US-PräsidentschaftswahlKönnte Trump die Wahl wegen Corona verschieben?
In den USA wächst die Sorge, dass die Pandemie die Präsidentschaftswahl im November beeinträchtigen könnte. Was wären die Folgen?
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind in den USA mehrere Vorwahlen in den Sommer verschoben worden, darunter jene in Louisiana, Georgia und Ohio. Weil sich schon zuvor abgezeichnet hatte, dass Joe Biden der demokratische Präsidentschaftskandidat werden würde, bleibt diese Entscheidung ohne grosse Folgen.
Doch was ist, wenn das Coronavirus im Herbst immer noch wütet? Hätte das Folgen für die Präsidentschaftswahl vom 3. November? Demokraten wie der Senator Sherrod Brown äusserten zuletzt die Sorge, dass Donald Trump die Pandemie als Ausrede dafür brauchen könnte, die Wahl zu verschieben. Wie realistisch ist das? Ein kleiner Crashkurs.
Könnte Präsident Trump die Wahl bei einer Notlage einfach verschieben?
Nein. Die Wahl findet immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt, also zwischen dem 2. und 8. November – so steht es im Gesetz. Ändern könnte das Gesetz nur der Kongress. Alternativ könnte das Parlament dem Präsidenten wohl auch die Befugnis erteilen, die Wahl zu verschieben – so zumindest schätzte es das US-Justizministerium in einem Gutachten von 2004 ein. Dass der Kongress dies tun würde, ist aber höchst unwahrscheinlich, auch kein einziger Republikaner hat sich bisher für einen solchen Schritt ausgesprochen.
Was passiert, wenn die Wahl trotz allem nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden kann? Bleibt Trump dann automatisch länger im Amt?
Nein. Die Amtszeit des Präsidenten wie auch des Vizepräsidenten endet gemäss der Verfassung am 20. Januar 2021. Ohne erneute Wahl wären also weder Trump noch sein Vize Mike Pence über diesen Tag hinaus rechtmässig im Amt. Die Nummer 3 in der Amtsnachfolge ist die Sprecherin des Repräsentantenhauses, aktuell also die Demokratin Nancy Pelosi. Auch die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden aber am 3. November neu gewählt. Fände die Wahl nicht statt, wäre auch Pelosi nicht mehr im Amt.
Wer würde dann Präsident?
Jetzt wird es sehr theoretisch. Die verkürzte Fassung: Die nächste Person in der Nachfolge ist der Präsident pro tempore des Senats – also der Senator der Mehrheitspartei mit der längsten Amtszeit. Das wäre heute der Republikaner Chuck Grassley aus Iowa (86). Am 3. November wird allerdings auch ein Drittel des Senats neu gewählt, und ohne diese Wahl hätten im Januar die Demokraten eine Mehrheit in der Kammer. Der dienstälteste Senator der Demokraten wiederum ist Patrick Leahy (80) aus Vermont.
Wenn man davon ausgeht, dass die Präsidentschaftswahl rechtzeitig stattfindet: Wie wird das aussehen?
Das ist tatsächlich unklar. In Wisconsin mussten sich die Wähler vergangene Woche inmitten der Pandemie in einige wenige geöffnete Wahllokale drängen, um ihre Stimme abzugeben – ein erhebliches Gesundheitsrisiko, das im Herbst vermieden werden soll. Die Verantwortung für die Durchführung der Wahl liegt aber bei den Bundesstaaten. Diese sind in den vergangenen Jahren vermehrt dazu übergegangen, die Briefwahl zu erlauben. Fünf Bundesstaaten schicken ihren registrierten Wählern inzwischen die Unterlagen zur brieflichen Stimmabgabe automatisch zu. Anderswo müssen die Wähler diese Unterlagen anfordern, zum Teil mit einer Begründung, warum sie am Wahltag nicht persönlich im Wahllokal erscheinen können. Das ist mancherorts eine Formsache, mancherorts aber sehr schwierig. In Alabama zum Beispiel wählten bei der letzten Wahl nur gerade 55’000 von 1,7 Millionen Bürgern auf diese Weise.
Warum stellen nicht einfach alle Bundesstaaten auf die Briefwahl um?
Darauf drängen die Demokraten. Viele Republikaner stehen einer Umstellung auf die Briefwahl jedoch schon lange skeptisch gegenüber – so, wie sie sich auch sonst regelmässig gegen eine Senkung der Hürden für die Wahlteilnahme einsetzen. Sie behaupten, dass eine Briefwahl zu vermehrtem Wahlbetrug führen werde.
Stimmt das?
Dafür gibt es keine Belege. Trotzdem behauptete Trump kürzlich, dass bei einer landesweiten Einführung der Briefwahl «nie mehr ein Republikaner gewählt würde». Auch einige Bürgerrechtsorganisationen kritisieren allerdings, dass Amerikaner ohne fixe Wohnadresse von einer reinen Briefwahl benachteiligt wären – Bewohner von indianischen Reservaten etwa. Die Umstellung auf eine flächendeckende Briefwahl ist zudem für viele Bundesstaaten mit einem grossen finanziellen und logistischen Aufwand verbunden. Selbst wenn der politische Wille da ist: Für die Umstellung bleibt nicht mehr viel Zeit.
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