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Bündnis mit SPD und Grünen
Jetzt will auch die Linkspartei mitregieren

Die Spitzenkandidaten der Linkspartei für die Bundestagswahl: Janine Wissler gilt als Gegnerin eines Bündnisses mit SPD und Grünen auf Bundesebene, Dietmar Bartsch als Befürworter.
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Wenn die Linken mal ihren Charme einsetzen, dann aber richtig. Für Sozialdemokraten und Grüne gebe es nach dieser Wahl gar keine bessere Partnerin als die Linkspartei, tönt deren Spitze, seitdem sich in den Umfragen ein Sieg der SPD abzeichnet. Nur mit der Linken sei ein echter «Politikwechsel» möglich. Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow, die bereits 2014 in Thüringen ein Linksbündnis geformt hat, spricht von einer «historischen Chance», die man jetzt nur noch ergreifen müsse.

Ziehe die SPD ein Bündnis mit Grünen und FDP vor, sagen andere Spitzenleute, wäre das «Wahlbetrug mit Ansage». Wer mit FDP-Chef Christian Lindner zusammengehe, könne höhere Mindestlöhne, Arbeitslosengelder, Renten und Steuern für Reiche gleich vergessen. Mit der Linken hingegen könnte man sich schnell darauf einigen.

Schon nach den Wahlen 2005 und 2013 hatten Bündnisse von Sozialdemokraten, Grünen und Linken im Bundestag rechnerische Mehrheiten. Die SPD zog aber stets Koalitionen unter der Christdemokratin Angela Merkel vor, statt ihre eigenen Anführer von der Linken zu Kanzlern wählen zu lassen.

Das Kalkül der linken Charmeoffensive ist unschwer zu verstehen. Die Linkspartei ist im letzten Jahr in den Umfragen immer tiefer gesunken, zuletzt bedrohlich nahe an die 5-Prozent-Grenze. Weder mit ihren Themen noch mit ihren Personen drang sie noch durch. Nun, da ein Linksbündnis arithmetisch auf einmal möglich scheint, wird es auch diskutiert – und rückt die Partei in jenes Rampenlicht, das ihr vorher gefehlt hat.

Die Kanzlerkandidaten von Sozialdemokraten und Grünen, Olaf Scholz und Annalena Baerbock, reagierten auf die Avancen bisher ausgesprochen skeptisch, schlossen ein Bündnis aber auch nicht kategorisch aus. Scholz stellte Bedingungen: Um nach der Wahl ins Gespräch zu kommen, müsse sich die Linke klar zur Nato und zum Bündnis mit den USA bekennen, zudem zu einem starken, souveränen Europa. Baerbock sprach aus, was die Erwartungen bedeuten: «Wenn man aussenpolitische Handlungsfähigkeit einer Regierung nicht sicherstellen kann, gibt es keine Regierungsgrundlage.»

Aussen- und Sicherheitspolitik sind das Problem

Die wichtigsten Hindernisse für eine Koalition auf Bundesebene bestehen tatsächlich in der Aussen- und der Sicherheitspolitik – die Vergangenheit des östlichen Teils der Partei als Nachfolgerin der DDR-Einheitspartei SED spielt 30 Jahren nach deren Untergang im Vergleich dazu nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Linkspartei will das westliche Verteidigungsbündnis Nato abschaffen und dafür freundlichere Beziehungen zu Russland. Die EU sehen viele äusserst kritisch, nämlich als Hort neoliberaler Technokraten und Konzernlobbyisten. Als «Friedenspartei» verlangt die Linke nicht nur ein Verbot aller Rüstungsexporte und ein Ende aller Auslandeinsätze der Bundeswehr, sondern will auch deren Ausgaben stark schrumpfen. Als der Bundestag zuletzt den militärischen Rettungseinsatz in Afghanistan guthiess, stimmten 7 Linke dagegen, 43 enthielten sich, nur 5 stimmten zu.

Aus der Sicht von SPD und Grünen bricht die Linke mit der traditionellen Westbindung Deutschlands. Ihre Politik hält man für unvereinbar mit der europapolitischen und der sicherheitspolitischen Zukunft des Landes.

Die Spitze der Linkspartei, die jetzt so heftig um ein Bündnis wirbt, kennt die Hürden natürlich und deutet deswegen Kompromisse an. In einem achtseitigen Sofortprogramm, das als Bewerbungsschreiben dient, kommt die Nato zum Beispiel gar nicht vor. Der unter Linken als pragmatisch erachtete Spitzenkandidat Dietmar Bartsch skizziert zudem mögliche Zugeständnisse, was Auslandeinsätze und Rüstungslieferungen angeht. Man müsse diese ja nicht sofort beenden.

Ein «Bekenntnis» zur Nato schliesst freilich auch Bartsch aus, man sei doch nicht in der Kirche. Und die marxistische Co-Chefin Janine Wissler beantwortete kürzlich in einer TV-Debatte die Frage, ob sie die Nato immer noch abschaffen wolle, lächelnd mit gerecktem Daumen.

Dass Scholz und Baerbock ein Zusammengehen mit der Linken gleichwohl nicht schon vor der Wahl ausschliessen, hat vor allem strategische Gründe: Beide brauchen ein mögliches Linksbündnis als Drohkulisse für einen möglichen Koalitionspartner wie die FDP. Und beide Anwärter, die in ihren Parteien deutlich rechts der Mitte stehen, nehmen kurz vor der Wahl Rücksicht auf die Linken in den eigenen Reihen, die eine rot-grün-rote Koalition allemal lieber sähen als eine mit FDP oder Union.