Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Klimawandel und Hagel
Die Klimaerwärmung lässt die Hagelkörner wachsen

Hagelkoerner so gross wie Ping Pong-Baelle stuerzten vom Himmel am Sonntag, 1. Juli 2012, in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Zuerst Wärme mit Saharastaub, dann Temperatursturz mit Schnee in den Bergen: Der April macht seinem Ruf als «Kapriolenmonat» in diesem Jahr alle Ehre.

Das kommt nicht von ungefähr. Der April ist ein Übergangsmonat zwischen dem Klimaregime des Winterhalbjahres und jenem des Sommerhalbjahres. Und er markiert in den hiesigen Breiten meteorologisch den Beginn der Gewittersaison. Vor allem ab der zweiten Monatshälfte ziehen bei entsprechenden Wetterlagen erste, teils kräftige Gewitterzüge übers Land. Mit den Gewittern droht auch wieder ein Wetterphänomen, das in der Schweiz jährlich Schäden in zweistelliger Millionenhöhe anrichtet: Hagel.

Die Schweiz gehört zu den Ländern mit der grössten Hagelgefährdung Europas. Die Hagelsaison erreicht im Juli ihren Höhepunkt und endet im September. Nicht alle Regionen sind dabei gleich betroffen. Nimmt man die mittlere Anzahl Hageltage pro Quadratkilometer im Sommerhalbjahr als Richtwert, dann zeigt sich, dass es im Jura, entlang der Voralpen und im Südtessin besonders oft hagelt.

Hagelhäufigkeit in der Schweiz mit Anzahl Hageltagen pro Sommerhalbjahr.

Das hat damit zu tun, dass die Gewitterhäufigkeit in diesen Regionen vergleichsweise hoch ist. Der Jura und die Voralpen sind in den Sommermonaten die typischen «Gewitterschienen», auf denen Gewitter über dem Relief entstehen und sich dann von West nach Ost verlagern.

Auf die Frage, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Häufigkeit und die Intensität von Hagel hat, konnte bisher noch keine eindeutige Antwort gefunden werden. Das liegt vor allem daran, dass die Datenlage zu dünn ist. Das von Meteo Schweiz für den Alpenraum entwickelte, weitgehend auf Radarmessdaten beruhende Hagelmessnetz existiert in dieser Form erst seit 2002. Dieser Zeitraum ist zu kurz, als dass etwaige Trends oder Veränderungen ausgemacht werden könnten.

Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Mobiliar Lab der Universität Bern und des scClim-Projektes des Schweizerischen Nationalfonds hat sich nun in einer Forschungsarbeit mit diesem Thema beschäftigt – und einen Blick in eine (mögliche) Zukunft gewagt.

Mehr Starkniederschlag – mehr Hagel?

Als Ausgangslage dienen die Klimaszenarien für die Schweiz bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. «Diese Szenarien gehen davon aus, dass es mit der fortschreitenden Erwärmung der Atmosphäre zu einer deutlichen Zunahme von extremen Niederschlagsereignissen im Sommer kommen wird», sagt Olivia Romppainen-Martius, Leiterin der Gruppe Klimafolgenforschung an der Universität Bern. Gewitterlagen, bei denen innert sehr kurzer Zeit sehr viel Niederschlag fällt, dürften häufiger werden. Bei einem Szenario mit starker Erwärmung beträgt die Zunahme fast 20 Prozent gegenüber heute.

Wichtig zu wissen ist nun, dass in kräftigen Gewittern oftmals beide Phänomene – Starkregen und Hagel – auftreten.

Hagelkörner entstehen in Gewittern, die bis in den Bereich der Wolkenobergrenze auf etwa zwölf Kilometern anwachsen können. Solche Gewitter entstehen in instabiler Atmosphäre, wenn viel Feuchte vorhanden ist und zudem starke Aufwinde herrschen. In hoch reichenden Wolken friert unterkühltes Wasser mit einer Temperatur unter null Grad an kleinen Partikeln (Aerosolen) fest, und es entstehen Eispartikel. Diese werden als Hagelembryos bezeichnet.

Wenn die Aufwinde innerhalb der Gewitterwolke stark genug sind, «schweben» diese Hagelembryos, und weiteres Wasser kann daran gefrieren. Die Körner können auch in tiefere Zonen fallen, wo Wasserdampf daran gefriert und sich das Wachstum fortsetzt. Solange die Aufwinde stark genug sind, können die Hagelkörner mehrmals in höhere Bereiche der Wolke gelangen. Dieser Prozess wiederholt sich, bis die Aufwinde das Hagelkorn nicht mehr tragen können. Dann fällt es Richtung Erdoberfläche. Grössere Körner können dabei Fallgeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern erreichen.

Luftfeuchtigkeit und Nullgradgrenze als Faktoren

In einem wärmeren Klima kommt es nun bei zwei entscheidenden Faktoren zu Veränderungen: bei der Luftfeuchtigkeit (diese nimmt zu) und bei der Nullgradgrenze (diese steigt).

Durch den Anstieg der Nullgradgrenze wird die vertikale Zone (die sogenannte Schmelzzone) mächtiger, durch welche Hagelkörner in einem Gewitter fallen. Das bedeutet, dass Hagelkörner beim Hinunterfallen vermehrt schmelzen werden. Kleinere Hagelkörner dürften also im zukünftigen Szenario eher als Regen am Boden ankommen.

Die Grafik zeigt den Unterschied zwischen dem heutigen (links) und dem aufgrund der Klimaerwärmung zu erwartenden zukünftigen Szenario.

Der zweite Faktor, die Luftfeuchtigkeit, wirkt sich ganz anders aus.

Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit speichern. Die Luftfeuchtigkeit steigt. Dadurch werden intensivere und häufigere Aufwinde und Starkniederschläge erwartet. Der Wassergehalt in den Gewitterwolken ist generell höher – was insgesamt zur Bildung von grösseren Hagelkörnern führt.

Kurzum: Bei sehr starken Gewittern, die grosse Hagelkörner produzieren, spielt die durch den Anstieg der Nullgradgrenze ausgelöste Veränderung der Mächtigkeit der Schmelzzone keine wesentliche Rolle mehr. Die Körner werden so gross, dass sie so oder so in gefrorener Form am Boden ankommen.

Gemäss Olivia Romppainen-Martius lautet das Fazit daher: «Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Hagelereignisse in Zukunft in einem wärmeren Klima insgesamt abnehmen wird – allerdings wird die Grösse der Hagelkörner zunehmen.»

Romppainen-Martius betont jedoch, dass diese Hypothese mit vielen Unsicherheiten behaftet ist. Ein Grund dafür ist, dass Gewitter und Hagel verhältnismässig kleinräumige und von mehreren Faktoren abhängige Phänomene sind. Sie sind daher mit Klimamodellen schwer abzubilden.

Schäden dürften eher zunehmen

Auch die Frage, wie sich die Veränderung der Hagelbildung in einem wärmeren Klima auf die Schäden an Gebäuden, Fahrzeugen oder in der Landwirtschaft auswirken wird, ist schwer zu beantworten.

So verändern sich durch die Klimaerwärmung zum Beispiel auch die Wachstumsphasen der Pflanzen. Tendenziell setzt das Wachstum früher ein. Das könnte den Pflanzen einen Vorsprung vor Hagel bieten, da die Gewitter ja in der Regel erst im Hochsommer ihre maximale Heftigkeit erreichen. Durch die zu erwartende Zunahme von Hagelereignissen mit grossen Hagelkörnern könnte dieser Effekt aber wiederum zunichtegemacht werden.

Gemäss Olivia Romppainen-Martius deuten die bisherigen Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Entwicklung eher zuungunsten der Landwirtschaft verlaufen wird. Denn: Die durch den Klimawandel zu erwartende Zunahme von Gewittern mit grossem Hagel fällt im Schadenbereich schwerer ins Gewicht als die Abnahme von Hagelgewittern insgesamt. Der Grund dafür ist simpel: Je grösser das Hagelkorn, desto grösser ist der Schaden, den es beim Aufschlag am Boden anrichten kann.

Newsletter
Celsius
Erhalten Sie die wichtigsten Hintergründe und Analysen rund um Klima und Wetter.

Weitere Newsletter