Er ist jetzt Klotens starker Mann«Ich habe nicht gerufen: Lasst mich das machen!»
Im Leben von Larry Mitchell kommt es immer anders als geplant. Vor 13 Monaten kam er als Sportchef, nun ist der Deutsch-Kanadier auch Trainer.
Dass dieser Mann, der da mit der Pfeife im Mund auf dem Eis steht, Freude an seinem Job hat, ist unschwer zu erkennen. Im Training huscht ihm immer wieder ein Lächeln übers Gesicht, ohne dass er dabei die Ernsthaftigkeit verlöre. «Es macht unheimlich viel Spass mit den Jungs. Mehr, als ich vielleicht erwartet habe», sagt Larry Mitchell.
Seit der Vertrag mit Gerry Fleming nach dem 2:5 in Langnau, der 16. Niederlage im 23. Spiel, am vergangenen Wochenende aufgelöst wurde, ist der Sportchef auch Trainer. Interimsmässig, wie es heisst. «Es war nicht so, dass ich den Kopf aus dem Fenster gestreckt und gerufen habe: ‹Lasst mich das machen›», so Mitchell. «Doch ich habe auch nicht Nein gesagt.»
Der deutsch-kanadische Doppelbürger musste erst Schlittschuhe organisieren. Dass sich seine Arbeitstage nun verlängern, stört ihn nicht. «Meine Mutter hat immer gesagt: ‹Schau, dass du genügend Schlaf bekommst.› Das nehme ich mir zu Herzen.»
Das schwere Erbe von Tomlinson
Die Entlassung Flemings will Mitchell nicht als Niederlage werten, auch wenn er sagt: «Ich nehme das auf mich. Ich habe den Trainer ausgesucht.» Vor der Saison sprach Mitchell von der schwierigsten Aufgabe überhaupt, meinte, die Nachfolger von Jeff Tomlinson in Kloten und Antti Törmänen in Biel hätten es doppelt schwer. Beide waren äusserst erfolgreich und genossen bei den Spielern hohes Ansehen. Einzig gesundheitliche Probleme zwangen die Trainer zum Rücktritt.
Als störend empfand Mitchell, dass manche über das Verletzungspech seines Teams hinweggesehen hätten. «Ich hätte Gerry gerne einmal mit einem kompletten Kader arbeiten sehen», sagt der 56-Jährige und betont, es sei nicht sein alleiniger Entscheid gewesen, sich vom Kanadier zu trennen. Flemings Nachfolger? Er müsse zu Klotens DNA passen, mit jungen Spielern arbeiten können und es verstehen, ein Team zu formen. «Wir können nicht irgendjemanden holen. Es muss der richtige Trainer sein.»
Der Vater, ein Berufssoldat, hat ihn geprägt
Bis dann übernimmt Mitchell. Drei Jahrzehnte lang stürmte und coachte der Vater zweier erwachsener Kinder im deutschen Eishockey. Bereits mit 21 wagte der Mann, der zunächst in Rheinland-Pfalz aufgewachsen, mit seiner Familie aber im Kindergartenalter zurück nach Kanada gezogen war, den Sprung nach Deutschland. Ohne Sprachkenntnisse. Er habe seine Mitspieler wohl ziemlich geärgert, mutmasst Mitchell. «Ich zeigte mit dem Finger auf Gegenstände und fragte nach dem deutschen Wort.» Arbeitet man in einem anderen Land, gilt es für Mitchell als selbstverständlich, die dortige Sprache zu lernen.
Sein Vater – er war kanadischer Berufssoldat und in den 1960er-Jahren unter anderem auf dem deutschen Militärstützpunkt Lahr stationiert – hat ihn geprägt. «Er hat uns gelehrt, den Menschen mit Respekt zu begegnen. Disziplin und Pünktlichkeit wurden grossgeschrieben.» Um länger Strassenhockey spielen zu können, stellten Mitchell und sein Bruder auch mal die Uhren zurück. «Es gab dann einfach eine Woche lang kein Strassenhockey mehr», sagt Mitchell und lacht. «Im Vergleich mit uns hätte man ihn auch nie unrasiert angetroffen. Und trotzdem war meine Mutter strenger.»
«Der Trainerjob war stets meine Leidenschaft. Doch er ist mit grossem Stress und Druck verbunden.»
Anders als der Vater hat Mitchell sein Leben dem Eishockey verschrieben. Nach seiner Spielerkarriere kehrte er nach Übersee zurück, bewarb sich allerdings vergeblich um einen Job als NHL-Scout. Dank alten Seilschaften wurde er Verkaufsleiter, war für 23 Angestellte zuständig, besuchte NHL-Clubs und versuchte, die Spieler von den Stöcken der Marke Bending Branches zu überzeugen. Während der Trainings sass Mitchell auf der Tribüne und machte Notizen der Übungen. Als sein Arbeitgeber sich gänzlich der Produktion von Kanu- und Kajakpaddeln verschrieb, verlor er den Job, landete dank eines ehemaligen Mitspielers, der in Oberbayern als Sportchef tätig war, jedoch als Trainer in Deutschland.
Den EV Landsberg führte Mitchell auf Anhieb in die 2. Bundesliga. Keine zwei Jahre später wechselte er in die DEL zu Augsburg, blieb sieben Jahre und führte das Team in den Playoff-Final. Nach drei Saisons bei Straubing trat Mitchell schliesslich in Ingolstadt das Amt des Sportdirektors an. «Der Trainerjob war stets meine Leidenschaft. Doch er ist mit grossem Stress und Druck verbunden. Zu dieser Zeit brauchte ich etwas Neues und dachte, dass sich dies in meinem Lebenslauf gut ansehen lässt.»
Dass auch dieser Job herausfordernd ist, sieht er in Kloten. «Wir können mit den Löhnen vieler Clubs nicht mithalten. Und wir reden hier nicht von 3 bis 4 Vereinen, es sind 8 bis 10», so Mitchell. Er konnte zwar die Verträge mit Dario Meyer (bis 2027) und Sandro Zurkirchen (bis 2025) verlängern, dennoch runzelten einige die Stirn, als der EHC unlängst die Langnauer Nolan Diem und Keijo Weibel verpflichtete. «Es sind gute Spieler», rechtfertigt sich der Sportchef. «Ich erwarte nicht, dass Diem Marc Marchon vollends ersetzen kann, aber er kann vieles kompensieren und ist ein guter Bullyspieler.»
Mit 21 plante Mitchell, für ein Jahr nach Deutschland zu wechseln. Daraus wurden mehr als drei Jahrzehnte. Später versuchte er sich als Sportchef – zwei Saisons hätten es sein sollen. Er steht nun im siebten Jahr, ist in Kloten neuerdings auch wieder Trainer. Er habe nicht vor, das Amt länger als notwendig auszuüben, sagt Mitchell. Doch er sagt auch: «Bei mir kommt es meistens anders, als ich denke. Oft entscheidet man als Trainer nicht selbst.»
Heute Freitag gegen Leader Fribourg folgt sein erster Einsatz. Mitchell hofft, dass sich seine Motivation und die Leidenschaft aufs Team übertragen.
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