Geldberater über PensionskassengeldMögliche Steuererhöhung für Kapitalbezüge bestraft den Mittelstand
PK-Kapitalbezug kann bei tiefer Lebenserwartung sinnvoll sein. Der Bundesrat schwächt mit der stärkeren Besteuerung das Prinzip der Selbstverantwortung.

Ich bin 62, alleinstehend ohne Kinder und gesundheitlich nicht in bester Verfassung. Darum hatte ich geplant, mit 65 mein PK-Geld als Kapital zu beziehen. Nun mache ich mir Sorgen, weil der Bundesrat die Steuern für einen Kapitalbezug anheben will. Ich bin sehr enttäuscht vom Bundesrat, da ich während meines Berufslebens gespart und mit freiwilligen Einzahlungen dafür gesorgt habe, dass ich im Alter niemandem zur Last falle. Und nun das. Mit der Rente würde ich wegen meiner tiefen Lebenserwartung doch schlechter fahren? T. M.
Ihre Situation ist beispielhaft für andere Leserinnen und Leser aus dem Mittelstand, die sich bei mir gemeldet haben und wie Sie verunsichert sind. Ich halte die Steuererhöhungsideen des Bundesrats für PK-Kapitalbezüge für einen grossen Fehler und hoffe, dass das Parlament diesen verhindert, da der Vorschlag nicht zu Ende gedacht ist und einzig von der Motivation getrieben ist, mehr Geld in die Staatskasse zu lenken.
Dass sich ausgerechnet FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die sonst bei jeder Gelegenheit für Selbstverantwortung eintritt, für höhere Steuern auf Kapitalbezüge starkmacht, ist unverständlich: Nicht die wenigen Grossverdiener werden mit einer höheren Besteuerung von PK-Bezügen in erster Linie bestraft, sondern sehr viele Leute aus der breiten Mittelschicht, die so wie Sie während des Erwerbslebens gespart und mittels freiwilliger Einzahlungen in die Pensionskasse Vorsorgelücken gefüllt hatten und bei denen das Geld in der Pensionskasse ihr weitaus grösster Vermögensposten darstellt.
Pensionskasse trägt das Langlebigkeitsrisiko
Statt alles Einkommen für Ferien und den Konsum aufzubrauchen, haben sie fürs Alter gespart und so sichergestellt, dass Sie im dritten Lebensabschnitt ohne staatliche Hilfe auskommen, selbst wenn sich die Gesundheit verschlechtert. Diesen Leuten aus dem Schweizer Mittelstand zu unterstellen, sie würden das Pensionskassenkapital bei der Pensionierung nur beziehen, um so Steuern zu sparen, ist unfair.
Tatsache ist, dass bei den meisten Pensionskassen Leute, welche die Rente beziehen und dann bald nach der Pensionierung sterben, das Nachsehen haben – ganz besonders Personen, die wie Sie alleinstehend sind und keine Kinder haben.
Die Rentenvariante gibt einem die Garantie, dass man bis ans Lebensende die festgelegte Rente erhält. Die Pensionskasse trägt das Langlebigkeitsrisiko. Wenn man aber kurz nach der Pensionierung stirbt, bleibt das nicht aufgebrauchte Vorsorgekapital, für das Sie während des Erwerbslebens hart gearbeitet und gespart hatten, oft in der Kasse. Wenn diese nicht noch Witwen- oder Kinderrenten finanzieren muss, macht die Kasse ein ausgezeichnetes Geschäft.
Prinzip der Selbstverantwortung wird infrage gestellt
Bei geringer Lebenserwartung kann ein Kapitalbezug sinnvoll sein. Ich verstehe gut, dass Sie in Ihrer Situation den Kapitalbezug planen, zumal Sie gesundheitlich angeschlagen sind. Der Entscheid, ob man die Rente oder das Kapital beziehen soll, ist für alle Betroffenen schwierig und unter Abwägung der individuellen Lebenssituation zu treffen. Ein Kapitalbezug ist, angesichts stark gesunkener Rentenumwandlungssätze, kein Steuertrick, sondern in vielen Fällen ein kluger Weg, um die Finanzierung des Alters selbstverantwortlich zu gestalten.
Unser bewährtes Vorsorgesystem beinhaltet neben dem Prinzip der Selbstverantwortung die Wahlfreiheit. Wenn nun die Steuern auf Kapitalbezüge erhöht würden, würden die Regeln während des Spiels geändert: All die Erwerbstätigen, die wie Sie auf der Basis der bestehenden Regeln für ihr Alter gespart hatten und dafür auf einiges verzichtet hatten, fühlen sich vor den Kopf gestossen. Nur schon mit der Debatte über eine höhere Besteuerung von Kapitalbezügen hat der Bundesrat für viel Verunsicherung im Mittelstand gesorgt und das Vertrauen in unser Vorsorgesystem geschwächt.
Warum sollte jemand noch freiwillig in die Pensionskasse einzahlen, wenn man bei einem Kapitalbezug riskiert, vom Fiskus geschröpft zu werden? Mancher wird schöne Ferien vorziehen. Das Prinzip der Selbstverantwortung in der Altersvorsorge wird infrage gestellt, womit sich die Geldbeschaffung des Staates mittels höherer Steuern auf Kapitalbezügen langfristig als ein dummes Eigengoal erweisen würde.
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