Krach um Ski-TerrassenJetzt streiten sich Bergbeizen mit dem eigenen Kanton
Heute sind auch die rebellischen Innerschweizer im Streit um die Ski-Terrassen eingeknickt. Herrscht nun Frieden? Nicht in Graubünden: Dort legen sich die Bergbahnen jetzt mit den eigenen Behörden an.
Die letzten sechs Kantone, die bislang die Terrassen in ihren Skigebieten offen hielten, haben dem Druck des Bundes nachgegeben: Ob-, Nidwalden, Schwyz, Glarus und Tessin schliessen die Aussenbereiche ihrer Pistenrestaurants ab Sonntag, Uri ab schon Freitagabend.
Graubünden hatte seinen Widerstand schon zwei Tage zuvor aufgegeben. Zähneknirschend. «Skitouristen werden nun wieder unkontrolliert im Schnee sitzen statt kontrolliert an Tischen», sagte Regierungsrat Peter Peyer (SP) . Heute Vormittag ging der konkrete Räumungsbefehl von den Juristen aus der Kantonsverwaltung an die betroffenen Bergbahnen raus: Ab heute Freitagabend dürfen keine Sitzgelegenheiten und Tische zur Konsumation von Take-Away-Angeboten in den Aussenbereichen von Restaurants (Terrassen) in Skigebieten mehr angeboten werden. «Die Gemeinden und die Kantonspolizei sind für die Kontrollen zur Einhaltung dieser Regelung zuständig.»
«Unverhältnismässig und nicht umsetzbar»
Doch die Bergbahnen denken nicht daran, die Terrassen fristgerecht zu räumen. Sie haben sich ausgetauscht und leisten nun – wie zuvor die eigenen Regierungen – Widerstand. In einer E-Mail, die der Redaktion vorliegt, schreibt Marcus Gschwend, Geschäftsführer des Branchenverbands: «Der von der Bündner Regierung geforderte Schliessungszeitpunkt der Terrassen ist unverhältnismässig und für die Bünder Bergbahnunternehmen nicht umsetzbar.» Das sei frühestens am Montag möglich.
Für die Bergbahnen gibt es vor allem ein Argument, weshalb sie nicht fristgerecht räumen wollen: die aktuelle Hochsaison. Weil fürs Wochenende schönes Wetter angesagt sei, beanspruche die Bewältigung der Touristenströme sämtliche Ressourcen. Für die Skigebiete geniesst die Umsetzung der Schutzkonzepte – Abstand halten und Maskenpflicht – «höhere Priorität als der Um- und Abbau von Terrassen».
Und überhaupt: «Was in zwei Monaten aufgebaut wurde, lässt sich nicht in 1 ½ Tagen mitten in der Hochsaison um-/abbauen respektive reorganisieren.» Und sie fügen noch an, dass sich die epidemiologische Situation kaum verschlechtere, wenn man die Prioritäten so und nicht anders setze. Wie die Behörden auf diese innerkantonale Befehlsverweigerung reagieren, ist noch unklar.
Berset blieb hart
Zuvor hatten die anderen Kantone, die sich bisher einer Schliessung verweigerten, am Donnerstagabend noch einmal das Gespräch mit Gesundheitsminister Alain Berset gesucht. Dieses habe nicht die gewünschte Wirkung gezeigt, hielt das Nidwaldner Gesundheitsamt am Freitag in einer Mitteilung fest. (Lesen Sie dazu unseren Artikel: Jetzt wird der Streit um Ski-Terrassen im Bundesrat zur Chefsache).
Die Kantonsregierungen machten für ihren koordinierten Entscheid «rein staatspolitische Gründe» geltend. Bei der Urner Staatskanzlei hiess es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, man erachte die Schliessung zwar als epidemiologisch kontraproduktiv, befolge aber die Vorgaben des Bundes.
Terrassen nicht besser
Vor den Medien verteidigte Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle im Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Politik des Bundesrates. Und sie widersprach den Behauptungen der Kantonsvertreter und von Terrassenbetreibern, wonach diese kontrollierten Ansammlungen in Skigebieten weniger gefährlich seien als spontane Runden.
Im Gegenteil: Das Risiko einer Ansteckung sei auf Terrassen höher, weil die Menschen näher beieinander seien und sich mehr bewegten. Ausserdem sei es auch eine Frage der Fairness gegenüber anderen Restaurants, die ihre Terrassen nicht öffnen dürfen. «Deshalb sollen alle Terrassen geschlossen bleiben», sagte Masserey.
Einsiedeln kein Beispiel
Auch die Tatsache, dass zum Beispiel im schwyzerischen Einsiedeln nach der «illegalen Fasnacht» nur sieben positive Coronafälle gezählt wurden, lassen die Experten nicht als Argument für die Zulassung grösserer Anlässen im Freien gelten. Das Risiko einer Übertragung sei generell höher, wenn viele Menschen zusammenkämen, die sich sonst nicht treffen würden, sagte Taskforce-Präsident Martin Ackermann.
Und nur weil der Anlass keine höheren Ansteckungszahlen zur Folge gehabt habe, heisse das nicht, dass solche Veranstaltungen generell ungefährlich seien, ergänzte Masserey. Deshalb bleibe der Bund bei seiner Bestimmung von maximal 15 Personen im Freien.
Stabil, aber fragil
Laut Masserey bleibt die epidemiologische Lage in der Schweiz weiterhin «stabil aber fragil». Am Freitag wurden dem BAG innerhalb von 24 Stunden 1065 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet. Das sind rund vier Prozent mehr als vor Wochenfrist. Und der 7-Tage-Schnitt blieb im Vergleich zur Vorwoche praktisch unverändert.
Dass sich Situation nicht verbessere, habe insbesondere mit den mutierten Virusvarianten zu tun. Die entdeckten Fälle legten innerhalb einer Woche erneut um rund 30 Prozent zu. «Bald sind 60 Prozent der neu angesteckten Personen mit einer mutierten, ansteckenderen Variante infiziert», sagte Masserey.
Massnahmen wirken
Wenigstens hat sich die britische Variante seit Anfang Februar gemäss Ackermann etwas weniger schnell ausgebreitet als erwartet. Dies deute darauf hin, dass die Pandemie dank der ergriffenen Massnahmen positiv beeinflusst worden sei.
pak/SDA
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