Kommentar zu den WahlenSich selbst kumulieren und andere streichen – recht so!
Parteien reagieren empört, wenn ihre Kandidierenden zum Streichen von anderen Namen auf der Liste aufrufen. Dabei handeln die Gescholtenen richtig.
Für ihre Aussagen hat Christina Bachmann-Roth viel Kritik einstecken müssen. Die Aargauer Mitte-Nationalratskandidatin hat Bekannten empfohlen, sie doppelt auf die Liste zu schreiben – und gleichzeitig andere Kandidierende zu streichen. Die Parteileitung warf ihr mangelnden Teamspirit vor.
Ähnlich gelagert ist der Fall der «SP-Migrant:innen Kanton Bern». Weil diese Untersektion mehr Personen mit Migrationshintergrund im Bundeshaus möchte, empfahl sie kurzerhand, solche Kandidierenden auf der SP-Liste doppelt aufzuschreiben – also zu kumulieren – und dafür andere SP-Leute zu streichen. Auch hier war die parteiinterne Empörung gross.
Der Berner SVP-Nationalrat Erich Hess wiederum empfiehlt, eine leere Liste zu nehmen, die Parteibezeichnung einzusetzen und zweimal Erich Hess aufzuschreiben. Statt andere Namen zu streichen, soll man sie also gar nicht erst aufschreiben.
Wer gewählt werden will, muss eigene Leute schlagen.
Parteien reagieren sehr sensibel, wenn ihre eigenen Kandidierenden Egotrips veranstalten. Doch eigentlich haben die Gescholtenen recht. In einer Proporzwahl gilt es, auf seiner Liste Plätze gutzumachen. Und das gelingt nur, wenn man häufiger ausgewählt und weniger oft gestrichen wird als die anderen. Das heisst: Die grösste Konkurrenz findet sich nicht in den anderen Parteien. Wer gewählt werden will, muss eigene Leute schlagen.
Die meisten Parteien empfehlen, vorgedruckte Listen zu verwenden und diese nicht zu verändern. Wie paradox diese Empfehlung eigentlich ist, zeigt sich, wenn man sie zu Ende denkt: Würden sich restlos alle Wählerinnen und Wähler daran halten, hätten am Ende alle Kandidierenden auf einer Liste das gleiche Resultat.
Wählerinnen und Wähler haben eine andere Perspektive als die Parteien. Sie brauchen keine Rücksicht zu nehmen auf parteiinterne Befindlichkeiten. In ihrem Interesse sollte es vielmehr sein, sich von den oft kumpelhaften und bevormundenden Tipps der Parteien zu emanzipieren und ihr Wahlrecht nach eigenem Gutdünken und souverän ausüben zu können.
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