Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kehrtwende beim Kriegsmaterialgesetz
Bundesrat soll bei Waffen­exporten mehr Spielraum erhalten

Panzerfahrzeuge der Schweizer Firma Mowag: Für den Export von diesem oder anderen Schweizer Waffensystemen soll der Bundesrat künftig Ausnahmen beschliessen dürfen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

In der Regel ist das Parlament vorsichtig, wenn der Bundesrat die Möglichkeit verlangt, das Gesetz zu umgehen. Am Donnerstag hat der Ständerat aber einer solchen Ausnahme zugestimmt. Der Bundesrat soll Waffenexporte bewilligen können, auch wenn die Kriterien dafür nicht erfüllt sind – sofern «ausserordentliche Umstände» vorliegen.

Es ist eine Kehrtwende. Erst vor zwei Jahren hat das Parlament eine ähnlich lautende Ausnahmeregel aus dem Gesetz gestrichen. Der Tenor war damals bei der Linken und einer Mehrheit der Mitte klar: Bei den Waffenexporten soll das Gesetz streng befolgt werden – ohne Ausnahmen.

Die Kehrtwende bekam ein klares Ja: Mit 27 zu 11 Stimmen nahm der Ständerat die Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats an. Die meisten Mitte-Ständeräte waren diesmal dafür, der Regierung Spielraum für Ausnahmen zu bieten. Andrea Gmür-Schönenberger, Mitte-Ständerätin aus dem Kanton Luzern, die damals die Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes klar unterstützt hat, sagt: «Die Welt ist nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs eine komplett andere.» Vorher habe niemand mehr einen konventionellen Krieg in Europa für möglich gehalten.

Gmür sei zudem der Meinung gewesen, der Bundesrat könne im Ausnahmefall Notrecht anwenden, um Waffenexporte zu ermöglichen. Doch nun habe sich gezeigt, dass er dazu nicht gewillt sei. Entsprechend brauche es nun diese Motion, die dem Bundesrat das Recht gibt, in «absoluten Ausnahmefällen» das Kriegsmaterialgesetz zu lockern. Dies sei im aussen- und sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz.

«Es ermöglicht uns, verlässlich, glaubwürdig und solidarisch mit Staaten zu sein, die unsere Werte teilen,» sagt Gmür. Daneben gehe es ihr darum, die Schweizer Rüstungsindustrie zu erhalten. Diese müsse auch international tätig sein können, um längerfristig überleben zu können.

«Demokratiepolitisch problematisch»

Linke Sicherheitspolitiker kritisierten die Kehrtwende im Rat scharf. Dies, weil das Kriegsmaterialgesetz vor zwei Jahren unter dem Druck einer Initiative verschärft wurde. Die sogenannte Korrekturinitiative forderte, dass die Schweiz keine Waffen mehr in Bürgerkriegsländer exportiert. Sie sah nur eng definierte Ausnahmen dafür vor – und keine für den Bundesrat. Innert kürzester Zeit kamen gut 126’000 Unterschriften zusammen. Daraufhin beschloss das Parlament im Jahr 2021, die wesentlichen Forderungen der Initiative ins Gesetz zu schreiben. Woraufhin die Initianten ihr Volksbegehren zurückzogen.

«Das Vorgehen des Ständerats ist demokratiepolitisch höchst problematisch», sagt Jonas Heeb von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Der Ständerat habe mit seinem Entscheid die Korrekturinitiative ausgehebelt. «Wir sind entsetzt und fühlen uns hintergangen.» Die GSoA habe die Initiative unter der klaren Bedingung zurückgezogen, dass der Bundesrat keine Ausnahmekompetenz bekomme.

Im Rat kritisierte die Linke, dass vor einigen Jahren Schweizer Kriegsmaterial im Jemen aufgetaucht sei. SP-Ständerat Daniel Jositsch sagte, mit einer neuen Ausnahmeregel nehme man in Kauf, dass dies erneut passiere. Und der grüne Ständerat Matthias Zopfi sagte, die Mehrheit zeige ein «politisch problematisches Verhalten».

Nach dem Ständerat müsste auch noch der Nationalrat der Motion zustimmen. Dort dürfte das Resultat knapper ausfallen. Entscheidend wird erneut sein, wie sich Die Mitte positioniert.

Neue Ausgangslage im Nationalrat

Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy sagt, die Gesamtfraktion habe dazu noch keinen Entscheid getroffen. «Aber der Bundesrat hat sich bisher immer hinter der aktuellen Bestimmung versteckt.» Mit Verweis auf eine fehlende Ausnahmeregelung habe die Regierung anderen Ländern die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen in die Ukraine verboten. «Das war aussenpolitisch das falsche Zeichen.»

Bregy sagt weiter: «Die Mitte hat bisher versucht, die grösstmögliche Offenheit zu zeigen, wenn es um Entscheide zur Kriegsmaterialausfuhr ging, welche der Ukraine helfen könnten.» Ob sie der Motion schliesslich zustimmen werde, hänge aber auch davon ab, welche anderen Optionen zur Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes noch auf den Tisch kommen würden.

Eine kleine Gruppe von Sicherheitspolitikerinnen und Sicherheitspolitikern arbeitet derzeit an einer Änderung des Kriegsmaterialgesetzes, die eine gezielte Ausnahmeregelung für die Ukraine enthalten soll. Voraussichtlich wird sie bis in den nächsten Monaten einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorlegen. Den der Nationalrat also bereits kennen sollte, wenn er über die Ausnahmeregel für den Bundesrat abstimmt.

Eine Lex Rüstungsindustrie?

Bei der Ausnahmeregel, der der Ständerat heute zugestimmt hat, ist fraglich, ob die Ukraine profitieren könnte. Direkte Exporte von Schweizer Waffen in die Ukraine wären ohnehin nicht möglich, wegen neutralitätsrechtlicher Bestimmungen.

Ob der Bundesrat mit der Ausnahmeregelung die Wiederausfuhr in die Ukraine erlauben könnte, ist umstritten. Die Linke streitet dies ab. Sie spricht von einer «Lex Rüstungsindustrie», die nichts mit der Ukraine zu tun habe. Und Bundesrat Guy Parmelin sagte im Rat, die Ausnahmeregel sei «keinesfalls ein Blankocheck für den Bundesrat». Die Kriterien blieben extrem strikt.