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Lockdown in England
Johnson vollzieht dramatische Kehrtwende

«Bleiben Sie zu Hause, schützen Sie das Gesundheitssystem, retten Sie Leben»: Boris Johnson appelliert an seine Landsleute.
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Nachdem er sich wochenlang gegen einen zweiten nationalen Lockdown sträubte, hat der britische Premierminister Boris Johnson jetzt in aller Eile entsprechende Massnahmen angeordnet. Von Donnerstag an kommt das «normale» Leben in England wieder zum Erliegen – mindestens einen Monat lang, möglicherweise aber auch länger.

Im ganzen Land soll sich die Bevölkerung erneut in ihre Häuser und Wohnungen zurückziehen. Hausbesuche sind nicht länger gestattet und Kontakte im Freien nur in geringem Umfang möglich. Geschäfte, die keine Nahrungsmittel oder Medikamente verkaufen, müssen wie im März dieses Jahres wieder schliessen. Den Betrieb einstellen müssen auch Restaurants, Pubs und praktisch alle Unterhaltungsstätten. Geöffnet bleiben sollen, gegen vehemente Proteste der Lehrergewerkschaften, sämtliche Schulen und Universitäten.

Mit der Ankündigung dieses neuen nationalen Lockdown hat die britische Regierung eine dramatische Kehrtwendung vollzogen. Bisher hatte sich Premier Johnson auf ein kompliziertes System lokaler und regionaler Einschränkungen beschränken wollen.

Hochrechnung warnte vor 85’000 neuen Corona-Opfern

Noch vor zehn Tagen hatte er die Idee eines zweiten landesweiten Lockdown als «Gipfel der Absurdität» bezeichnet, der dazu führen würde, «dass die Lichter ausgehen» im Lande. Zuvor hatte er schon die «katastrophalen» finanziellen Folgen eines neuen Lockdown beschworen und erklärt, seine Regierung werde «alles tun, was in unserer Macht liegt, um ihn zu verhindern».

Selbst einen zweiwöchigen «Wellenbrecher» – einen Mini-Lockdown – lehnte Johnson ab. Den hatten seine medizinischen und wissenschaftlichen Berater bereits am 21. September gefordert. An jenem Tag betrug die Zahl der Corona-Patienten in britischen Spitälern noch 1080 und die der zuletzt verstorbenen Corona-Opfer 11. Mittlerweile ist die Zahl der Patienten auf über 10’000 gestiegen. Zugleich sind landesweit am Samstag 326 Tote binnen 24 Stunden gemeldet worden.

Der erneute Lockdown macht ihre Lage noch schwieriger: Demonstranten aus Unterhaltung und Kunst in London.

Schon im September hatten Experten erklärt, dass ohne drastische Eingriffe in diesem Herbst den Winter über jeden Tag Tausende sterben könnten. Eine Hochrechnung sprach von 85’000 neuen Corona-Opfern – zusätzlich zu den mehr als 60’000, die Grossbritannien laut Statistischem Amt dieses Jahr schon zu beklagen hatte.

In den letzten Tagen warnten Regierungsberater den Premier immer eindringlicher, dass die Welle der Neuinfektionen die bisherigen Voraussagen sogar noch übertreffen und das britische Gesundheitswesen Anfang Dezember «völlig überwältigen» würde. Sir Patrick Vallance, der wissenschaftliche Chefberater Johnsons, sprach davon, dass die aktuellen Daten «ein äusserst düsteres Bild» ergäben. Die Zahl der Toten in diesem Winter könne nun «doppelt so hoch liegen wie bei der ersten Welle», «oder sogar noch höher».

«Früherer Lockdown wäre besser gewesen»

Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, wie schon im März auch diesmal wieder zu lange gezögert zu haben. «Ein früherer Lockdown wäre besser gewesen für die Gesundheit unserer Bürger, auch für unser Gesundheitswesen und für die Wirtschaft», sagte am Sonntag Oppositionsführer Sir Keir Starmer, der Vorsitzende der Labour Party. Abgeordnete des rechten Tory-Flügels finden dagegen, Johnson habe sich dem Verlangen einzelner übernervöser Akademiker «gebeugt» und riskiere gewaltige ökonomische Einbrüche.

Die Tory-Politiker wollen am Mittwoch im Unterhaus gegen die neuen Restriktionen stimmen. Unterdessen räumte mit Michael Gove einer der wichtigsten Minister Johnsons ein, dass der vierwöchige Lockdown, der am 2. Dezember enden soll, notfalls auch auch verlängert werden könnte. Regierungsberater haben bereits von sechs statt vier Wochen gesprochen und von einer eventuell notwendig werdenden Schliessung der Schulen.