Forderungen zum 1. MaiBaume-Schneider warnt vor sozialer Ungerechtigkeit, Maillard vergleicht Prämien mit einer Steuer
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider sprach zum 1. Mai in Thun, SGB-Chef Pierre-Yves Maillard in Biel.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat an der 1.-Mai-Feier in Thun BE vor den Folgen sozialer Ungerechtigkeit gewarnt. Nur eine faire Gesellschaft sei eine starke Gesellschaft, sagte die SP-Magistratin am Mittwoch auf dem Thuner Rathausplatz. Das zeige ein Blick in zahlreiche Länder, auch in Europa.
Tiefe Löhne, fehlende soziale Sicherheit und gesellschaftliche Entsolidarisierung seien der Nährboden für Wut und Ressentiment, für Polarisierung und Populismus, sagte die Bundesrätin. Wer sich für eine faire Gesellschaft einsetze, stärke auch die Stabilität der Schweiz und das Vertrauen in die Demokratie.
Im März habe das Volk «laut und klar» Ja gesagt zur 13. AHV-Rente, sagte Baume-Schneider. Sie sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, die 13. Rente solidarisch zu finanzieren.
Doch die soziale Frage sei nie erledigt, sie stelle sich immer wieder neu. So drohe zum Beispiel das Wohnen zum Luxus zu werden, und die Gesundheitskosten stellten für viele ein grosses Problem dar.
Für Lösungen ohne Nebenwirkungen
In der Schweiz könnten sich die Menschen auf eine hochwertige Gesundheitsversorgung verlassen. Man müsse aber auch anerkennen, dass Kostenwachstum und Prämienlast komplexe Probleme seien.
Sie erforderten Lösungen, die gezielt und effektiv wirkten und keine Nebenwirkungen entfalteten. Deshalb lehnten Bundesrat und Parlament sowohl die Prämienentlastungs-Initiative der SP als auch die Kostenbremse-Initiative der Mitte ab, die am 9. Juni vors Volk kommen. Sie setzten stattdessen auf Gegenvorschläge.
Baume-Schneider rief die gut zweihundert Teilnehmer der Feier dazu auf, bei den Fragen rund um die soziale Gerechtigkeit künftig noch genauer hinzuschauen. «Wenn wir es nicht tun, tut es niemand. Und lösen wir die Probleme, statt sie nur zu beklagen.»
Bundesrat Beat Jans ermuntert in Bern: «Zusammen geht es besser»
SP-Bundesrat Beat Jans hat auf dem Berner Bundesplatz zur Solidarität aufgerufen. «Zusammen geht es besser», betonte Jans mit Blick auf die zahlreichen Herausforderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Dazu gehörten etwa tiefere Krankenkassenprämien und höhere Löhne. Gerade beim Lohnschutz brauche die Schweiz starke Beziehungen zu Europa.
Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den Klimaseniorinnen zeige, dass es zusammen besser gehe. Er wolle den Kritikern «nicht die Rösti versalzen», sagte Jans, aber das Urteil sei kein Entscheid gegen die Schweizer Bevölkerung, sondern einer für die sie. Er stärke ihre Rechte.
Gemeinsam hätten auch die Pensionierten der 13. AHV-Rente zum Durchbruch verholfen, sagte Jans. «Zusammen geht es besser»: Genau dieses Motto werde am 1. Mai gefeiert.
Solidarität tue Not, denn der Welt gehe es schlecht. «Krisen, Klima, Katastrophen, Kriege. In der Ukraine und in Nahost. Menschen verzweifeln, leiden, sterben. Tausende. Jeden Tag. Es ist schier unerträglich.»
Die Welt brenne, und den Menschen in der Schweiz gehe es gut. Es sei gefährlich, zu glauben, dass es kein Feuer gebe, nur weil das eigene Haus nicht brenne, mahnte der Justizminister.
Der Slogan «Zusammen geht es besser» sei in Zeiten wie diesen eigentlich eine Untertreibung. Vielmehr müsste es heissen: «Nur zusammen geht es». Globale Probleme könnten nur gemeinsam gelöst werden. «Packen wir’s an! Zusammen», schloss Jans seine Ansprache.
Nicht alle Teilnehmenden auf dem Bundesplatz waren einig mit Jans. Es gab einzelne Pfiffe und Zwischenrufe. Jans lud die mehrheitlich jugendlichen Kritiker ein, mit ihm zu diskutieren. «Die Sprache der Pfiffe verstehe ich nicht so gut», sagte er.
Zuvor waren hunderte Personen im Umzug der Gewerkschaften durch die Stadt zum Bundesplatz marschiert. Auf Transparenten wurde etwa gefordert: «Prämien runter, Löhne rauf».
SGB-Chef Maillard vergleicht Prämien mit einer Steuer
In einer kämpferischen 1. Mai-Rede hat SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard am Mittwoch in Biel «die völlig falschen Inflationszahlen» angeprangert, die in der Schweiz bekannt gegeben würden. Die Krankenkassenprämien seien von der Berechnung ausgeschlossen.
Maillard, der auch Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds ist, verglich die Krankenkassenprämien mit «einer Steuer». Sie seien «die einzige Steuer, die keine Obergrenze hat und über die nie abgestimmt wird», sagte Maillard weiter. Und wenn es sich nicht um eine Steuer handle, «warum werden die Krankenkassenprämien dann nicht in die offiziellen Inflationszahlen einbezogen?», fragte der SGB-Präsident.
Aufgrund dieser «Auslassung» werde die tatsächliche Inflation bei weitem unterschätzt. Maillard setzt sich für die Prämien-Initiative der SP ein, über die das Schweizer Stimmvolk am 9. Juni befinden wird.
Der SGB werde auch gegen die Reform der zweiten Säule kämpfen, die seiner Meinung nach die Lohnkosten um zwei Milliarden Franken pro Jahr erhöhen und gleichzeitig die Renten im obligatorischen Teil um 13 Prozent senken werde, sagte Maillard weiter. Auch gegen die Liberalisierung des Gesundheitssystems und für den öffentlichen Dienst in den Bereichen Stromwirtschaft und Verkehr werde man kämpfen.
Maillard kritisierte «statistische Verzerrungen» und verzerrte Studien und sagte, dass die Zahlen, die auf eine Zunahme der Teilzeitarbeit hinweisen, die Realität verschleiern würden. Das tatsächliche Arbeitsvolumen in den Haushalten steige, während die Löhne stagnierten. In einigen Bereichen und angesichts der sinkenden Kaufkraft «ist es nicht so, dass wir es (das System) nicht mehr wollen, sondern dass wir es nicht mehr können», sagte Maillard.
Juso will Berufslehre aufwerten und UNRWA-Beiträge verdoppeln
Die Juso Schweiz fordert zum Tag der Arbeit bessere Arbeitsbedingungen für Berufslernende. Die jüngsten Lohnabhängigen müssten mehr Wertschätzung für ihre Arbeit erhalten. Aus Solidarität sollte die Schweiz zudem ihre Beiträge an die palästinensische Zivilbevölkerung verdoppeln.
Der 1. Mai sei traditionell auch ein Tag der internationalen Solidarität, stellte die Juso in einer Mitteilung vom Mittwoch fest. Die Schweiz verrate die Idee der humanitären Hilfe, indem sie die Gelder an das Hilfswerk UNRWA blockiere. Die UNRWA sei die einzige Institution, die der hungernden Bevölkerung direkt und umfassend helfen könne. Statt die Gelder zurückzuhalten, solle die Schweiz ihre Beiträge an die palästinensische Zivilbevölkerung verdoppeln und unverzüglich 60 Millionen Franken ausbezahlen.
Die Juso sammeln am Mittwoch in verschiedenen Städten und Ortschaften Unterschriften für eine Petition zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Berufslernenden. Die Partei fordert im ersten Lehrjahr einen generellen Mindestlohn von 1000 Franken, zehn Wochen Ferien für alle Berufslernenden sowie eine Erhöhung der Stipendien für die Berufslehre. Zudem müsse die Betreuung von Lernenden in den Betrieben verbessert und häufiger kontrolliert werden.
SDA/step
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