Nordkorea in der MehrfachkriseKim Jong-un fordert von den Frauen, dass sie gute Laune verbreiten
Der Diktator hat die Wirtschafts- und Ernährungskrise quasi selbst ausgerufen. Dazu kommt noch Corona. Jetzt will er sie als oberster kommunistischer Krisenmanager beheben. Dabei setzt er auf Nordkoreas Frauen.
Neulich tagte Nordkoreas Frauenbund in Pyongyang. Staatschef Kim Jong-un schickte ein Grusswort, das allerdings keine gewöhnliche Höflichkeitsadresse war. Sondern eine detailreiche Anleitung zum Frausein im Kampf gegen die Widrigkeiten der Gegenwart. «Heute, da alles mühsam und schwierig ist, sollten sich alle Menschen umso standhafter hinter der Partei versammeln», schrieb Kim Jong-un – also auch die Frauen, «die die Hälfte der Bevölkerung unseres Landes ausmachen».
Laut Kim sollen Frauen deshalb hingebungsvolle Schwiegertöchter und Mütter sein, ihre Kinder nach Staatsdoktrin erziehen, täglich Staatsmedien wie das Arbeiterpartei-Organ «Rodong Sinmun» lesen, traditionelle koreanische Kleider tragen, revolutionäre Lieder singen, sich an der Zucht von Hasen zur Fleischproduktion beteiligen.
Lebensmittelversorgung nach Unwettern «angespannt»
Den Brief kann man auch als ein Manifest des Kim’schen Krisenmanagements lesen, das in der Pandemie auf eine besondere Probe gestellt wird. Kim Jong-un selbst hat in den vergangenen Monaten immer wieder auf die schlechte Lage der Nation hingewiesen. Den Kongress der Arbeiterpartei PdAK im Januar leitete er mit dem Zugeständnis ein, dass in der Wirtschaft «fast alle Bereiche hinter den gesetzten Zielen zurückliegen».
Im April sprach er von einem «mühevollen Marsch», eine Anspielung auf die schlimme Hungersnot, die Nordkorea in den Neunzigerjahren traf, nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen war, Pyongyangs grosse Unterstützerin. Und erst kürzlich räumte Kim ein, dass nach den Ernteausfällen durch Unwetter die Lebensmittelversorgung «angespannt» sei.
Internationale Beobachter sagen, diese Krise habe nicht nur mit den verheerenden Stürmen 2020 zu tun, sondern auch mit den Sanktionen der UNO gegen die abgeschlossene, mit Atomwaffen ausgestattete Parteidiktatur. Und mit der nationalen Anti-Corona-Politik: Nordkorea schottet sich in der Pandemie fast vollständig ab und nimmt deshalb gerade auch keine Unterstützung von internationalen Hilfsorganisationen oder der Regierung Südkoreas an.
Kim schwört die Untertanen auf ein Martyrium ein
Aber Kim Jong-un würde nicht von der Krise sprechen, wenn er nicht den Menschen im Land zeigen wollte, wie umsichtig er die Probleme angeht. Er schwört sie auf ein Martyrium ein, an dem die Partei arbeitet. Reformen des neuen Fünfjahresplans zeitigen angeblich erste Erfolge.
Zuletzt gab es eine Vollversammlung des PdAK-Zentralkomitees, bei der die Partei zeigte: Die tut was. Das Regime braucht Argumente für die Disziplin der Leute, gerade in der Pandemie, denn andere Lösungen als Abschottung und Lockdowns hat es nicht. Die Spitäler sind schlecht ausgestattet. Von Impfstoffen redet Kim Jong-un erst gar nicht.
Der Staatspropaganda war wohl auch deshalb der Brief an den Frauenbund wichtig, den «Rodong Sinmun» komplett veröffentlichte. Kim Jong-un lobte, er schmeichelte gar («Unsere Frauen, die die schönsten der Welt sind …»), ehe er die Frauenbewegung als Programm für Familie und männerdominiertes Gemeinwesen beschrieb. In der Not sollen die Frauen als selbstlose Stützen der Gesellschaft funktionieren.
Misstrauen gegenüber den USA gross
Nicht zu Kims Krisenmanagement gehört dagegen mehr Milde im Umgang mit den USA. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat sich darauf festgelegt, dem diplomatischen Austausch mit Pyongyang eine Chance zu geben. Aber Nordkoreas Misstrauen ist gross. Auf der jüngsten Zentralkomiteeversammlung sagte Kim, man müsse sich «sowohl auf Dialog als auch auf Konfrontation vorbereiten».
US-Sicherheitsberater Jake Sullivan deutete das als «interessantes Zeichen». Und kassierte prompt eine Abfuhr von Kim Jong-uns Schwester und Propagandabeauftragten Kim Yo-jong: Die USA hätten «falsche Erwartungen». Nordkoreas Aussenminister Ri Son-gwon ergänzte: «Wir denken nicht einmal über die Möglichkeit irgendeines Kontakts zu den USA nach.»
Aber dass auch Nordkorea nicht ganz ohne Partner auskommt, weiss Kim Jong-un natürlich, und er tut auch etwas dafür. Im Portal «NK News» stellt der Nordkorea-Fachmann Andrei Lankow von der Kookmin-Universität in Seoul nachhaltige Veränderungen in der Politik des Kim-Regimes fest, die vor allem China gefallen müssten. China ist der einzige grosse Helfer, den Kim Jong-un gerade akzeptiert, und wahrscheinlich der Grund dafür, dass Nordkorea keine so schlimme Hungersnot wie in den Neunzigerjahren erlebt.
Nun gibt es eine Nummer zwei
Die PdAK hat 2021 ihre Partei-Charta umgeschrieben, die neue liegt den «NK News» vor. Als «gravierendste Korrektur» deutet Lankow den Umstand, dass es neuerdings die Position eines «Ersten Sekretärs» gibt, also einer offiziellen Nummer zwei hinter Kim Jong-un, die sofort nachrücken könnte, wenn Kim etwas passiert.
Nordkoreas Krise mit mehr Freiheit für die Menschen zu begegnen, kommt für Kim Jong-un hingegen nicht infrage. Die Macht seines Regimes zu schützen, ist letztlich der Kern seiner Politik. Die Menschen müssen dafür leiden – und die Frauen dabei gute Laune verbreiten. In seinem Brief an den Frauenbund schreibt Kim Jong-un von seiner Erwartung, dass «die ganze Gesellschaft durch das fröhliche Lachen und die heitere und optimistische Lebensweise unserer Frauen vor Kraft und Optimismus strotzt».
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