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Völkermord in der Ukraine
Jetzt muss sich die Schweiz zu den Millionen Toten äussern

Sich an die Opfer erinnern: Ukrainerinnen und Ukrainer legen in Kiew Blumen bei einer Gedenkstätte für den Holodomor nieder. (26. November 2022)
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Die Erinnerung an Millionen Tote wird wieder unterdrückt. Russland versucht, in den besetzten Gebieten die Zeit zurückzudrehen. Den Holodomor, die von Stalin verursachte Hungersnot in der Ukraine zwischen 1932 und 1933, leugnet der Kreml heute wie zur Zeit der Sowjetunion. Drei Jahrzehnte Aufarbeitung und Forschung seit der Unabhängigkeit der Ukraine möchte er ungeschehen machen. Beispielhaft zeigte sich das vor einigen Wochen, als die Besatzer in der Stadt Mariupol vor laufenden Kameras ein Denkmal für die Opfer von damals zerstörten.

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Natalie Imboden, Nationalrätin der Grünen, will dagegen die Erinnerung stärken. Sie hat am Donnerstag ein Postulat eingereicht, das vom Nationalrat «die Anerkennung des Holodomors in der Ukraine als Völkermord» verlangt. Es wurde mitunterzeichnet von Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Fraktionen. Bis heute seien die Verbrechen vor 90 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt, sagt Historikerin Imboden. Eine offizielle Anerkennung durch die Schweiz könne auch zu einem besseren Verständnis für die heutige Ukraine beitragen.

Verhungernde Bauern auf einer Strasse in Charkiv, 1933.

Der Holodomor (eine Wortkombination von Hunger und Sterben) ist mit rund vier Millionen Toten ein nationales Trauma in der Ukraine. Es prägt das Land und seine Beziehung zu Russland bis heute. Auch weil die Ukrainerinnen und Ukrainer nach dieser Schreckenszeit während sechs Jahrzehnten nicht offen über das Vorgefallene sprechen konnten. Betroffen waren nicht nur ländliche Gebiete. In den Städten wurden zeitgleich Tausende Mitglieder der ukrainischen Elite deportiert oder umgebracht. Damit sollte verhindert werden, dass in der Ukraine jemals wieder eine nationale Identität entsteht.

Wie vor 20 Jahren beim Völkermord an den Armeniern

Inspiriert wurde Imbodens Vorstoss vom deutschen Parlament. Der Bundestag hat vergangene Woche in einer Erklärung den Holodomor ebenfalls als Völkermord anerkannt. Zuvor hatte dies bereits ein gutes Dutzend weiterer Staaten getan.

Der Holodomor soll in der Schweiz auf dem gleichen Weg als Völkermord anerkannt werden wie die Massaker und Massendeportationen von Armenierinnen und Armeniern von 1915 im Osmanischen Reich. 2002 wurde dafür im Nationalrat ebenfalls ein Postulat eingereicht. Auch beim Text ihres Vorstosses hat sich Imboden stark am damaligen Postulat orientiert.

Die Parlamentsregeln für Postulate sehen vor, dass der Bundesrat bis zum Beginn der nächsten Session mitteilt, ob er den Vorstoss annimmt oder ablehnt. Also bis Ende Februar oder ziemlich genau ein Jahr nach dem Start des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Sowohl ein Nein als auch ein Ja der Schweizer Regierung dürften dann international hohe Wellen schlagen.

Im Fall Armeniens lehnte der Bundesrat das Postulat ab. Auch um die Beziehung zur Türkei nicht zu gefährden, wo der Völkermord bis heute geleugnet wird. Der Nationalrat nahm es später trotzdem klar an.