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Präsidentschaftswahl Italien
Jetzt beginnt die Abrechnung

Applaus für Sergio Mattarella: Das italienische Parlament am Samstag.
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759 Stimmen sind ein sehr gutes Resultat, auch wenn es in der Ohnmacht geboren ist. Sergio Mattarella hat bei seiner Wiederwahl zum Präsidenten Italiens, die er gar nicht angestrebt hatte, ja, die er wirklich ausdrücklich nicht wünschte, fast vier Fünftel des Wahlgremiums im Parlament hinter sich vereint. Nur ein Präsident vor ihm, Sandro Pertini, erhielt noch mehr Stimmen, nämlich 832, aber das ist lange her: 1978.

In einer kurzen Rede nahm Mattarella die Wiederwahl an: Er habe sich das schwierige Wahlprozedere angeschaut, sagte er. «Die schwere Notsituation im Gesundheitswesen, in der Wirtschaft und im Sozialen erfordern Verantwortungssinn und Respekt für die Entscheidungen des Parlaments.» Er könne sich den Pflichten nicht entziehen, seine persönlichen Perspektiven stelle er hinten an. Der 80-jährige Sizilianer hatte sich auf seinen Ruhestand gefreut, auf die Familie, auf seine neue Mietwohnung.

Die Zerrüttung verhindert

Nun freuen sich stattdessen die Partner in Europa, die eine Zerrüttung der gesamten römischen Führungsebene befürchtet hatten: Nicht nur Mattarella bleibt in seinem Amt, sondern auch Mario Draghi, der parteilose Regierungschef. Glückwünsche aus allen massgeblichen Kapitalen trafen ein, da war das Ergebnis eben erst bekannt geworden. In Italien nimmt man an, dass auch die Börsen den Epilog der langen und abenteuerlichen Wahlwoche freudig begehen werden – allerdings weniger wegen Mattarellas Bestätigung im Amt, sondern eher wegen jener Mario Draghis. Unmittelbar ist dessen Rolle zentraler.

Zunächst machte es nicht den Anschein, dass der Premier die Regierung mit einigen Ministerwechseln umgestalten würde, wie da und dort gemutmasst worden war. Tatsächlich hatte die Dynamik im halb politischen, halb technokratischen Kabinett in den letzten Wochen vor der Präsidentenwahl etwas nachgelassen, was der stillen Kandidatur Draghis für das höchste Amt in der Republik angelastet wurde. Nun fragt man sich in Italien, ob seine Nichtwahl ihn als Premier schwächt – oder ob sie ihn nun ganz im Gegenteil befreit. Wird Draghi den Reformprozess womöglich gar kompromissloser vorantreiben als bisher?

Salvini ist geschwächt

Es bleibt ihm nur ein Jahr dafür, und die Politik ist in Aufruhr. In allen Lagern hinterlässt die Wahl Spuren, besonders aber im rechten. Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega und de facto auch Chef des gesamten Rechtsbündnisses, hat sich als selbst erklärter Königsmacher strategisch so sehr vertan bei der Wahl, dass sie ihn jetzt selbst in seiner eigenen Partei kritisieren – ganz zu schweigen von der liberalen Forza Italia und den postfaschistischen Fratelli d’Italia. Es fragt sich gar, ob Salvini sich halten kann.
Giorgia Meloni, seine rechtsinterne Rivalin von den Brüdern Italiens, liess schon mal ausrichten, dass das Rechtsbündnis neu gegründet werden müsse. Als einzige Opposition im Land habe sie nun eine Autobahn vor sich, heisst es – frei, fast ohne Gegenverkehr.

Die Linke zeigt sich mutlos

Doch auch im linken Lager haben sie Probleme. Enrico Letta, der Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico, in den Umfragen Italiens momentan stärkste Partei, begnügte sich mit Abwarten. Das reichte am Ende zwar aus, dank Salvinis vieler Fehler. Doch politischer Mut fühlt sich anders an. Lettas Triumphgebärden im Parlament, als die Wahl Mattarellas proklamiert wurde, wirkte dann reichlich aufgesetzt.

Regelrecht verheert ist die Lage bei den Cinque Stelle, Lettas Allianzpartnern. Giuseppe Conte, der frühere Premier Italiens und nun «Capo politico» der Partei, hat ganz zum Schluss einen Coup mit Salvini versucht, was umso erstaunlicher ist, als die zwei sich ja vor zweieinhalb Jahren in einem dramatischen Showdown und scheinbar für immer entzweit hatten. Sie schlugen über Nacht die italienische Geheimdienstchefin Elisabetta Belloni als neue Präsidentin vor, ohne sich mit allen Partnern abzusprechen. Die schlecht eingefädelte Nummer missfiel einem Grossteil der Sterne so sehr, dass die meisten ihrem alten Chef Luigi Di Maio folgten. Wie Conte und Di Maio nun wieder zusammenfinden wollen, ist rätselhaft.

Alles ist in Bewegung, und in einem Jahr finden in Italien Parlamentswahlen statt.