Analyse zu Social-Media-KäufenKanye West und Elon Musk erkennen das Problem – bieten aber die falsche Lösung
Nach Twitter soll nun auch Parler von einem so reichen wie sendungsbewussten Promi gekauft werden. Doch gut gemeint ist in beiden Fällen das Gegenteil von gut.
Geschichte wiederholt sich immer mal wieder. Aber selten innert so kurzer Zeit. Die Zankereien und Intrigen um den Twitter-Kauf von Elon Musk dauern noch an, da will schon das nächste Mega-Ego eine Social-Media-Plattform kaufen.
Dieses Mal ist alles freilich deutlich kleiner – aber nicht weniger bemerkenswert: In der Hauptrolle steckt der einst gefeierte Musiker Kanye West, der sich inzwischen Ye nennt und dieser Tage häufiger mit Krawall, Modekollektionen und Kuriositäten von sich reden macht statt mit Musik.
Ye hat angekündigt, die Social-Media-Plattform Parler kaufen zu wollen. Wohlgemerkt «zu wollen»: Solche Übernahmen sind – wie man aktuell bei Twitter sieht – komplex und können sich in die Länge ziehen oder wieder abgeblasen werden.
Zurück an die Öffentlichkeit
Das Timing dieser Ankündigung kommt nicht von ungefähr. Instagram hat Ye gesperrt, und bei Twitter wurde er Anfang Oktober wegen rassistischer Äusserungen auch gesperrt. Da kommt Parler gerade recht: Das für wenig bis keine Moderation bekannte und bei Trump-Fans beliebte Netzwerk (wie andere soziale Netzwerke, die sich gezielt an politische Gruppierungen richten) kommt nicht vom Fleck. Entsprechend freut man sich dort über das prominente Übernahmeangebot.
Ob der Deal tatsächlich klappt oder verpufft, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Der zweite Übernahmeversuch einer Social-Media-Plattform innert eines Jahres zeigt aber auch etwas anderes:
Die Privatisierung der öffentlichen Meinungsäusserung und -bildung kommt endlich aufs Parkett. Eines der grössten Versäumnisse von uns allen (und nicht nur der Politik) der letzten Jahre ist nämlich Folgendes: Wir haben die Möglichkeit, miteinander zu sprechen, uns zu treffen und auf neue Ideen zu kommen, an Konzerne ausgelagert. (Lesen Sie auch: Das Machtgefüge gerät ins Wanken.)
Wie im Supermarkt
Da darf sich nun niemand wundern, wenn diese Konzerne funktionieren wie eben Konzerne. In einem Supermarkt, einem Kino oder Fussballstadion kann man auch nicht einfach auf eine Kiste steigen und einen Vortrag halten oder ein Lied anstimmen.
Genauso ist es bei Facebook, Twitter, Youtube, Tiktok, Whatsapp, Instagram und allen anderen Grossplattformen. All diese Plattformen haben Hausregeln, und hinter all diesen Plattformen stecken Konzerne mit Rechtsabteilungen, Aktionären, Werbekunden und haufenweise juristischen Verpflichtungen.
Selbstherrliche Individuen
Das betrifft uns alle genauso wie die Promis Ye und Elon Musk. Nur nehmen letztere das Heft nun selbst in die Hand und wollen (kombiniert mit allerhand selbstherrlichem Feuerwerk) die Meinungsfreiheit und ihre Kommunikationskanäle retten. Doch das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint. Und in diesem Fall ganz besonders.
Es kann nicht die Lösung sein, Kommunikationsplattformen den Konzernen abzukaufen und an selbstherrliche Individuen zu übergeben. Bessere Ideen sind gefragt.
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