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Brandanschläge in Ostdeutschland
Jetzt brennen wieder Flüchtlingsheime

Das Reetdach liess sich nicht mehr löschen: Unbekannte haben an der Ostsee bei Wismar ein ehemaliges Hotel in Brand gesteckt, in dem Flüchtlinge aus der Ukraine lebten.
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Wismar, Bautzen, Leipzig: An diesen Orten im deutschen Osten haben in den letzten Wochen Unterkünfte gebrannt, die vor allem von geflüchteten Menschen aus der Ukraine bewohnt wurden oder für diese vorgesehen waren.

In Gross Strömkendorf, einem Flecken auf dem Weg von Wismar auf die Ostseeinsel Poel, brannte kürzlich ein Hotel mit einem prächtigen Reetdach vollständig aus. Seit März wohnten im Schäfer Eck Menschen aus der Ukraine, betreut vom Roten Kreuz. Als das Haus Feuer fing, blieben den 14 Bewohnerinnen und Bewohnern nur wenige Minuten Zeit, sich selbst und ihre Habseligkeiten zu retten.

«Wir dachten, in Deutschland ist es sicher»

«Wir dachten, in Deutschland ist es sicher», erzählte ein Bauer aus dem ukrainischen Cherson der «Zeit». Sie hätten sich im Dorf wohlgefühlt, jetzt müssten sie auf einmal erneut fliehen. «Wir machen uns Sorgen, dass uns jemand abbrennen könnte.» Wer das Feuer an das Reetdach gelegt hat, ist noch nicht bekannt, der Staatsschutz ermittelt. Tage zuvor hatte jemand ein Hakenkreuz auf die Tafel vor der Unterkunft geschmiert.

Im sächsischen Bautzen brannte kurz darauf das Spreehotel. 200 geflüchtete Menschen sollte das einstige Gasthaus beherbergen, ausschliesslich Familien. Die rechtsradikale Alternative für Deutschland (AfD) hatte vor dem Hotel wiederholt demonstriert und gesagt, es sei ihr Ziel, dass es nie öffne. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete, Protestler hätten gerufen, das Problem würden sie selbst lösen. Die Flüchtlingsunterkunft im Spreehotel hatte 2015 bereits einmal gebrannt, drei junge Männer waren damals für den Anschlag verurteilt worden.

Jugendliche überfallen ukrainische Mädchen

In Leipziger Viertel Grünau war einige Wochen zuvor eine Turnhalle in Flammen aufgegangen, kurz darauf wurden Brandsätze gegen eine Kindertagesstätte und gegen eine Asylunterkunft gerichtet. Die Kita diente vor allem ukrainischen Kindern, in der Aufnahmestelle lebten Menschen aus Syrien, Afghanistan, Georgien und der Ukraine. 

Daneben gab es viele weitere Vorfälle: Im sächsischen Eichsfeld etwa verzichtete ein Landrat nach Drohungen auf die Eröffnung einer Unterkunft für 150 Menschen aus der Ukraine. In Hoyerswerda überfielen deutsche Jugendliche vier ukrainische Mädchen, beschimpften sie rassistisch und verletzten zwei von ihnen. Andri Melnik, der frühere ukrainische Botschafter, machte auf Twitter den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) dafür mitverantwortlich: «Vielleicht hat dieser Hass auch mit ihrer Russland-Politik zu tun?»

Vergleiche zur Krise 2015/16

Bisher waren die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte Einzelfälle, Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden. Dennoch reagieren die politisch Verantwortlichen alarmiert. Manche ziehen Vergleiche zu 2015/16, als mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge vor allem aus dem Nahen Osten in Deutschland Zuflucht fanden. Damals glaubten insbesondere im Osten Deutschlands erschreckend viele, sich mit Molotowcocktails gegen eine «Invasion» wehren zu müssen. Allein 2016 wurden 179 Gewaltakte gegen Flüchtlingsunterkünfte gezählt, im Schnitt jeden zweiten Tag einer. In 78 Fällen wurde Feuer gelegt. Die Täter waren meist Rechtsextreme.

Protest gegen die deutsche Russlandpolitik: Immer am Montag gehen überall im deutschen Osten jetzt die Russlandfreunde auf die Strasse, hier in Wismar.

Seit der Corona-Pandemie ist die Stimmung im Osten besonders erhitzt. Seit einigen Wochen wird vor allem gegen die deutsche Russlandpolitik demonstriert, meist montags. Der Krieg in der Ukraine sei nicht «unser Krieg», skandieren Leute, die sich Russland aus historischen und ideologischen Gründen verbundener fühlen als Amerika. Diese Neigung ist sowohl am linken wie am rechten politischen Rand stark verbreitet.

Die Regierung in Berlin, so wird behauptet, stürze das Land mit ihrem «Wirtschaftskrieg» gegen Russland in Kälte, Armut und Chaos. Die Ukrainerinnen seien «Sozialtouristinnen», die Masseneinwanderung zerstöre die Nation. Oft rufen rechtsextreme Bewegungen zu den Kundgebungen auf, Corona-Leugner, Reichsbürger und die AfD.

Krisentreffen der Innenminister im Osten

Politik und Sicherheitsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fürchten, der Unmut werde im Winter noch zunehmen. Diese Woche treffen sich deren Innenminister, um die brenzlige Lage zu besprechen. Die Polizei hat bereits begonnen, Unterkünfte für geflüchtete Menschen besser zu sichern.

In Leipzig, einer eher linken Stadt, protestierten nach dem Brandanschlag spontan 1300 Menschen vor der Asylunterkunft gegen Rassismus. An der Ostsee kamen die Ukrainerinnen nach dem Brand des Schäfer Ecks schnell in Wohnungen vor Ort unter. «Die Solidarität ist gross hier», sagte Andrei Bondartschuk, der Leiter der Unterkunft, der «Süddeutschen Zeitung», «das darf man nicht vergessen.»