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Die Schweiz und Kosovo
Der Tabubruch wirkt bis heute nach

Auch das Aussendepartement in Bern intervenierte öffentlich, als serbische Kosovaren im Dezember in Kosovo Strassen blockierten.
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Je schlechter die Stimmung zwischen Serbien und der Republik Kosovo ist, desto grösser sind die Sorgen im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Bern. Als im Dezember Hunderte Kosovo-Serben begannen, Strassen im Grenzgebiet zwischen Kosovo und Serbien zu blockieren, und es zu Angriffen auf Polizisten und Soldaten der Nato-Sicherheitstruppe Kosovo Force (KFOR) kam, setzte das EDA gleich mehrere mahnende Tweets ab.

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«Wir rufen alle beteiligten Parteien einmal mehr dazu auf, von jeglichen Handlungen abzusehen, die die Situation weiter verschärfen könnten. KFOR und Eulex sind für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und die Sicherheit der lokalen Gemeinschaften im Norden Kosovos von entscheidender Bedeutung», schrieb das EDA am 27. Dezember auf Twitter. Eulex ist das Kürzel für die Rechtsstaatlichkeitskommission der EU, die mehrere Hundert Polizisten, Richter, Gefängnisaufseher und Zollbeamte nach Kosovo entsandte, um die dortigen Sicherheitskräfte zu unterstützen.

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Auch das Engagement der Schweiz für die Republik Kosovo ist sehr gross. Das hat historische Gründe, liegt an Vermittlungsbemühungen, Hilfsprojekten und vor allem den über 180 Swisscoy-Soldaten, die als Teil der KFOR-Truppen dabei mithelfen, eine zivile Friedensordnung aufzubauen. Die Schweizer Rolle bis heute entscheidend geprägt hat die ehemalige Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Sie versucht zu beruhigen und sagt: «Zwischen Kosovo und Serbien gibt es aktuell Spannungen, aber keinen Konflikt. Eine Eskalation ist verhindert worden.»

Die Genferin wirkte als Aussenministerin (2003 bis 2011) darauf hin, dass die offizielle Schweiz am 27. Mai 2008 im UNO-Sicherheitsrat einen diplomatischen Tabubruch beging. Mit Unterstützung des Bundesrats liess sie UNO-Botschafter Peter Maurer in New York den «Weg zu einer formellen Unabhängigkeit» Kosovos propagieren. Wie die Schweiz anerkennen heute 114 von 193 UNO-Mitgliedsstaaten Kosovo als unabhängige Republik. Das verärgert Serbien als Rechtsnachfolger der Republik Jugoslawien. Und auch Russland, ein Verbündeter Serbiens, war mit Kosovos Unabhängigkeit nie einverstanden.

Ist regelmässig in Kosovo unterwegs und wird dort sehr geschätzt: Die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.

EU betreibt «Beschwichtigungspolitik» gegenüber Serbien

Die Kosovaren feiern Micheline Calmy-Rey für ihr Engagement bis heute. Sie ist Ehrenbürgerin der Gemeinde Viti in Südostkosovo. Darüber hinaus trägt ein Platz ihren Namen. Sie hält sich auch regelmässig in Kosovo auf. Erst im Oktober weilte die Genferin in Pristina, erhielt einen Orden und traf auch den im März 2021 ins Amt gewählten Ministerpräsidenten Albin Kurti und diverse Minister.

Die Politiker um Kurti seien wegen der Spannungen zu Serbien «sehr besorgt» gewesen, erinnert sich Calmy-Rey. Die Spannungen mit Serbien und dessen Präsidenten Aleksander Vucic hätten sich hochgeschaukelt, weil Serbien die serbischen Kosovaren im Norden Kosovos mit Geld und guten Sozialversicherungen weiter an sich binden wollen. Gleichzeitig fühle sich die kosovarische Führung von der EU im Stich gelassen, weil diese gegenüber Präsident Vucic «eine Beschwichtigungspolitik» betreibe, so die ehemalige Bundesrätin.

«Die Kosovaren wie auch die Serben schätzen die in Kosovo stationierten Schweizer Soldaten», sagte der ehemalige EDA-Staatssekretär Michael Ambühl. Zöge die Schweiz die Soldaten ab, würden sie sich von Kosovo entsolidarisieren, so Ambühl.

Ähnlich sieht es Michael Ambühl, ehemaliger EDA-Staatssekretär und Kosovo-Kenner. Er sagt: «Statt einer ständigen Beschwichtigungspolitik sollte die EU-Führung von Serbien endlich einfordern, die Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen. Doch dazu müsste sie zuerst eine EU-interne Unité de doctrine schaffen und dafür sorgen, dass sämtliche 27 EU-Staaten die Unabhängigkeit akzeptieren.» Mit Spanien, Rumänien, Zypern, Griechenland und der Slowakei weigern sich noch immer fünf EU-Staaten, dies zu tun. 

Dissens in der EU nützt Russland

Sowohl Micheline Calmy-Rey als auch Michael Ambühl sind sich einig, wem der Dissens innerhalb der EU am meisten nützt: Russland, das Serbien traditionell eng verbunden ist. Für Calmy-Rey ist klar, dass Russland hinter den serbischen Destabilisierungsversuchen in Kosovo steckt. Das sagte auch Kosovos Ministerpräsident Kurti im März 2022 in einem Interview mit der Zeitung «Blick». Kurti argumentierte: «2012 gab es zwischen den beiden Ländern zwei gemeinsame militärische Aktivitäten. Letztes Jahr gab es hundert.» Serbien habe weder die Annexion der Krim noch die Invasion der Ukraine verurteilt. 

«Sowohl die Kosovaren als auch die Serben schätzen unsere Soldaten und die Schweiz als Land, das für faire Regeln und Rechtsstaatlichkeit steht.»

Michael Ambühl, ehemaliger EDA-Staatssekretär

Dass eine Destabilisierung des Westbalkans durchaus im Interesse Russlands ist, davon ist Micheline Calmy-Rey überzeugt. Das Ziel Russlands sei, die EU zu schwächen und abseits der Ukraine auch der Nato und den USA Probleme zu bereiten. Dass Russland mit einem unabhängigen Kosovo nie einverstanden war, das erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin Micheline Calmy-Rey höchstpersönlich. Bei einem Treffen habe Putin während zweier Stunden auf sie eingeredet und sie zu überzeugen versucht, von den Plänen für einen unabhängigen Kosovo abzulassen, erinnert sie sich. Sie habe sich Putins Druck aber nicht gebeugt. 

Die SVP forderte vergangene Woche, die Schweiz müsse die Swisscoy-Soldaten aus Kosovo zurückbeordern und die Mission beenden. Michael Ambühl hielte dies für einen «falschen Entscheid». Die Schweiz würde sich von Kosovo «entsolidarisieren». Ambühl besuchte die Schweizer Soldaten zweimal. «Sowohl die Kosovaren als auch die Serben schätzen unsere Soldaten und die Schweiz als Land, das für faire Regeln, Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit steht», weiss Ambühl. Gerade jetzt müsse der Friedenseinsatz darum weitergehen.