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Presseschau zur Schweizer Literatursensation
Kim de l’Horizon wird gefeiert – auch Bundesrat Berset gratuliert

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Der Schweizer Debütroman «Blutbuch» von Kim de l’Horizon hat den Deutschen Buchpreis 2022 gewonnen. Erst zum zweiten Mal nach 2010 (Melinda Nadj Abonji mit «Tauben fliegen auf») geht damit die mit 25’000 Euro dotierte Ehrung in die Schweiz.

Eine Sensation – auch, weil die Jury mit Kim de l’Horizon erstmals eine nonbinäre Person auszeichnet, die ihre fluide Geschlechtsidentität auch gleich zum Thema ihres Werkes macht.

An der Preisverleihung am Montagabend rasierte sich Kim de l’Horizon nach der Dankesrede noch auf dem Podium die Haare ab: als Zeichen der Solidarität mit den Frauen im Iran. Damit war das Siegerbild in der Berichterstattung gesetzt – und Kim de l’Horizon hatte den Applaus auf sicher. 

«A star is born.»

«Frankfurter Allgemeine Zeitung»

Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» wertete die Inszenierung mit der Rasierklinge gar als historisch. Es sei die «intensivste Performance der neueren deutschen Literatur» seit 40 Jahren, als der deutsche Schriftsteller Rainald Goetz sich bei einer Lesung mit einer Rasiserklinge die Stirn aufritzte. Auf die Minute genau wurde der denkwürdige Auftritt verortet: «Spätestens um 18.58 Uhr [war] klar, dass man etwas beigewohnt hatte, das sich nicht mehr vergessen lassen wird. […] A star is born.»

Auch die «Süddeutsche Zeitung» erwähnte die Standing Ovations nach Kim de l’Horizons exzentrischer Inszenierung, wagte aber einzuwenden, dass sich «womöglich doch die eine oder der andere wegen der Überdeutlichkeit der politischen Statements unwohl fühlte».

Dass die Jury in Frankfurt mit «Blutbuch» queere Literatur und gleichzeitig eine nonbinäre Autorenschaft ehrt, könnte in manchen Kreisen rasch den Vorwurf aufkommen lassen, hier sei die Botschaft stärker als der Inhalt gewichtet worden. Doch Kim de l’Horizons Debüt vermag diesem Verdacht offensichtlich standhalten, wie die durchweg positiven Reaktionen auf die Preisvergabe zeigen. 

«Ist es der beste Roman des Jahres? Ganz sicher nicht.»

«Zeit online»

Selbst die konservative «Welt», die Themen wie Gendersternchen oder Geschlechtsidentitäten normalerweise mit starkem Abwehrreflex begegnet, würdigt das Siegerwerk mit deutlichen Worten: «Dass es sich hier weder um ein informierendes Regelwerk für linke Gegenwartsdiskurse noch um brave Identitätsprosa vor queerer Folie handelt, zeigt schon allein die Entscheidung, dem Roman keine Triggerwarnung voranzustellen.»

Etwas differenzierter – und kritischer – äussert sich «Zeit online» zu dem Erstlingswerk, an dem Kim de l’Horizon zwölf Jahre gearbeitet habe. Die erwartbaren kritischen bis gehässigen Stimmen in den Kommentarspalten und den sozialen Medien weist der Autor zwar zurück, mag aber nicht uneingeschränkt in den Chor der begeisterten Rezensenten einstimmen: «Ist Kim de l’Horizon des Buchpreises würdig? Ja, selbstverständlich. Ist ‹Blutbuch› ‹der Roman des Jahres›, wie die Ausschreibung des Preises es fordert? Könnte sein. Ist es der beste Roman des Jahres? Ganz sicher nicht. Ist es, und hier wird es heikel, der richtige Preis zur richtigen Zeit? Gesellschaftspolitisch betrachtet, vielleicht.»

«Wahrlich eine Horizonterweiterung.»

Alain Berset

Man dürfe zudem das Buch nicht auf sein vordergründig zentrales Thema, die Genderfluidität, reduzieren, weder in der Rezeption noch in der Beurteilung des Juryentscheides.

Aus der Schweiz kommt derweil eine Gratulation von höchster Stelle: Kulturminister Alain Berset würdigt Kim de l’Horizons Erstling auf Anfrage dieser Zeitung als «Roman, der gesellschaftsrelevante Themen verhandelt und wahrlich eine Horizonterweiterung ist.»