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Streit um EU-Vertrag
Jetzt gibt es einen neuen Kandidaten für das Europa-Dossier

Bundesrätin Karin Keller-Sutter bringt Mario Gattiker für ein neues Mandat ins Gespräch.
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Justizministerin Karin Keller-Sutter bringt im EU-Dossier eine neue Figur ins Spiel: Sie beantragt dem Bundesrat, Mario Gattiker ein Mandat zu erteilen – Gattiker, der per Ende Jahr als Staatssekretär für Migration pensioniert wird. Das bestätigen mehrere voneinander unabhängige Quellen in der Bundesverwaltung. Gattiker soll analysieren, wo es sinnvoll wäre, das Schweizer Recht an jenes der EU anzupassen – und welche Anpassungen innenpolitisch eine Chance haben. Ob die Idee im Bundesrat auf Anklang stösst, ist offen.

Gattiker hat sich schon als Staatssekretär für Migration mit Aspekten des Europa-Dossiers befasst. Zwischen 2009 und 2016 leitete er die Delegation der Schweiz im Gemischten Ausschuss zur Umsetzung des Personenfreizügigkeitsabkommens. Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP im Jahr 2014 erhielt er vom Bundesrat den Auftrag, Konsultationsgespräche mit der EU zu führen.

An der Medienkonferenz zu seiner Pensionierung äusserte sich Gattiker am Dienstag zu den damaligen Erfahrungen, den stundenlangen Austauschrunden mit dem Chefdiplomaten des EU-Kommissions-Präsidenten. «Wir versuchten – zunächst ohne Delegationen und nur zu zweit – gemeinsam und auf sehr kreative Weise, die Masseneinwanderungsinitiative und das Freizügigkeitsabkommen in Einklang zu bringen.»

Damals sei er zuversichtlich gewesen, eine Lösung zu finden, sagte Gattiker. Der Brexit habe die Hoffnungen dann aber zunichtegemacht. Zur aktuellen Situation stellte Gattiker fest, die Schweiz und die EU hätten sich in gewissen Bereichen «auseinandergelebt». «Die Differenzen bei der Ausgestaltung der Personenfreizügigkeit seien gross. «Es wird wohl noch seine Zeit brauchen, bis diese Fragen geklärt werden können.»

Keller-Sutters Auftrag

Der Bundesrat führt am Freitag eine Aussprache zum EU-Dossier. Die Basis für Gattikers Aufgabe wäre ein Bericht, den das Justiz- und Polizeidepartement von Bundesrätin Karin Keller-Sutter erstellt hat. Der Bundesrat hatte sie nach dem Abbruch der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen damit beauftragt, zu untersuchen, wo die Schweiz ihr Recht autonom an EU-Recht anpassen könnte.

Im Kontext der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen waren solche Anpassungen – etwa eine kürzere Voranmeldefrist für ausländische Firmen – teilweise deshalb nicht möglich, weil es immer auch um die EU-Forderung nach einer dynamischen Rechtsübernahme und um einen Mechanismus für die Streitbeilegung ging. Ohne diesen Kontext – so die Hoffnung – könnte die Schweiz eher Anpassungen vornehmen, die in beidseitigem Interesse wären.

Aus Sicht anderer Departemente erfüllt der Bericht aus dem Justizdepartement jedoch die Erwartungen nicht, weil er lediglich eine Auslegeordnung der Regulierungsunterschiede enthält – und keine Einschätzung dazu, welche Anpassungen sinnvoll wären. Dass Keller-Sutter diesen Teil nun an Gattiker delegieren will, kommt nicht überall gut an.

Neben dem Bericht liegt dem Bundesrat ein Aussprachepapier von Aussenminister Ignazio Cassis vor. Dieses geht von der Fortsetzung des bisherigen Weges aus: Institutionelle Fragen sollen lediglich punktuell geregelt werden. Auch dieses Papier hat bei anderen Departementen Unmut ausgelöst. Das sei kein Plan, so komme man nicht weiter, heisst es im Umfeld anderer Bundesratsmitglieder.

Die EU ihrerseits verlangt weiterhin das, was sie in den Verhandlungen zum Rahmenabkommen verlangte: einen institutionellen Rahmen. Maros Sefcovic, Cassis’ Ansprechpartner in der EU, machte das nach dem ersten Treffen mit Aussenminister Cassis im November deutlich: Bis Mitte Januar erwarte die EU von der Schweiz eine Roadmap zur Lösung der Schlüsselfragen, sagte er. Cassis stritt ab, dass das beim Treffen so vereinbart worden war.

Strategie bis im Sommer

Unmut herrscht nicht nur in den Departementen, sondern auch im Parlament. Der parteilose Ständerat Thomas Minder sagte diese Woche im Rat, selbst der Aussenpolitischen Kommission sei unklar, wohin die bundesrätliche Reise gehen solle.

Cassis stellte einen Bericht für die erste Hälfte des kommenden Jahres in Aussicht. Der Bundesrat sei bereit, darin seine Strategie darzulegen, sagte er. Die Erwartungen müssten jedoch realistisch bleiben. Es gehe um eine «tiefenpsychologische Frage», die das ganze Land betreffe. Man sei sich in der Schweiz schlicht nicht einig, welches Integrationsniveau man anstreben und welchen Preis man dafür zahlen wolle. Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten stellte Cassis fest: «Eine magische Lösung à la Harry Potter gibt es nicht.»