Reaktionen in der SchweizKlimabericht befeuert die linken Parteien – die SVP schweigt
Linke Parteien betrachten die neuesten Warnungen des IPCC-Berichts als Ansporn für schnelle Verschärfungen in der Klimapolitik. Das sehen Bürgerliche ganz anders.
Der neue IPCC-Bericht zum Klimawandel kommt zu einem heiklen Zeitpunkt in der Schweizer Klimapolitik: Im Juni wurde überraschend das neue CO₂-Gesetz in einer Abstimmung verworfen – und damit das Klimaprogramm von Regierung und Parlament ausgebremst. In den Fokus rückt nun die Gletscherinitiative, für die der Bundesrat Ende 2020 einen direkten Gegenvorschlag vorgestellt hat.
Es wird erwartet, dass der Bundesrat noch diesen Mittwoch in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause erneut über die Initiative beraten wird. Sie verlangt, dass die Schweiz bis spätestens 2050 auf fossile Energieträger verzichtet.
Die Grünen und die linken Parteien wollen diesen Prozess nutzen, um neuen Schwung in den Kampf gegen den Klimawandel zu bringen – und sehen den IPCC-Bericht als drastische Warnung und Ansporn. «IPCC: ‹schlimmer›», twitterte etwa Nationalrat Roger Nordmann, Fraktionschef der SP – und meinte damit wohl, dass der Klimawandel nach Erkenntnissen der Wissenschaft noch schlimmer sei als bisher gedacht. «Nach dem bedauerlichen Nein vom 13.6. muss ein Ruck durch die Schweiz gehen», forderte Nordmann.
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Ähnlich äusserte sich Regula Rytz, grüne Nationalrätin aus Bern, ebenfalls auf Twitter: «ALLE Parteien in der Schweiz müssen zusammensitzen und Sofortmassnahmen beschliessen. Jetzt. Ohne Ausreden. Ohne Scheinlösungen.»
Was die Grünen sich vorstellen, hatte deren Präsident Balthasar Glättli nach der Ablehnung des CO₂-Gesetzes durch das Volk klargemacht: Statt des direkten Gegenvorschlags zur Gletscherinitiative könnte im Parlament ein noch einmal revidiertes CO₂-Gesetz als indirekter Gegenvorschlag ausgearbeitet werden – unter Berücksichtigung der Bedenken, die zum Scheitern in der Abstimmung im Juni geführt hatten.
«Nationale, isolierte Lösungen werden nichts bringen.»
Deutlich verhaltener fielen hingegen die Reaktionen bürgerlicher Politiker aus. Die neuesten Erkenntnisse des IPCC seien «eine Fortsetzung der Aussagen früherer Berichte», meinte am Montag Christian Wasserfallen, FDP-Nationalrat aus Bern, der zum wirtschaftsliberalen Flügel seiner Partei gehört. Wichtig seien internationale Lösungen für die Klimaproblematik. «Nationale, isolierte Lösungen werden nichts bringen, sondern die Probleme noch verstärken respektive verlagern», sagte Wasserfallen.
Die Gletscherinitiative hält Wasserfallen nicht für einen geeigneten Weg, um dem Klimawandel zu begegnen. «Es braucht keinen Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative für das Jahr 2050», meinte er. Stattdessen wünsche er sich «ein Marktmodell, das international attraktive Investitionen anreizt», vergleichbar mit dem bereits bestehenden Emissionshandel in der EU.
«Je länger wir zuwarten, desto weniger frei sind wir bei der Wahl der politischen Instrumente.»
Sein Parteikollege Damian Müller, Ständerat aus Luzern, setzt die Akzente etwas anders – und betont, darin mit grünen Politikern vergleichbar, die Dringlichkeit der Klimapolitik: «Je länger wir mit Massnahmen zuwarten, desto weniger frei sind wir bei der Wahl der politischen Instrumente.» Er bekennt sich ausdrücklich zum Netto-null-Ziel 2050: «Der Bundesrat muss nun ein Gesamtkonzept erarbeiten, damit wir mit der Dekarbonisierung voranschreiten können.»
Von der Gletscherinitiative hält allerdings auch Müller wenig. «Eine Verbotspolitik hat es beim Schweizer Stimmvolk schwierig», sagt er. Die Wirtschaft brauche «Freiheit für Innovationen».
In der FDP ist die Klimapolitik besonders umstritten. Zwar hat die Partei, wie sie in einer Mitteilung betonte, bereits 2019 beschlossen, dass bis 2050 die Bilanz des Schweizer CO₂-Ausstosses auf null gesenkt werden sollte. Doch im Juni stimmte eine Mehrheit der FDP-Wähler gegen das CO₂-Gesetz – und damit gegen die Parteiführung unter Präsidentin Petra Gössi. Nun setze sie sich für eine erneute Revision des CO₂-Gesetzes ein, teilte die Partei am Montag mit. Allerdings soll noch im August eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für Gössi bestimmt werden. Danach könnten sich die Akzente der FDP-Klimapolitik deutlich verschieben.
Keine Stellungnahme von der SVP
Nationalrat Philipp Bregy, Fraktionschef der Mitte, beschrieb die Erkenntnisse des IPCC-Berichts als «nicht neu». Die Ablehnung des CO₂-Gesetzes, für das sich auch seine Partei eingesetzt hatte, erfordere nun «individuelle, mehrheitsfähige Lösungen in einzelnen Bereichen». Er denke dabei «insbesondere an die Innovation und Förderung erneuerbarer Energien».
Den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Gletscherinitiative hält Bregy für sinnvoll. «Die Situation in den Berg- und Randgebieten sowie die Sicherheit des Landes und der Schutz der Bevölkerung» seien berücksichtigt worden.
Und die SVP, die sich nach der Ablehnung des CO₂-Gesetzes als grosse klimapolitische Siegerin gefeiert hatte? Zum IPCC-Bericht war trotz wiederholter Nachfrage keine Stellungnahme der Partei zu erhalten.
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