Nach DopingverdachtMathias Flückiger musste gar betreut werden
Der Mountainbiker wurde provisorisch gesperrt, mittlerweile darf er wieder fahren. Doch der Fall hinterlässt tiefe Spuren. Der Ticker zum ersten öffentlichen Auftritt.
Das wars
Die Medienkonferenz mit Mountainbiker Mathias Flückiger, Anwalt Thilo Pachmann und Dopingexperte Matthias Kamber ist zu Ende. Herzlichen Dank fürs Mitlesen!
Gibts von Flückiger eine Klage?
Wird Flückiger wegen der entgangenen Einnahmen gegen die Schweizer Dopingbehörde Swiss Sport Integrity klagen? Sein Anwalt Thilo Pachmann sagt, zuerst müsste nun einmal das laufende Verfahren zu ihren Gunsten abgeschlossen werden. Und danach müsse Flückiger entscheiden, ob er die wirtschaftlichen Verluste einklagen wolle. Jeder Prozess sei immer auch ein Risiko – und nicht zuletzt auch finanziell aufwändig.
Kein Geld für Flückiger
Seit der ausgesprochenen Sperre hat Flückiger keine Einkünfte mehr. Die Sponsoren seien zwar loyal zu ihm und niemand sei abgesprungen, erzählt Flückiger, Geldzahlungen seien aber zuletzt ausgeblieben.«Die Sponsoren sagen: Vieles ist nicht klar, wir müssen abwarten.» Entsprechend habe er in den vergangenen Monaten von finanziellen Reserven zehren müssen – und er tue das noch immer.
Die Rolle des Verbandes
Wie sieht das Team Flückiger die Rolle des Verbandes?
Anwalt Pachmann sagt, Swiss Cycling dürfe laut Statuten nicht kommunizieren, bevor es Swiss Sport Integrity tue. «Dagegen hat der Verband verstossen.» Ob nun gegen Swiss Cycling vorgegangen werde, müsse Flückiger selbst entscheiden.
Kamber ergänzt: «In diesem Fall habe ich das Gefühl, dass die Spielregeln nie zugunsten des Athleten ausgelegt wurden. Das finde ich schwach.»
Flückiger wurde betreut
Nach dem Urteil sei er nicht zu Hause gewesen, sondern an «einem sicheren Ort», wie es Flückiger nennt. «Ich war von der Umwelt abgeschirmt, konnte mich erholen und wurde betreut.»
4 Wochen kein Handy
Woher kam die Angst vor den Reaktionen?
Flückiger sagt: «Ich habe natürlich monatelang keine Medien konsumiert. Aber schon nur die Vorstellung, dass ich vorverurteilt werde, war schlimm für mich. Ich hatte das Erlebnis in der Lenzerheide, dort gab es schon eine riesige Verurteilung.» Damals war er mit Nino Schurter wegen eines Gerangels im Rennen aneinandergeraten. «Das mit dem Dopingurteil war ja noch grösser», sagt Flückiger. «Doping ist verpönt, zum Glück auch. Mit der Vorstellung umgehen zu müssen, was über mich gesagt wird, war sehr schwierig. Ich habe Hunderte Nachrichten bekommen, wobei es darunter zwei Nachrichten gab, die mich infrage stellten. Die anderen, die schrieben, spürten, dass etwas komisch sein muss. Ich hatte auch Angst, was via Handy reinkommt, vier Wochen liess ich es daher ausgeschaltet, irgendwann hatte ich den Mut, es einzustellen.»
Kamber stellt noch einmal klar
Dopingexperte Kamber bemerkt ausserdem, es werde schwer sein, ein wissenschaftlich klar gestütztes Urteil zu fällen, weil es zu Zeranol keine Untersuchungen gebe und so entscheidende Daten fehlten. Er sagt aber: «Mit meinem Wissen und mit meiner jahrelangen Erfahrung schliesse ich einen Dopingfall aus.»
Fleisch, Käse, Milch? Keiner weiss es
Auch Kamber meldet sich nochmals zu Wort. Der Fall sei zu vergleichen mit einer Kontamination durch Medikamente. Nur könne man bei Medikamenten Schritt für Schritt nachweisen, woher die Verunreinigung komme oder wie die Wirkung sei. In diesem Fall aber, mit einem Lebensmittel, gebe es keine Rückstellungsmuster, man wisse auch nicht, woher es genau komme, insofern sei der Fall nicht glasklar. «Ein Athlet kann nicht einfach auf Fleisch, Milch oder Käse verzichten, weil man schlicht nicht weiss, woher die geringe Menge der verbotenen Substanz kam», sagt Kamber.
Fragen aus der Runde
Jetzt können die anwesenden Journalisten Fragen stellen. Als Erstes wird gefragt, ob der Fall wirklich so glasklar sei, wie er nun von der Seite Flückiger dargestellt werde.
Anwalt Thilo Pachmann sagt, glasklar sei aus seiner Sicht, dass Swiss Sport Integrity (SSI) nicht alle Punkte der Welt-Anti-Doping-Agentur eingehalten habe. Und das widerspreche dem Reglement, auch wenn SSI etwas anderes behaupte. Die Disziplinarkommission habe das ja bestätigt.
«Eine Narbe erinnert auch an etwas»
Flückiger will «fast mehr als früher» die Freude geniessen, wenn er nun wieder Rennen fährt. Er will aber vor allem eines: «Mein oberstes Ziel ist es, und da habe ich mittlerweile sehr viel Hoffnung und Zuversicht, dass diese Geschichte abgeschlossen werden kann, dass ich diese Geschichte hinter mir lassen kann.» Er will aber nicht, dass sein Fall abgeschlossen wird und dann vergessen geht. «Die Geschichte ist Teil von mir, sie hat Narben hinterlassen. Eine Narbe aber erinnert auch an etwas. Und Erinnerungen und Erfahrungen sind im Leben sehr, sehr wichtig.»
Warm empfangen in der Szene
Während des Trainingslagers mit dem Team habe er sich dafür entschieden, am vergangenen Sonntag im spanischen Banyoles zu starten. «Plötzlich spürte ich: Es ist Zeit, ich will nicht bis Gränichen warten.» Im aargauischen Gränichen wird in zwei Wochen im Swiss Bike Cup gefahren. Es sei eine Herausforderung gewesen, in die Szene zurückzukehren, berichtet Flückiger. «All die Fahrer zu sehen und die Strecke, war super. Ich hatte davor Angst. Doch ich wurde sehr warm und herzlich empfangen. Viele haben mir auf die Schultern geklopft und mich nett begrüsst. Das tat mir sehr gut und gab mir die Kraft, an die Startlinie zu stehen. Für mich persönlich war das schon ein grosser Erfolg – ganz abgesehen vom Resultat.» Flückiger wurde im gut besetzten Rennen Sechster. Er hoffe, dass er das Velofahren wieder geniessen und unbeschwert in die Zukunft schauen könne, sagt Flückiger noch.
Der aktuelle Stand
Flückiger sei nun befragt worden vor drei Wochen, sagt Anwalt Pachmann, was längst hätte geschehen sollen gemäss Statuten der Internationalen Anti-Doping-Agentur. Doch man warte noch auf die nächsten Schritte von Swiss Sport Integrity, der Schweizer Anti-Doping-Agentur.
Flückiger: «Das kann jedem passieren»
Flückiger erinnert sich jetzt noch einmal zurück an die erste Zeit nach der Probe. «Was ich durchmachen musste, wünsche ich niemandem. So verurteilt zu werden… Das kann jedem Sportler passieren, der getestet wird. Es darf aber nicht passieren. Deshalb auch ist es für mich so wichtig, die Ursache zu kennen.»
Woher kommt die positive Probe?
Sowohl für Kamber wie auch für Flückiger ist eine Frage ganz wichtig, aber weiterhin ungeklärt: Wie kam das Resultat der Probe zustande? Flückiger sagt: «Ich möchte wissen, was die positive Probe ausgelöst hat. Ich möchte das auch für die Zukunft wissen. Ich will weiterhin Rad fahren und Dopingproben abgeben, ich möchte dem System vertrauen.»
Die Aufhebung der Sperre
Jetzt redet wieder Flückiger, dieses Mal geht es um die vorerstige Aufhebung der Sperre im Dezember: «Das war ein sehr wichtiger Tag. Wir hatten Fakten, die für uns zuvor schon sonnenklar waren, aber es war doch eine Angst da, dass gegen mich entschieden werden könnte. Ich war mit meiner Partnerin damals am Wandern in Disentis, es war ein Samstagnachmittag, da wurde mir die Aufhebung der Sperre mitgeteilt. Das war eine riesige Erleichterung. Es war einer der besten Momente in den letzten sechs Monaten, auch weil diese Nachricht nach aussen getragen wurde. Viele Leute, auch solche, die mich nicht kennen, wussten, da stimmt etwas nicht. Aber nun hatten wir erstmals die Gewissheit, dass wirklich etwas nicht richtig gelaufen ist. Das war ein sehr guter Tag.»
Wieso engagiert sich Kamber?
Kamber war früher lange erster Schweizer Dopingjäger. Nun erzählt er, wieso er sich im Fall Flückiger derart für den Mountainbiker engagiert. Er wolle keine möglichen Doper vertreten, sagt er, aber er wolle Sportler schützen, die schuldlos eine positive Probe gegeben hätten. Und im Fall Flückiger gebe es für ihn genügend Anhaltspunkte, die für Flückigers Unschuld sprächen. Kamber sagt, er habe bei seinen Abklärungen mit allen möglichen Spezialisten gesprochen, eine Dopingvergehen aber nicht feststellen können. Er sagt zu seiner Arbeit: «Wir mussten zeigen: Das ist kein Dopingfall. Hier wurde ein Unschuldiger verurteilt.»
Mögliche Ursachen
Kamber erklärt, in einem solchen Fall mit dermassen geringen Mengen müsse man schauen, ob es überhaupt Doping sein könne. So hätte es etwa sein können, dass Flückiger über längere Zeit grössere Mengen Zeranol zu sich genommen habe – und diese habe sich kontinuierlich abgebaut. Das könne wegen der negativen Tests davor und danach aber ausgeschlossen werden. Zudem sei auch gleich eine Haarprobe gemacht worden, die negativ gewesen sei. Also habe ein Dopingfall ausgeschlossen werden können und sei es nur noch um eine mögliche Kontaminierung gegangen. In der Rinder- und Schafzucht werde Zeranol eingesetzt, nicht in der Schweiz oder Mitteleuropa, wohl aber in Brasilien oder Ungarn – und Flückiger habe von diesem Fleisch gegessen. «Das haben wir der Disziplinarkommission vorgetragen» – zwei Monate später wurde die Sperre aufgehoben.
Dank an den Bruder
Mathias Flückiger rief schon im Bus von Swiss Cycling an diesem 18. August Lukas Flückiger an, seinen Bruder und einstiger Mountainbiker. Dieser habe ein Team zusammengestellt, das den Fall für ihn aufgearbeitet habe. Er sei ihm sehr dankbar dafür, sagt Mathias Flückiger.
Gedanken ans Comeback
Im November dann, als er realisierte, dass er Chancen haben könnte, seinen Fall zu gewinnen, befasste er sich konkreter mit einem Comeback als Profi. «Es kam die Hoffnung zurück, dass der Fall gut kommt. Es war ein Traum, dass ich zurückkehre.»
Die zaghafte Rückkehr auf das Bike
Jetzt geht es um seine Rückkehr als Profi-Mountainbiker: «Als ich erstmals wieder auf das Mountainbike stieg, waren in etwa vier Wochen vergangen. In den Wochen davor war ich oft im Wald, irgendwann kam das Gefühl auf, dass ich auch wieder fahren will. Aber ich hatte viel Mühe und auch Angst, wieder auf das Bike zu steigen. Ich wusste zwar, dass ich es gerne mache, aber ich hatte so dermassen Angst davor, dass ich es gar nicht mehr tun will. Als ich dann zusammen mit einem guten Freund fuhr, war das Gefühl zum Glück wieder da, die Kurven zu fahren, über Sprünge zu hüpfen, das gab mir in einer Form auch wieder das Leben zurück. Aber der Gedanke an Rennsport oder Spitzensport war für mich damals wie ein Stich ins Herz. Für mich war klar, dass ich nie mehr an einer Startlinie stehen werde, weil dieser 18. August dermassen schmerzvoll war für mich.»
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