3. Tamedia-AbstimmungsumfrageKonzerninitiative droht an Schweizer «Swing States» zu scheitern
Der Vorsprung der Konzernverantwortungs-Initianten schwindet. Die Gegner dürfen darauf hoffen, dass das Volksbegehren das Ständemehr verpasst. Schlecht sieht es für die Kriegsgeschäfte-Initiative aus.
Es dürfte also knapp werden. Nach jahrelanger Vorbereitung und einem emotional geführten Abstimmungskampf liegen die Gegner und Befürworter der Konzernverantwortungsinitiative nun, weniger als zwei Wochen vor der Abstimmung, fast gleichauf.
Laut der dritten und letzten Abstimmungsumfrage von Tamedia und «20 Minuten» wollen 51 Prozent der Befragten sicher oder eher für die Initiative stimmen, 48 Prozent sind dagegen. Einer von hundert ist unentschlossen. Wie schon in den beiden vorhergehenden Befragungen zeigt sich, dass die Initiative bei Frauen, jungen und urbanen Wählern besonders gut ankommt, während sie in den Agglomerationen und auf dem Land einen schwereren Stand hat.
Damit rückt ein Szenario in den Fokus, auf das sich die Gegner schon seit geraumer Zeit vorbereitet haben: die Ständemehr-Strategie. Denn die Initianten siegen nur dann, wenn sie sowohl eine Mehrheit des Stimmvolks als auch eine Mehrheit der Kantone hinter sich scharen. «Da die Initiative vor allem in den Städten unterstützt wird, ist das Ständemehr für die Initianten eine sehr hohe Hürde», sagt Politologe Fabio Wasserfallen.
Setzt sich der Trend fort, dürfte die Zustimmung bis zum Abstimmungstermin eher noch weiter sinken. Doch selbst falls 52 oder 53 Prozent der Bevölkerung Ja stimmen sollten, scheitert die Initiative mit einiger Wahrscheinlichkeit am Ständemehr, wie eine Simulation auf Basis der Umfragedaten zeigt.
Die Schweizer «Swing States»
Der Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse liess schon vor über einem Jahr berechnen, in welchen Kantonen der Abstimmungsausgang besonders knapp werden dürfte – und wo sich ein Mitteleinsatz entsprechend überdurchschnittlich lohnt. Dies zeigen interne Dokumente, über die diese Zeitung bereits berichtet hat.
Die Analysen zweier unabhängiger Institute kamen allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen: Als sogenannte Effort-Kantone wurden Schaffhausen, Zürich, Bern, Solothurn und Basel-Land definiert, je nach Berechnungsmodell aber unter anderem auch Zug, Obwalden oder Graubünden.
Es handelt sich quasi um die «Swing States» der Schweiz. Während in Basel-Stadt und in der Romandie eine vergleichsweise hohe Zustimmung erwartet wird und in konservativen Innerschweizer Kantonen wie Nidwalden ein deutliches Nein, könnten diese Kantone in beide Richtungen kippen.
«In Basel-Stadt lohnt es sich hingegen nicht, viele Ressourcen zu investieren – in diesem Kanton haben wir bereits verloren.»
CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter ist Co-Präsidentin des Nein-Komitees. Die jüngsten Umfrageergebnisse sind für sie ein Lichtblick. Sie sagt aber auch: «Ich mag noch nicht an ein Volks-Nein glauben. Umso stärker fällt das Ständemehr ins Gewicht.»
Schneider-Schneiter glaubt, dass ländliche Gebiete mit ausgeprägter KMU-Landschaft an der Urne den Ausschlag geben werden. In ihrem eigenen Kanton, Baselland, wird bis zuletzt intensiv um jede Stimme gekämpft, die Einwohner hatten in den letzten Wochen gleich zweimal Kampagnenmaterial im Briefkasten. «In Basel-Stadt lohnt es sich hingegen nicht, viele Ressourcen zu investieren – in diesem Kanton haben wir bereits verloren.»
Auch die Initianten versuchen, in kritischen Kantonen noch Boden gutzumachen. Im Fokus stünden Bergkantone wie Uri, Glarus oder das Wallis, heisst es auf Anfrage.
Kriegsmaterial-Initiative stürzt ab
Schlechte Karten hat laut der Abstimmungsumfrage die zweite eidgenössische Volksinitiative, die am 29. November zur Abstimmung gelangt: Nur noch 41 Prozent wollen die Initiative für das Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten sicher oder eher annehmen. Die Zustimmung ist im Vergleich zur zweiten Umfragewelle um zehn Prozentpunkte gesunken. Sie dürfte damit aller Voraussicht nach sowohl das Volks- als auch das Ständemehr verfehlen.
In der Geschichte der Schweizer Demokratie gab es bislang erst neun Vorlagen, die am Ständemehr scheiterten. Zuletzt traf es im März 2013 den sogenannten Familienartikel, der Bund und Kantone verpflichtet hätte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Noch seltener kommt es vor, dass eine Vorlage das Ständemehr zwar erreicht, aber am Volksmehr scheitert. Dieses Schicksal ereilte zuletzt 2016 die CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe.
13’884 Personen aus allen Landesteilen haben vom 12. bis 14. November an der Online-Umfrage teilgenommen. Die Daten wurden nach demografischen, geografischen und politischen Variablen gewichtet. Der Fehlerbereich liegt bei ±1.4 Prozentpunkten.
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