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Anti-Rassismus-Demo in Paris
Junge Franzosen protestieren gegen rassistische Polizeigewalt

«Es ist unser aller Kampf»: Der Protest in der französischen Hauptstadt wurde von Assa Traoré organisiert. Ihr Bruder starb 2016 
in Polizeigewahrsam.
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Seit vier Jahren streitet Assa Traoré dafür, dass die Polizei die Verantwortung für den Tod ihres Bruders Adama übernimmt. So zahlreiche Unterstützung wie am Dienstagabend hatte sie noch nie: 20’000 Menschen kamen laut Behörden zu einer Kundgebung, die «Gerechtigkeit für Adama» forderte. «Wenn man heute für George Floyd kämpft, dann kämpft man für Adama», rief Assa Traoré den Protestierenden zu. Die Familie Traoré und ihre Unterstützer unterhalten schon länger Kontakte zu der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA, die gegen rassistische Polizeigewalt gegen Schwarze protestiert.

Adama Traoré starb im Sommer 2016 in Polizeigewahrsam, wenige Stunden nach seiner Festnahme in einer Pariser Vorstadt. Drei Polizisten hatten sich auf seinen Rücken gekniet, Traoré hatte mehrfach versucht, zu fliehen. Im Protokoll der Festnahme steht, dass Traoré sagte, er bekomme keine Luft mehr. Die Polizei rief einen Krankenwagen; als dieser eintraf, war der 24-Jährige nicht mehr am Leben. Die genaue Todesursache ist umstritten. Am Freitag veröffentlichte ein Gericht eine Obduktionsanalyse, welche die Polizei entlastet. Traoré sei an einem «kardiogenen Ödem» gestorben – einer Vorerkrankung. Am Dienstag hingegen kam ein Gutachten, das Traorés Familie in Auftrag gegeben hatte, zu dem Schluss, Traoré sei durch äusserliche Gewaltanwendung erstickt.

Schlachtrufe aus den USA übernommen

Es waren vor allem junge Menschen, die sich vor dem Neubau des Tribunal de Grande Instance de Paris, dem wichtigsten Gericht der Stadt, versammelten. Die meisten trugen Atemschutzmasken, gut zwei Stunden verlief die Demonstration friedlich. Erlaubt war sie allerdings nicht – wegen der Corona-Pandemie sind Menschenansammlungen weiterhin verboten. Erst als es dunkel wurde, kam es am Rande zu Gewalt. Barrikaden wurden angezündet, die Polizei setzte Tränengas ein. Die Plakate knüpften an die Proteste in den USA an, von dort wurde auch einer der Schlachtrufe übernommen: «I can’t breathe», ich kann nicht atmen. Auch der Name George Floyd war auf T-Shirts und Banderolen zu lesen. Floyd wurde vergangene Woche in den USA von einem weissen Polizisten getötet. Sein Tod löste eine gewaltige Protestwelle aus.

Die grosse Resonanz, die der Protestaufruf von Assa Traoré erfuhr, ist aber nicht nur auf die Inspiration aus den USA zurückzuführen. Bis Mitte Mai galt in ganz Frankreich acht Wochen lang eine strenge Ausgangssperre, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Bewohner der verarmten Vorstädte um Paris oder Marseille, in denen mehrheitlich Eingewanderte und deren Kinder leben, berichteten in diesen Wochen immer wieder von Willkür und Gewalt bei Polizeikontrollen. Das Verhältnis zwischen den Vorstadtbewohnern und den Ordnungskräften ist seit Jahrzehnten angespannt. Erstere werfen der Polizei vor, rassistische Strukturen innerhalb der Behörden nicht zu hinterfragen und gerade gegen junge Männer mit afrikanischen Wurzeln unnötig brutal vorzugehen. Letztere beklagen hohe Kriminalität und Drogenhandel in den Vorstädten.

Ribéry gegen Rassismus

Kurz vor Beginn der Ausgangssperre hat der Verein Urgence Violences Policières, Notstand Polizeigewalt, eine Handy-App herausgebracht, die das systematische Filmen von Polizeieinsätzen durch französische Bürger ermöglichen soll. Urgence Violences Policières wurde von Familien gegründet, deren Angehörige bei Polizeieinsätzen verletzt wurden. Der Verein wird von zahlreichen Prominenten unterstützt, unter anderem von dem Fussballspieler Franck Ribéry und der Schriftstellerin Virginie Despentes.

Barrikaden wurden angezündet, die Pariser Polizei setzte Tränengas ein.

Für europäische Verhältnisse verfügt die französische Polizei über ein ungewöhnlich umfangreiches Waffenarsenal. So kann sie Tränengasgranaten und Gummigeschosse einsetzen, um Demonstrationen zu kontrollieren. Diese Waffen wurden ursprünglich eingeführt, um sie in den Vorstädten einzusetzen. Wird dort demonstriert, stufen die Behörden dies meist nicht als politische Kundgebungen ein, sondern als Aufstände, gegen die hart vorgegangen werden muss.

14 Menschen verloren ein Auge

Der Einsatz von Gummigeschossen wird in Frankreich seit der Bewegung der Gilets jaunes massiv kritisiert. Nun trafen die Geschosse auch die weisse Mittelschicht. Laut der Zeitung «Libération» wurden allein innerhalb der ersten zwei Monate der Gelbwestenproteste Ende 2018 mehr als 90 Demonstranten und Journalisten durch Gummigeschosse der Polizei verletzt, 14 Menschen verloren ein Auge.

An der Kundgebung am Dienstag beteiligten sich einige der ehemals führenden Köpfe der Gilets jaunes. Ihnen geht es auch um strengere Strafverfolgung innerhalb der Polizei. Der Pariser Polizeichef Didier Lallement schrieb am Dienstag in einem Brief an seine Mitarbeiter, die Pariser Polizei sei «nicht gewalttätig und auch nicht rassistisch».