Kolumne «Heute vor»Auch eine Bratwurst kann als Festmahl dienen
Im Dezember 2003 ging es in einer Umfrage der «Zürichsee-Zeitung» um die Wurst und um andere Gründe zur Freude. Doch auch die beliebteste Art zu sterben war gefragt.

Kurz vor der stillen Heiligen Nacht 2003 muss es an den Ufern des Zürichsees laut gewesen sein. Denn der Leserschaft der «Zürichsee-Zeitung» knurrte wohl gehörig der Magen. So gab sie in einer Umfrage, die in drei Teilen in der Zeitung erschien, begeistert über ihr geplantes Weihnachtsmenü Auskunft. Gross waren vor zwanzig Jahren jedoch nicht nur die Löcher in den Mägen, sondern auch die Fragen des Lebens.
Die Einstiegsfrage der Redaktion wollte denn auch nicht weniger als den «Traum des eigenen Glücks» ihrer Leserschaft erfahren. Und diese schien sich einig, waren doch Liebe und Geborgenheit die meistgenannten Glücksstifter. Nur einige wagten sich in andere Traumdimensionen vor. Eine Küsnachterin wünschte sich etwa, «nicht zu verblöden», ein Zürcher die ewige Jugend.
Bei der «Lieblingsgestalt in der Geschichte oder der Gegenwart» sah es dagegen anders aus. So wurden von Mutter Teresa, Huldrych Zwingli und Jesus Christus bis van Gogh und Mozart diverse beliebte Vorbilder genannt. Doch auch Naturheilkunde-Pionier Doktor A. Vogel, die eigene Frau oder «die Mutter» schienen zu begeistern. James J. Frei aus Horgen hingegen nannte «Captain Cook und die Menschen in Irland» als seine Vorbilder. Eine Leserin aus Zürich «unseren Bundesrat, einst und in der Tat». Ob sie damit gleich alle sieben meinte, bleibt unklar.
Auch dem Lebensmotto der Seeanwohnenden wurde auf den Grund gegangen. Otto Brühlmann aus Meilen meinte, nach dem Motto «Alter Schimmel hüa ho» zu leben, zudem war «carpe diem» hoch im Kurs. Martina Amacher vom Horgenberg nahm es dagegen pragmatischer: «Da muesch dure» sei ihr Leitspruch.
Nach den Einstiegsfragen folgte schliesslich auch noch schwerere Kost. «Wie möchten Sie sterben?», hiess es in einem der Kästchen. «Schnell», «ohne Qualen» oder «im Schlaf», meinten viele Leserinnen und Leser dazu. Andere hatten gar etwas konkretere Wunschszenarien im Kopf, etwa: «an Herzversagen», «in Venedig» oder «vom Blitz erschlagen». Zudem wurde der deutsche Schriftsteller Heiner Müller zitiert: «Herr, brich mir das Genick beim Sturz von einer Bierbank.»
Um die Umfrage aber mit einer freudigeren Thematik abzuschliessen, endet diese mit dem kurz bevorstehenden Festessen. Wie denn das Weihnachtsmenü 2003 aussehen wird, nahm die ZSZ-Redaktion wunder. Üppig, so liesse es sich zusammenfassen. Reichte doch die kulinarische Vielfalt von Fleischfondue und Kartoffelsalat mit Schinken bis zu Wiener Schnitzel und Baumkuchen.
Besonders heraus stach allerdings das Mahl von Alice Meier. Eine Orange, eine Bratwurst und Brot vor dem Fernseher würden bei ihr in Meilen aufgetischt an Heiligabend. Mutmasslich eine Leibspeise der Dame und eine köstliche Erinnerung daran, sich zu Weihnachten wieder einmal auf die Bescheidenheit zu besinnen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.