Schon dreimal ohne GegentorJetzt haben sie ihr Schicksal wieder in den eigenen Füssen
Mit ihrer Spielfreude gegen Nordirland bringen die Schweizer Fussballer die Zuschauer hinter sich und sind nach dem 2:0-Sieg erleichtert bis in die letzte Faser.
Gelegentlich ist die Aufarbeitung eines Spiels einfach. «2:0 gewonnen», sagt Murat Yakin, «alle happy, alle glücklich.» Und das gilt auch für ihn, der nun seit vier Spielen Trainer der Nationalmannschaft ist und erst noch ein weiterhin ungeschlagener.
Mit einem 2:0 setzt sich die Schweiz am Samstagabend in Genf gegen Nordirland durch und tritt am Dienstag in Litauen mit dem Wissen an, sich in der WM-Qualifikation den 2. Platz und die Teilnahme an den Playoffs im Frühjahr sichern zu können. Das erste Klassenziel wäre damit einmal erreicht, und das ist auch das minimale Klassenziel für eine Mannschaft, die an den vergangenen vier Turnieren dreimal im Achtelfinal und einmal im Viertelfinal stand.
Der Sieg gegen Litauen bedeutet aber auch, dass die Schweizer wieder selbstbestimmt unterwegs sind und sogar den 1. Platz und damit die direkte Qualifikation für Katar 2022 aus eigener Kraft erreichen können. Bis es so weit ist, bleibt trotzdem noch einiges an Arbeit zu erledigen, und diese Arbeit verlangt drei Punkte in Vilnius, einen Sieg Mitte November in Rom gegen Europameister Italien und ein letztes positives Ergebnis zum Abschluss gegen Bulgarien.
«Wir sind ein Topteam, und ein Topteam muss dieses Spiel gewinnen», hat Xherdan Shaqiri am Vorabend der Aufgabe gegen Nordirland gesagt. So tönt es, wenn einer von sich und der Mannschaft überzeugt ist. So könnte er es auch für den Abstecher nach Litauen wiederholen. Der Gegner ist nicht als Grösse bekannt im Weltfussball, derzeit nur die Nummer 137 der Fifa-Rangliste.
Immerhin hat er am Samstag Bulgarien 3:1 besiegt und so eine Serie von neun Spielen mit neun Niederlagen und 2:25 Toren beendet. Zudem kann er auf dem Kunstrasen antreten, auf dem sich die Schweizer im Juni vor sechs Jahren schwertaten, als sie in Rückstand gerieten und erst durch einen späten Exploit von Shaqiri noch 2:1 gewinnen konnten.
Den Schlüssel gefunden
Am Dienstag sind die Schweizer wieder der klare Favorit, und wieder dürfte ihnen ein tief stehendes Team gegenüberstehen. Gegen Nordirland haben sie allerdings gezeigt, wie einem solchen Team beizukommen ist: mit Disziplin und besonders mit ganz viel Spielfreude. Das sind die Schlüssel zu den drei Punkten, gefunden von Yakin in der Analyse nach der blutarmen Darbietung Anfang September in Belfast.
Die ganze letzte Woche über legte er im Training den Fokus auf das Offensivspiel. Dabei kommt ihm entgegen, dass Shaqiri wieder dabei ist, «ein Shaqiri in Topverfassung», sagt er. Der Captain zeigt am Tag vor seinem 30. Geburtstag, wie gut ihm der Wechsel von Liverpool nach Lyon getan hat, er sprüht vor Lust und Freude. Zum kleinen Glück fehlt ihm nur ein Tor, das ihm trotz zwei guten Gelegenheiten versagt bleibt.
Yakin hilft auch, dass Breel Embolo zurück ist. Embolo ist in bester Form zur Nationalmannschaft gekommen, stimuliert durch einen grossen Auftritt jüngst mit Mönchengladbach in Wolfsburg. Ihm gelingt gegen Nordirland nicht gleich alles, sonst hätte er mindestens zwei Treffer erzielt. Aber was er an Arbeit leistet und an Metern zurücklegt, wie er die Rolle als Mittelstürmer weniger statisch interpretiert als Haris Seferovic, die übliche Nummer 9, und unnachgiebig den Bällen nachsetzt, das trägt ihm ein Sonderlob von Yakin ein. Der Coach bescheinigt ihm, «absolut überragend» gewesen zu sein.
In Embolos Statistik tauchen die beiden Vorlagen zu den Toren auf. Beim 1:0 bedient er Steven Zuber, beim 2:0 Christian Fassnacht. Zuber trifft in der dritten Minute der Nachspielzeit der ersten Halbzeit, Fassnacht in der 91. Minute. Es ist ein zu langes Warten darauf, bis sich die Schweizer erlösen – angesichts ihrer Überlegenheit, die sich auch in 25:2 Torschüssen ausdrückt. Ihr Manko anfänglich ist, dass sie sich trotz ihres Dauerdrucks schwertun, in den dicht abgeriegelten nordirischen Strafraum zu kommen. Und das Manko der zweiten Halbzeit ist der schon fast fahrlässige Umgang mit den Chancen.
Yakins kleine Spitze
«Wenn man nur 1:0 führt, kann mal ein Ball frei herumliegen, nach einem Corner oder Einwurf», sagt Yakin. Es ist seine Formulierung dafür, dass selbst gegen einen unterlegenen und erst noch durch einen frühen Platzverweis dezimierten Gast ein einziges Tor die Punkte nicht garantiert. Aber für ihn ist damit der Moment gekommen, um die Arbeit der Defensive zu loben: «Sehr konzentriert, sehr gut», nennt er sie. Yann Sommer ist nur ein einziges Mal gefordert, bei einem Schuss von Washington in der 8. Minute.
Vor dem Spiel war noch ein Thema, dass die Schweiz zuvor zweimal ohne Goal geblieben war. Danach ist das Thema, dass sie dreimal in Folge ohne Gegentor geblieben ist. Er wisse gar nicht, wann es das letztmals gegeben habe, sagt Yakin. Rund vier Jahre ist das jetzt her, als die Schweiz gar viermal in Folge makellos verteidigte – zweimal in der WM-Barrage gegen Nordirland sowie gegen Griechenland und Panama.
Für Yakin ist es ein rundum guter Abend, er bedankt sich bei den Zuschauern für die Unterstützung und vermittelt den Eindruck, als würde bei ihm die Erleichterung über den Sieg und die Art und Weise, wie er zustande gekommen ist, bis in die letzte Faser vordringen. Eine kleine spitze Schlussnote gönnt er sich nach einer entsprechenden Journalistenfrage dann noch: «Ich bin froh, dass man gemerkt hat, ich kann nicht nur defensiv, sondern auch offensiv spielen lassen.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.