Jubiläum für KarikaturistDer Meister gezeichneter Pointen: 25 Jahre Felix Schaad beim Tagi
Seit einem Vierteljahrhundert bereichert – und prägt! – Felix Schaad den «Tages-Anzeiger» mit seinen Karikaturen.
Felix Schaads Fähigkeit, komplexe Themen mit wenigen Strichen zu verdichten, macht ihn nicht nur für den Tagi unverzichtbar, sondern auch zu einer prägenden Stimme in der Schweizer Medienlandschaft und das seit 25 Jahren.
Ob politische Machtspiele, soziale Ungerechtigkeit oder die Absurditäten des Alltags: Schaads Kunst trifft ins Schwarze – mal mit feinem Witz, mal mit schneidender Ironie. Auch bitterbös können seine Zeichnungen sein, aber selbst dann strahlen sie in ihrer präzis-verspielten Machart so viel Charme aus, dass sie nie verletzend wirken.
Aus Eglisau zum Tagi
Schaads Weg zum Karikaturisten war, wenn man so will, vorgezeichnet. 1961 in Eglisau geboren, wuchs er in einem Umfeld auf, in dem das Zeichnen eine grosse Rolle spielte: Schon sein Grossvater war Pressezeichner, und in der elterlichen Bibliothek fanden sich Werke von Grössen des Genres wie Sempé und Chaval. Das waren frühe Inspirationen. Asterix und Lucky Luke kamen später hinzu.
Nach der Matura entschied sich Felix Schaad zunächst für eine Ausbildung als Grafiker, stellte jedoch bald fest, dass ihm die Werbung zu eng und zu wenig kreativ war. Seine ersten Schritte zum Karikaturisten machte er mit Comics und Cartoons für den damaligen «Nebelspalter» und andere Publikationen.
1999 holte ihn der «Tages-Anzeiger» an Bord. Die Redaktion suchte einen zweiten Zeichner an der Seite ihres legendären Karikaturisten Nico. Man wollte für mögliche Ausfälle und andere Eventualitäten gewappnet sein.
Nico – mit bürgerlichem Namen Klaus Peter Cadsky – hatte die Zeitung zuvor schon über Jahrzehnte hinweg geprägt. Er war bekannt für seinen scharfen Witz und seine mitunter provozierenden Strich.
Gefördert von mehreren Chefredaktoren, hatte sich Nico einen regelmässigen Platz auf der Titelseite erkämpft. Der «Tages-Anzeiger» erhob die Karikatur damit zu einem zentralen Meinungsformat – gleichrangig mit den Leitartikeln der Chefredaktion.
Nach Nicos Abgang 2005 übernahm Felix Schaad dessen Rolle als Hauszeichner und prägt seither das Erscheinungsbild der Zeitung wie kaum ein anderes Mitglied der Redaktion.
Präzis und provokant
In enger Abstimmung mit der Redaktion greift Felix Schaad die tagesaktuellen Themen auf. Von der Klimakrise über Finanzskandale bis hin zur Schweizer Innenpolitik: Kein Thema ist ihm zu trocken oder zu heikel. Im Gegenteil: Gerade für vordergründig lustige Ereignisse braucht es keinen «Schaad».
Es liegt im Wesen der Satire, dass sie übertreibt, zuspitzt und provoziert – und damit auch Widerstände auslöst. 2009 sorgte Schaads Karikatur zum Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem für Kontroversen.In Schaads Zeichnung verwandelte sich das Kreuz des Papstes in ein Hakenkreuz.
Während katholische Kreise darin eine Verletzung der Menschenwürde sahen, urteilte der Presserat glasklar und unmissverständlich, dass es sich um zulässige Satire handle.
Evas Welt
Neben seinen Karikaturen wurde Felix Schaad mit der Comicserie «Eva» bekannt, die er zusammen mit dem Texter Claude Jaermann entwickelte. Die Kassiererin Eva Grdjic, eine Frau mit Ecken und Kanten, war 17 Jahre lang fester Bestandteil der «Bellevue»-Seite im «Tages-Anzeiger».
Mit ihrem sperrigen Charakter und ihrem realitätsnah gezeichneten Alltag durchbrach sie Klischees und brachte Leserinnen und Leser zum Lachen – und oft genug auch zum Nachdenken. Die vier Haare, die Eva zu Berge stehen, wurden zu ihrem legendären Erkennungsmerkmal. 2017 verabschiedete sich Schaad von «Eva», um sich neuen Herausforderungen zu widmen.
Gezeichneter Journalismus
In den letzten Jahren hat Schaad sein Repertoire erweitert: Mit gezeichneten Reportagen erschloss er ein neues, ernstes und urjournalistisches Genre. Ob Ebola-Krise, die Gefährdung durch den Klimawandel, der Alltag auf Covid-Intensivstationen oder Krisenregionen wie Honduras und die Ukraine – Schaads Arbeiten dokumentieren bewegende Themen auf eine Weise, die visuell und emotional zugänglich ist.
Dieses Format verbindet journalistische Präzision mit der Ausdruckskraft von Zeichnungen. Und es zeigt, wie vielseitig Felix Schaads Talent ist.
Hommage für Felix Schaad
25 Jahre Schaad im «Tages-Anzeiger» feiern wir mit einer Hommage. Sechs Kollegen aus der quicklebendigen Karikaturisten-Szene haben aus diesem Anlass eine Zeichnung beigesteuert. Der Satiriker (und wie Felix Schaad Winterthurer) Viktor Giacobbo und der Texter Claude Jaermann würdigen den Jubilar auf ihre Weise.
Zusammenarbeit mit Felix Schaad: «Liebe auf den ersten Strich»
Der Texter Claude Jaermann erinnert sich an 25 gemeinsame Jahre – nicht nur, aber auch bei der Arbeit für den legendären täglichen Comic Eva.
Nach 25 Jahren hört man auf, die Chefredaktoren und -innen zu zählen, die man überlebt hat. Auch unsere gemeinsame Arbeitsphase betrug mindestens 25 Jahre, und wenn ich an diese Zeit zurückdenke, empfinde ich tiefe Dankbarkeit.
Doch was heisst Arbeitsphase! Es war eine Beziehung, eine Art Partnerschaft, ja, ich wage gar zu schreiben, dass es Liebe auf den ersten Strich gewesen ist. Wir seien wie ein altes Ehepaar äfften wir manchmal. Immerhin sassen wir uns zwei Mal die Woche an deinem Esstisch gegenüber, tranken Kaffee, lasen Zeitung und schwiegen uns an.
Und wir hatten keinen Sex.
Wenn das nicht Beweise für eine gutbürgerliche Ehe sind? Zudem hast du drei Beziehungen inklusive zwei Scheidungen auf meiner Seite erlebt. Ich bloss drei Hundeleben auf deiner.
Und: Wir hatten nie Streit. Nicht, dass unsere Beziehung je an dem Punkt angelangt wäre, an dem man sich nichts mehr zu sagen hat. Im Gegenteil! Nach der Zeitungslektüre und dem Kaffee wurde viel geredet. Über Gott und die Welt und natürlich, wie wir die menschlichen Abgründe mit EVA – dem täglichen Comic im «Tages-Anzeiger» von 2000 bis 2017 – überraschend, heiter und böse umsetzen könnten. Dabei fiel mir oft die Rolle des Spinners zu, der seine Antennen ausfahren konnte und von einer extremen Idee in die andere fallen durfte.
Du warst der geniale Regisseur meines Trauerspiels und hast exakt gespürt, welcher schräge Erguss sich zu einem Comic verarbeiten liesse. Dann ging das Feilschen los. Wir parlierten über unsere Figuren, über Locations, Tonalität, Running-Gags. Aber auch über Stimmungen, Gerüche, Farben (bei einem Schwarzweiss-Comic sehr wichtig!) und schweiften auch immer wieder in unsere nichtalltäglichen Alltage ab.
So mischten sich echte bellende Hunde mit kläffenden Comicfiguren und duftender Kaffeegeruch mit miefigen Blockwohnungen. Und immer betete ich innerlich hoffnungsvoll, dass du die Fäden im Griff behalten würdest im Gewusel, das Aussenstehende als möglicherweise pathologisch-chaotisch einstufen würden. Ja, wir feilschten über Worte und Skizzen. Also meistens über Worte. Weil schreiben kann jeder – zeichnen nur du.
Dabei kannst du dir nicht vorstellen, wie oft ich mich mit einem schlechten Gewissen gegen Mittag aus deinem Minergiehaus geschlichen habe, weil wir (also ich) nur zweieinhalb einigermassen lustige Geschichten zustande gebracht hatten und das Soll eigentlich sechs vorsah.
Ja, klar, es gab noch ein Morgen. Aber ich wusste, dass du irgendwie noch diese sechs Geschichten zeichnen musstest. Dafür meine grösste Hochachtung, ja und Liebe. Ich bewundere dich für deine Ausgeglichenheit, deinen bestechenden Blick fürs Wesentliche und deinen absurden Humor, der so gut zu meinem passt.
«Für Felix Schaad spiele ich jederzeit den Harry Hasler»
Der Moderator, Komiker, Schauspieler und Theaterunternehmer Viktor Giacobbo hat ein spezielles Jubiläumsgeschenk für seinen Winterthurer Mitbürger.
Jede Zeichnung von Felix Schaad ist jeweils ein Lichtblick in den täglichen News, aber diese Karikatur von Fredi Hinz hat mir so gut gefallen, dass ich Felix um das Original gebeten habe.
Er hat es mir geschenkt, mit der Auflage, dass ich einer gemeinnützigen Organisation eine Spende zukommen lasse. Habe ich selbstverständlich gemacht, mich aber trotzdem etwas geschämt, jemanden um ein Kunstwerk zu bitten, nur weil man ihn persönlich kennt.
Als Revanche, lieber Felix, kannst du mich jederzeit bei einer Begegnung in Winterthur darum bitten, dir auf der Stelle den Harry Hasler vorzuspielen. Okay?
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