Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Johnsons skrupelloser Berater

Dominic Cummings war der Ideengeber der Brexit-Kampagne, der jetzige Premierminister Boris Johnson das Gesicht. (Foto: imago; Bearbeitung SZ)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der neue Chefberater des britischen Premierministers schaute bereits in dessen Amtssitz 10 Downing Street vorbei. Dominic Cummings kam leger im T-Shirt, was bei der Hitze sicher sehr angenehm ist. Zugleich hebt es ihn von den ganzen Anzugträgern im Regierungsapparat ab. Das passt, denn der 47-Jährige will sich nicht einfügen, sondern eine Revolution anzetteln. Der Politikberater hält die Regierungsmaschinerie für ineffizient und klagt, dass hohe Beamte zu viel Einfluss hätten. Die Entscheidungsfindung sei «extrem bürokratisch und langsam», schreibt er in einem Blog auf seiner Webseite.

Nun kann er im Auftrag von Premier Boris Johnson versuchen, die Macht der sogenannten Mandarine zu brechen und Verfahren zu beschleunigen. Johnson startete seine Regentschaft mit einem brutalen Kehraus im Kabinett. Mehr als die Hälfte der Minister seiner Vorgängerin Theresa May musste gehen. Dafür erhielten Anhänger eines harten Brexit-Kurses bedeutende Ressorts. Aber mit am meisten Aufsehen und Kritik erregte nicht die Berufung eines Ministers, sondern die von Cummings zu einem der beiden wichtigsten Berater des Premiers.

Seine Rolle wird als die eines Geschäftsführers beschrieben. Alle anderen Berater berichten an ihn; er soll das Kabinett schlagkräftiger machen – und vor allem sicherstellen, dass alle Teile der Regierung auf das Ziel hinarbeiten, das Land am 31. Oktober aus der EU zu lotsen. So würde Johnson sein Versprechen erfüllen, dass es unter ihm keine weitere Verschiebung des Brexits geben wird.

Die verflixten 350 Millionen Pfund

Cummings und Johnson waren schon früher Kampfgefährten: Vor dem EU-Referendum leitete der parteilose Politikberater die Brexit-Kampagne, Johnson war ihr Gesicht. Cummings entwarf den eingängigen Slogan «Take back control», zu Deutsch «Übernimm wieder die Kontrolle», und er hatte die Idee für das Versprechen, die 350 Millionen Pfund, die Grossbritannien der EU pro Woche überweise, nach einem Austritt lieber ins Gesundheitswesen zu investieren. Die Zahl war falsch, aber die Lüge brachte Stimmen.

Cummings gilt daher als skrupelloser Architekt des Sieges, als Gehirn der Kampagne. Vorher hatte der Berater lange für den konservativen Politiker und jetzigen Minister Michael Gove gearbeitet. Zur Jahrtausendwende war er Chef der Kampagne gegen die Einführung des Euro.

Die anderen sind nie so clever wie er

In einem britischen Fernsehfilm über das EU-Referendum wird der Oxford-Absolvent von Benedict Cumberbatch gespielt; der Sherlock-Darsteller präsentiert Cummings als genialen Einzelgänger, der auf Regeln und Umgangsformen pfeift und deswegen ständig aneckt. Tatsächlich wollten Bernard Jenkin und Bill Cash, zwei altgediente EU-Gegner aus der konservativen Fraktion, den Kampagnenchef feuern, weil ihnen seine Ideen und sein Führungsstil zu unkonventionell waren. Cummings sagt über solche Veteranen, sie seien «zu sehr damit beschäftigt, auf Jagdpartien zu gehen, skizufahren oder Mädchen hinterherzulaufen, um wirkliche Arbeit tun zu können». Den früheren Brexit-Minister David Davis nannte er «dumm wie Brot und faul wie eine Kröte».

Cummings gibt Politikern und hohen Staatsdienern gerne zu verstehen, dass er sie für deutlich weniger clever als sich selbst hält. Sich Kritik – am besten öffentliche – zu verbeissen, liegt ihm eher fern. Viele in Westminster sehen seine Berufung deshalb als grosses Risiko an; der Berater könnte innerhalb der Regierung Gräben aufreissen.

Umstritten ist die Ernennung auch, weil Cummings sich im vorigen Jahr weigerte, vor einem Parlamentsausschuss zu erscheinen. Das Gremium beschäftigte sich mit Fake News, gezielten Falschmeldungen, in Wahlkämpfen und wollte den Berater zur Brexit-Kampagne befragen. Das Unterhaus befand, dass sich Cummings der Missachtung des Parlaments schuldig gemacht hat. Dieses Urteil hat allerdings keine Folgen – und stand seinem Aufstieg nicht im Weg.