Kandidat mit 39 JahrenIst Jon Pult zu jung für den Bundesrat?
Der Bündner SP-Politiker wäre der erste Millennial in der Landesregierung. Sein Alter spreche eher für als gegen ihn, sagen ein Headhunter und zwei Unternehmer, die ihn kennen.

Jon Pult kam am 12. Oktober 1984 auf die Welt. Das macht den Bündner SP-Nationalrat zu einem Millennial: Er gehört der Generation der um die Jahrtausendwende Geborenen an. Zusammen mit dem 59-jährigen baselstädtischen Regierungsrat Beat Jans wird der 39-jährige Pult von der SP als Bundesrat vorgeschlagen.
Falls ihn die Bundesversammlung am 13. Dezember wählt, würde er zu der kleinen Minderheit gehören: In der Geschichte des Bundesstaats wurden nur 9 von 121 Mitgliedern des Bundesrats im Alter von unter 40 gewählt. Zuletzt 2011 sein Parteikollege Alain Berset. Ruth Metzler war 35, als sie 1999 für die damalige CVP in den Bundesrat gewählt wurde. Sie war nicht die jüngste: Der freisinnige Neuenburger Numa Droz kam 1876 als 32-jähriger in die Regierung.
Pults Konkurrent Beat Jans wirft im Wahlkampf seine zwei Jahrzehnte mehr Lebenserfahrung in die Waagschale. Im Interview mit der NZZ sagte der Kandidat aus Basel: «Ich beziehe meine Überzeugungen aus dem, was ich erlebt habe – nicht aus der Juso.» Eine klare Spitze gegen die erst kurz zurückliegende Juso-Vergangenheit des Bündners.
Pults Achillesferse
Pult weiss, dass das Alter seine Achillesferse im Bundesratsrennen ist. Einem Interviewer auf Radio SRF sagte er, die Frage zu stellen, sei legitim – und er verwies auf einen «befreundeten CEO», der gesagt habe: «Erfahrung ist nicht alles.»
Auf Nachfrage will Pult nicht preisgeben, wer der befreundete CEO sei. Er nennt aber Namen von zwei anderen Fürsprechern aus der Wirtschaft. Einer von ihnen ist Bernhard Kunz, Verwaltungsrat der Hupac, einer internationalen Bahntransportfirma. Kunz sagt: «Führungsqualität ist keine Frage des Alters, sondern der Reife.»

Die Hupac betreibt 9100 Güterwagen, hat 680 Angestellte und 670 Millionen Franken Jahresumsatz. Führungsverantwortung übernahm Kunz in dem Unternehmen selbst früh, wurde im Alter von 43 Jahren Hupac-Chef, bis er 2021 in den Verwaltungsrat wechselte.
Was aber macht Reife aus? «Vor allem: zuhören können», sagt Kunz. Als Transportunternehmer hatte Kunz mit dem Verkehrspolitiker Jon Pult, Präsident der Verkehrskommission im Nationalrat, oft zu tun. Dabei hat Kunz Pult als neugierig erlebt: «Er stellt die richtigen Fragen, geht pragmatisch vor, stellt die Lösung in den Vordergrund und nicht die Ideologie.»
Pult gebe sich auch nicht damit zufrieden, vom Sitzungszimmer aus zu entscheiden. «Er will vor Ort erfahren, was auf den Schienen und in den Verladeterminals passiert.» Jon Pult kommuniziere hervorragend und tue dies in allen Landessprachen. Und: «An einer Tagung in Mailand hielt Jon seine Präsentation frei und fliessend auf Englisch.»
Der Camionneur über den Autobahngegner
Bei Nils Planzer liegt der Fall anders. Als Chef des familieneigenen Transportunternehmens Planzer ist er kein natürlicher Verbündeter von Jon Pult. Als Präsident der Alpeninitiative hat sich Pult ganz und gar der Verlagerung des Transportverkehrs von der Strasse auf die Schiene verschrieben. Und Pult unterstützt das Referendum gegen den von Bundesrat Albert Rösti geplanten Autobahnausbau.

«Ich wähle nicht per se links, wie Sie sich vorstellen können», sagt Planzer. Sein Unternehmen besitzt mehr als 2000 Lastwagen und andere Transportfahrzeuge und beschäftigt 5900 Personen. Jahresumsatz: über einer Milliarde Franken.
Verlässlich, intelligent, rational sind die Wörter, die fallen, wenn man mit dem Camionneur Nils Planzer über Jon Pult spricht. «Es gibt in jeder Partei Leute, mit denen man zusammenarbeiten kann, aber es gibt auch andere», sagt Planzer. Pult gehöre trotz SP-Parteibuch zu den Ersteren.
Nils Planzer selbst wurde 2003 im Alter von 32 Jahren Geschäftsführer und Delegierter des Verwaltungsrats im Familienunternehmen. «Jung in die Führungsverantwortung zu kommen, ist an sich noch kein Vorteil», sagt Planzer. «Aber es ist sicher gut, wenn im Führungsteam Angehörige verschiedener Altersgruppen zusammenkommen – und das dürfte auch für den Bundesrat gelten.»
«Sicher nicht zu jung für den Bundesrat»
Ein Millennial im Bundesrat? Das ist für Bjørn Johansson gar keine Frage. Der international tätige Headhunter sagt: «Mit 39 ist man sicher nicht zu jung für den Bundesrat.»

Johansson sucht (und findet) seit 1980 Spitzenpersonal für internationale Grossfirmen. Er kennt Jon Pult nicht persönlich. Aber aus über 40 Jahren Erfahrung sagt er, das Alter allein sage nichts aus über die Führungsfähigkeiten einer Person: «Es ist immer eine Mischung aus Alter, Erfahrung und Reife.»
«Ruth Metzler hat mit ihren damals 35 Jahren frischen Wind in den Bundesrat gebracht.»
Es gebe Leute, die noch mit 50 über weniger Erfahrung und Reife verfügen als manche 30-Jährige, sagt Johansson. «Ich schaue mir einen Lebenslauf immer daraufhin an, ob die Person in verschiedenen Firmen und in unterschiedlichen Kulturen gearbeitet hat», sagt der Headhunter.
Bei der Besetzung von Führungspositionen komme es vor allem auf den «cultural fit» an: Passt die Person in eine Geschäftsleitung oder einen Verwaltungsrat? Aber nicht nur das: Bringt die Person neue Perspektiven ein?
«Es geht auch um Diversität, nicht nur was das Geschlecht angeht, sondern auch das Alter», sagt Bjørn Johansson. «Ruth Metzler hat doch mit ihren damals 35 Jahren frischen Wind in den Bundesrat gebracht, der ihm gutgetan hat.»
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