G7-Staaten wollen Kohle-AusstiegKlima gegen Putin
Drei Krisen beraten die Industriestaaten in Berlin gemeinsam: Erderwärmung, Artensterben und Umweltverschmutzung. Doch die Ukraine-Krise überschattet auch hier alles.
Steven Guilbeault hat schon viele G-7-Treffen gesehen, aber noch keines von innen. «Sehr erhellend» seien seine Tage in Berlin gewesen, sagt der Kanadier. «Es gibt Dinge, die man schwer versteht, wenn man draussen ist.» Draussen war er viele Jahre lang als Aktivist, zuletzt für Greenpeace. Drinnen war er nun als der neue Umweltminister Kanadas. Gestritten habe man nicht, erzählt er, dafür habe der Krieg in der Ukraine die sieben grossen Industriestaaten zu sehr zusammengeschweisst. «Worum es hier geht, ist die Zukunft der Demokratie», sagt Guilbeault. «Wenn wir nicht mehr füreinander da sind, gibt es nicht viel Hoffnung für die Demokratie.»
Füreinander da sein, das ist ein grosses Thema bei dem Treffen in Berlin. Erstmals treffen sich die Minister für Energie, Klima und Umwelt gemeinsam. Schliesslich seien die drei grossen Krisen der Welt – die Erderhitzung, der rapide Rückgang der Artenvielfalt und der wachsende Fussabdruck des Menschen in der Natur – «untrennbar verbunden und bedingen einander», wie es in der Schlusserklärung des Treffens heisst. Es wäre also gut, wenn wenigstens die sieben Demokratien des Industriestaaten-Zirkels zusammenhalten. Zumindest gibt das Schlusspapier dazu Hoffnung.
An Zielen jedenfalls mangelt es nicht. Bis 2035, und nicht, wie bisher, irgendwann in den Dreissigerjahren, wollen die sieben nun ihr Stromsystem weitgehend frei machen von fossiler Energie. Sie wollen den globalen Ausstieg aus der Kohle vorantreiben, wobei sich der japanische Wirtschaftsminister beeilt, noch die wichtige Rolle der Atomkraft hervorzuheben. Sie wollen sich bemühen, ihre bisherigen Finanzzusagen auch tatsächlich einzuhalten und fassen erstmals offiziell auch Hilfen für jene ins Auge, die unter den Folgen des Klimawandels jetzt schon zu leiden haben – da hatten sich vor allem die USA lange geziert.
Sie wollen bis 2030 den Verbrennungsmotor hinter sich lassen und 30 Prozent der globalen Land- und Meeresfläche unter Schutz gestellt wissen. Insgesamt soll die Natur wieder mehr Raum bekommen, auch als CO2-Speicher und Refugium für seltene Arten. «Die existenziellen Krisen machen keine Pause», sagt Umweltministerin Steffi Lemke. «Sie verschärfen sich mit jedem Tag des Zögerns.»
Doch der Krieg in der Ukraine überschattet auch dieses Treffen – und die Not der Europäer, russische Gaslieferungen zu ersetzen. Aus Kanada etwa ist der Ex-Aktivist Guilbeault nicht alleine gekommen, er hat seinen Kollegen Jonathan Wilkinson mitgebracht – den Minister für natürliche Ressourcen. «Natürlich versuchen wir, unsere Produktion von Öl heraufzuschrauben», sagt er. Schliesslich könne zusätzliches Angebot auch die Preise drücken helfen. Und natürlich versuche man, über die Ostküste irgendwann auch Flüssigerdgas nach Europa zu verschiffen, «um auf die Bitten aus Europa zu reagieren», wie Wilkinson sagt. «Aber wir machen das im Rahmen unserer Klimapolitik.» Zusätzliche Emissionen in Kanada dürften so nicht entstehen. Und was an neuen Infrastrukturen entstehe, das müsse sich künftig auch für Wasserstoff nutzen lassen – die grüne, aber noch ferne Alternative zum fossilen Gas.
Wenn das alles mal so aufgeht. So fordern die G7 das Ölkartell Opec durch die Blume auf, die Ölförderung zu erhöhen. Staaten, die Öl und Gas förderten, sollten auf die knappen Märkte «verantwortungsvoll» reagieren, heisst es im Communiqué – die Opec spiele hier eine Schlüsselrolle. Auch Deutschlands Energie- und Klimaminister Robert Habeck sieht offenbar die Gefahr. Man müsse aufpassen, sagt er zum Abschluss des Treffens, dass man beim Ersatz von russischem Gas «nicht zu erfolgreich» sei. «Wir wollen nicht eine Erdgasindustrie aufbauen, die wir am Ende gar nicht mehr haben wollen.»
Denn schliesslich habe die Konferenz einen gemeinsamen Feind gehabt, sagt Habeck, «und das ist der Status quo». Allen sei klar, dass man an allen Fronten hinterherhänge, und auch ein langer Absatz gleich zu Beginn der Schlusserklärung fasst das noch einmal eindrucksvoll zusammen; die Formel «deep concern», tiefe Besorgnis, taucht hier gleich mehrmals auf. «Wir reden», so sagt das Habeck, «hier die ganze Zeit aus der Defensive heraus. Keiner muss sich einreden, dass wir stolze Vorreiter sind.»
Dennoch: Umweltschützer sind zufrieden mit den Ergebnissen – auch jene, für die einst Steven Guilbeault die G-7-Treffen abklapperte. Gelungen sei «ein wichtiger Schritt in Richtung des globalen Klimaschutzes», sagt Greenpeace-Chef Martin Kaiser. Der Ausstieg aus fossilem Strom bis 2035 sei «ein starkes und notwendiges Signal», ebenso die verstärkte Unterstützung ärmerer Länder.
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