dieser Redaktion mitteilten, wurden er und seine Familie erst vor wenigen Jahren eingebürgert. «Ich war schockiert, als ich sein Gesicht in der Zeitung gesehen habe», sagt eine Anwohnerin, die gerade mit dem Hund vorbeispaziert.

Im Dorf habe sich die Fahndung der US-Behörden schnell herumgesprochen. Sie kenne Osipov vom Sehen, sei ihm erst kürzlich beim Spazieren begegnet. «Über ihn als Person kann ich nichts Negatives sagen», beteuert sie. Im Gespräch sei er stets freundlich gewesen. Was der Mann verbrochen haben soll, sei ein anderes Thema.

Jachtmanager für russischen Oligarchen

Doch was wird Wladislaw Osipov überhaupt vorgeworfen? US-Behörden klagten den 52-Jährigen bereits im November 2022 wegen Geldwäscherei und Verschwörung zum Betrug der Vereinigten Staaten an. Kürzlich hat die US-Staatsanwaltschaft die Anklage nochmals verschärft – und eine Belohnung in Höhe von bis zu einer Million US-Dollar für Informationen ausgesetzt, die zur Verhaftung Osipovs führen.

Konkret wird dem Wahl-Herrliberger vorgeworfen, dass er dem sanktionierten russischen Oligarchen Viktor Vekselberg geholfen haben soll, den Besitz der Superjacht Tango über ein kompliziertes Firmengeflecht zu verschleiern. Osipov galt als enger Vertrauter Vekselbergs – sass als dessen Vertretung etwa im Verwaltungsrat namhafter Unternehmen wie Renova oder Züblin. Und nebenbei soll er auch als persönlicher Jachtmanager fungiert haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.**

FILE - In this May 25, 2018, file photo, Renova CEO businessman Viktor Vekselberg attends the St. Petersburg International Economic Forum in St. Petersburg, Russia. in St. Petersburg, Russia. Long before Vekselberg was tied to a scandal over the president and a porn star, the Russian oligarch had been positioning himself to extend his influence in the United States.  (Alexander Ryumin/TASS News Agency Pool Photo via AP, file)

Unpassend scheint die Rolle nicht zu sein: Mit den Worten «Absolute Diskretion und Integrität sind der Schlüssel zu allem, was wir tun» bewarb Osipov das von ihm geführte Finanzberatungsunternehmen. Inzwischen hat er die Website offline genommen. Als sie noch online war, wurden als Services etwa Vermögens-, Jacht- und Flugzeugmanagement aufgelistet. Noch heute steht der Name der Firma, die sich laut Website an «sehr vermögende Privatpersonen» richtet, an der Klingel seiner Wohnung.

Aus Tango wird «Fanta»

Aber zurück zur Superjacht Tango. Nachdem Viktor Vekselberg im April 2018 aufgrund seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Visier der US-Behörden geriet, wurde ihm der Besitz der Superjacht faktisch verboten. Davon liess sich der Milliardär und Mitbegründer der Renova Group jedoch nicht beirren und befuhr offenbar weiterhin unbehelligt die Weltmeere.

Laut US-Anklage war Osipov dabei die zentrale Person, die ihm bei der Verschleierung des Luxusschiffs half. So habe er die Jachtverwaltungsgesellschaft etwa angewiesen, keine Geschäfte mit Banken im wahren Namen von Tango zu tätigen. Stattdessen liefen alle Abrechnungen über eine erfundene Jacht mit dem Namen «Fanta». Hunderttausende Dollar für die Instandhaltung der Jacht flossen so über US-Konten.

Civil Guards stand by the yacht called Tango in Palma de Mallorca, Spain, Monday April 4, 2022. U.S. federal agents and Spain's Civil Guard are searching the yacht owned by a Russian oligarch. The yacht is among the assets linked to Viktor Vekselberg, a billionaire and close ally with Russia's President Vladimir Putin, who heads the Moscow-based Renova Group, a conglomerate encompassing metals, mining, tech and other assets, according to U.S. Treasury Department documents. All of Vekselberg's assets in the U.S. are frozen and U.S. companies are forbidden from doing business with him and his entities. (AP Photo/Francisco Ubilla)

Auch sollen Tango-Mitarbeiter eigene Kreditkarten für Käufe bei amerikanischen Firmen genutzt haben – darunter Navigationssoftware oder luxuriöse Bademäntel –, wofür sie dann später eine Rückerstattung erhielten. Aufgrund der Anweisungen Osipovs hätten die Mitarbeiter falsche Informationen an US-Finanzinstitute übermittelt, Geschäfte mit amerikanischen Unternehmen getätigt und die US-Sanktionen so ausgehebelt.

Erst im April 2022 wurde die Tango, orchestriert als grosses Medienspektakel, in Spanien beschlagnahmt. Noch heute liegt die knapp 80 Meter lange und schätzungsweise 90 Millionen Franken teure Jacht auf Kosten der Amerikaner vor Mallorca.

Keine Auslieferung in Sicht

Die jüngste Entwicklung – die Aussetzung des Kopfgelds – zeigt, dass die Amerikaner ihre Gangart verschärfen. Was das wiederum für Osipov bedeutet, bleibt offen. Falls es tatsächlich zum Prozess und zu einer Verurteilung kommt, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.

Da in der Schweiz grundsätzlich kein Bürger ohne seine schriftliche Zustimmung einem fremden Staat ausgeliefert werden darf, wird dies wohl kaum so schnell passieren. Theoretisch hätten die USA die Möglichkeit, ein Ersuchen um stellvertretende Strafverfolgung einzureichen. Die Frage, ob ein solches vorliegt, beantwortete das Bundesamt für Justiz nicht.

Und solange Schweizer Behörden keine Strafverfahren gegen ihn führen, dürfte das Kopfgeld der FBI für Osipov also nicht allzu viel geändert haben – abgesehen von der brodelnden Gerüchteküche in seiner Wohngemeinde.

*Korrektur vom 4.3.24, 14 Uhr: In der ursprünglichen Textversion wurde Wladislaw Osipov als russisch-schweizerischer Doppelbürger bezeichnet. Das ist falsch. Osipov verfügt nur über die Schweizer Staatsbürgerschaft. **Der ursprüngliche Text wurde am 4.3.24 um diesen Satz ergänzt.

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