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Bau neuer Windparks
Wer soll über die Windturbine vor dem Haus bestimmen?

Vom Stimmvolk abgelehnt: So hätten die Windturbinen in Thundorf aussehen können.
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In Kürze:
  • Die Gemeinde Thundorf hat einen geplanten Windpark wuchtig abgelehnt.
  • Im Kanton Luzern stimmte eine klare Mehrheit für den Ausbau der Windkraft.
  • Umstritten ist, wie viel Mitsprache Standortgemeinden künftig noch haben sollen.
  • Der Ständerat berät in der Wintersession eine wegweisende Vorlage dazu.

75 Kilometer liegen zwischen Thundorf im Kanton Thurgau und Luzern. Politisch gesehen sind es aber gerade Welten. Am Sonntag hat die Bevölkerung der 1600-Einwohner-Gemeinde einen geplanten Windpark mit drei jeweils rund 250 Meter hohen Turbinen mit 63 Prozent Nein-Stimmen wuchtig versenkt.

Noch etwas deutlicher war das Verdikt der Stimmbevölkerung im Kanton Luzern – allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: 68,5 Prozent wollen den Ausbau der Windkraft forcieren. Neu wird bei grossen Windparks ab einer erwarteten jährlichen Produktion von 10 Gigawattstunden eine kantonale Behörde die abschliessende Bewilligung erteilen – nicht mehr die Gemeinde.

Zudem werden in einem konzentrierten Verfahren alle Bewilligungen, die in der Kompetenz des Kantons liegen, künftig gemeinsam erteilt. Dadurch gibt es nur noch eine einzige Rekursmöglichkeit vor dem Kantonsgericht, die man ans Bundesgericht weiterziehen kann; die Beschwerderechte bleiben erhalten.

Kampf um Gemeindeautonomie

Für den Thurgauer SVP-Nationalrat Manuel Strupler sind die beiden Volksverdikte keine Überraschung. Seine Erklärung: In Thundorf hat die direkt betroffene Bevölkerung über einen in ihrer Gemeinde geplanten Windpark abgestimmt, während es im Kanton Luzern um eine grundsätzliche Frage gegangen ist.

Ein Indiz für die unterschiedliche Betroffenheit ist die Stimmbeteiligung: Lag sie in Thundorf bei sehr hohen 75 Prozent, waren es im Kanton Luzern 44,5 Prozent. «Man kann zwar grundsätzlich für den Ausbau der Windenergie sein», sagt Strupler. Das bedeute aber nicht automatisch, dass man Windräder vor der eigenen Haustür haben wolle oder jedes Projekt für gut befinde. «Darum ist es so wichtig, dass die Gemeinden das letzte Wort behalten.»

Manuel Strupler, SVP-TG, spricht waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 28. Februar 2024, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

In Luzern indes wird es nun möglich, Windkraftprojekte gegen den Willen der betroffenen Gemeinde durchzusetzen. «Ja, das kann sein, da sie nicht mehr vor Ort über die Nutzungsplanung abstimmen können», wird der zuständige Luzerner Regierungsrat Fabian Peter (FDP) in der «Luzerner Zeitung» zitiert. Das Luzerner Stimmvolk habe aber ein «klares Wort» gesprochen. Es sei ihm wichtiger, «beim Ausbau der Erneuerbaren rasch vorwärtszukommen».

Ein gewisses Mass an Mitsprache sollen die Gemeinden behalten. Laut Peter können sie sich im Rahmen der Vorprüfung eines Projekts «einbringen». Zudem können sie sich auch an einem Windpark beteiligen und «damit auch am Profit».

Damian Mueller, FDP-LU, spricht zur Kleinen Kammer, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 13. Juni 2024 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller sagt ebenfalls: «Werden Windkraftprojekte lanciert, sollen die Standortgemeinden möglichst früh involviert werden, damit der Extremfall nicht eintritt.» Damit meint er: ein Vorhaben, mit dem die Gemeinde nicht einverstanden ist. Allerdings, wie das Beispiel Thundorf zeigt, ist es möglich, dass die Gemeindebehörden ein Windkraftprojekt gutheissen – die Bevölkerung es am Ende aber ablehnt.

Windkraftlobby jubelt

Welche Bedeutung der Luzerner Entscheid hat, zeigt die Reaktion der Windkraftlobby. Damit würden drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, frohlockte der Verband Suisse Eole am Sonntag: Die Gemeinden würden entlastet, die Verfahren beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht. «Das neue Verfahren hat Vorbildcharakter, weil es die wichtigsten Aspekte der Beschleunigungsvorlage des Bundes bereits vorwegnimmt.»

Tatsächlich gibt es im Bundeshaus Bestrebungen, die Planungs- und Bewilligungsverfahren zu beschleunigen. In der Wintersession, die nächste Woche beginnt, behandelt der Ständerat als Zweitrat die Vorlage. Umstritten ist aber auch hier, wie viel Mitspracherecht die Gemeinden erhalten sollen.

Der Bundesrat verlangt einzig, dass die betroffenen Gemeinden «frühzeitig in das Verfahren einbezogen werden». Der Nationalrat dagegen geht weiter: Die Kantone können «vorsehen, dass eine Zustimmung der Standortgemeinde notwendig ist». Die vorberatende Kommission des Ständerats favorisiert einen anderen Grundsatz: Hier sind die Gemeinden zuständig, es sei denn, die Kantone beschliessen die Zuständigkeit der kantonalen Behörden. Der Entscheid fiel mit 6 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung knapp aus; wie die Kleine Kammer entscheiden wird, scheint noch unsicher.

Sollen Kantone entscheiden?

Für Priska Wismer-Felder, Mitte-Nationalrätin aus dem Kanton Luzern und Vizepräsidentin von Suisse Eole, ist vor allem etwas wichtig: «Die Kantone sollen die Möglichkeit erhalten, die Bewilligungsbehörde für Projekte von nationaler Bedeutung bezeichnen zu können.» Die Formulierung im Gesetzestext müsse Entscheidungen, wie sie der Kanton Luzern am Wochenende getroffen habe, dabei respektieren. Der Nationalrat habe diesen föderalistischen Ansatz gestützt, so Wismer-Felder. Inwieweit der Ständerat dies auch tue, werde die weitere Beratung der Vorlage zeigen.

SVP-Nationalrat Strupler dagegen fordert, dass die Gemeinden ihr Vetorecht behalten können. «National- und Ständerat dürfen nicht Hand dazu bieten, die Gemeindeautonomie auszuhebeln.» So sei es der Bevölkerung bei der Abstimmung über das Stromgesetz von den Befürwortern auch gern versprochen worden.