Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Erstmals seit 80’000 Jahren
Bald schon könnte die Arktis eisfrei sein

epa02953184 epa02953124 A handout picture provided by the Alfred Wegener Institute of Polar and Marine Research on 06 October 2011 shows an aerial view of the research ship 'Polarstern' (North Star) sailing on the Arctic Ocean at the North Pole, 23 August 2011. In the central Arctic the proportion of old, thick sea ice has declined significantly. Instead, the ice cover now largely consists of thin, one-year-old floes. This is one of the results that scientists of the Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research in the Helmholtz Association brought back from the 26th Arctic expedition of the research vessel Polarstern. EPA/MARIO HOPPMANN - ALFRED WEGENER INSTITUTE HANDOUT CORRECTING BYLINE AND ADDING DATE - MANDATORY CREDIT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Klimatologinnen prognostizieren den Arktischen Ozean bald erstmals eisfrei.
  • Die Erderwärmung lässt das Meereis auf 3,4 Millionen Quadratkilometer schrumpfen.
  • Ein einzelner eisfreier Tag könnte bereits 2027 auftreten.
  • Erwartete Folgen betreffen Ökosysteme und das europäische Wetter.

Sehr lange wird es nicht dauern: Es geht um einen Tag, vielleicht um ein paar, an denen der Arktische Ozean das erste Mal praktisch eisfrei sein wird. Nach spätestens ein paar Wochen wird sich wieder eine Eisdecke ausgebildet haben, aber das wird das Ereignis nicht vergessen machen: Die Satellitenbilder eines blauen Arktischen Ozeans dürften als eindrucksvolle Dokumentation des Klimawandels in die Geschichte eingehen.

Und womöglich dauert es gar nicht mehr so lange, bis es so weit ist. Schon in drei Jahren könne der Ozean erstmals seit mehr als 80’000 Jahren an einem Tag eisfrei sein, schreiben die Klimatologinnen Céline Heuzé von der Universität Göteborg und Alexandra Jahn von der Universität Colorado in Boulder im Fachjournal «Nature Communications».

Die Erderwärmung sorgt dafür, dass das arktische Meereis schrumpft. 2023 erstreckte es sich zum Zeitpunkt der geringsten Ausdehnung im Sommer gerade noch über 3,4 Millionen Quadratkilometer, was etwa einer Halbierung seit den 1980er-Jahren entspricht. Der erste eisfreie September könnte schon zwischen den Dreissiger- und Fünfzigerjahren dieses Jahrhunderts auftreten, hatten im vergangenen Jahr Modellsimulationen eines internationalen Forscherteams ergeben. Heuzé und Jahn haben nun Hunderte Klimasimulationen analysiert, um nicht den ersten Monat, sondern den ersten möglichen einzelnen Tag eines eisfreien Arktischen Ozeans zu identifizieren – und landeten bereits im Jahr 2027.

Wobei es bei einem Tag wohl nicht bleiben würde. In den Simulationen, in denen das arktische Meereis besonders rasch verschwand, dauerte dieser Zustand im Schnitt 27 Tage an. «Das ist kein weit entferntes, dystopisches Szenario», heisst es in der Pressemitteilung.

Dabei liegt zwar der erste mögliche Zeitpunkt für einen eisfreien Arktischen Ozean im Jahr 2027, aber nicht der wahrscheinlichste. Nimmt man alle Simulationen und alle Emissionspfade zusammen, liegt der Mittelwert für den Zeitraum bis zu jenem Ereignis bei 24 Jahren. Nur ein Bruchteil der Modellsimulationen ergab Bedingungen, die schon vor dem Ende des Jahrzehnts zu einem «eisfreien» Arktischen Ozean führen würden, womit eine Ausdehnung auf weniger als eine Million Quadratkilometer gemeint ist.

Auswirkungen auf das Wetter in Europa

Dafür müsste eine ganze Ereigniskette zusammenkommen, so Heuzé. Diese beginne schon im Herbst zuvor: Das Eis müsste sich auf dem Arktischen Ozean verspätet formieren und verhältnismässig dünn bleiben. Dann müssten ein warmer Winter und Frühling folgen, in denen Hitzewellen die Ausbreitung des Meereises unterbinden. Schliesslich müsste ein Sturm im Sommer die letzten Eisreste wegfegen. «All diese Ereignisse haben bereits stattgefunden», sagt Heuzé. «Aber glücklicherweise nicht in der richtigen Abfolge, weshalb wir bislang noch keinen Tag ohne Meereis beobachtet haben.»

In einer wärmer werdenden Welt seien Hitzewellen, Warmlufteinbrüche und Stürme aber häufiger an der Tagesordnung. Früher oder später würden sie sich vereinigen und den ersten eisfreien Tag des Arktischen Ozeans herbeiführen. Dieser hätte vor allem symbolische Bedeutung, aber nicht nur. «Es destabilisiert den Ozean, bringt ihn in Bewegung und sorgt dafür, dass er mehr Wärme absorbiert», erklärt Heuzé.

Auch die ans arktische Meereis angepassten Ökosysteme würde das unter Druck setzen, vom Zooplankton bis zum Eisbären. Selbst das Wetter in Europa könnte sich dadurch verändern. Der Countdown läuft also schon. Aufzuhalten sei jenes Szenario nur noch, sollte es gelingen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das aber halten die meisten Klimaforscher inzwischen für unrealistisch.

In der Vergangenheit haben die Veränderungen in der Arktis die Voraussagen der Klimaforschung immer wieder überholt. Das Meereis hat schon so stark an Dicke eingebüsst, dass es leichter angreifbar ist. Aufgrund des schwindenden Eisgebildes hat sich die Arktis viermal so schnell erwärmt wie der Rest der Welt, was wiederum das eisige Gebilde auf dem Ozean schwächt. Insofern wäre Heuzé auch nicht überrascht, wenn sich der erste eisfreie Tag tatsächlich schon im Jahr 2027 ereignen würde. «Wenn ich auf unsere Ergebnisse blicke, bin ich vielmehr überrascht, dass es noch nicht passiert ist», sagt sie.