Neuer Sumo-GrossmeisterDer 148-Kilo-Lückenfüller
Japan liebt Sumo – doch der Sport hat ein Nachwuchsproblem. Ein Beispiel dafür ist der neue Grossmeister Tomokatsu Hoshoryu, der gar nicht aus Japan stammt.
Am Tag nach seinem Sieg beim Neujahrsturnier in Tokio hatte der Sumoringer Tomokatsu Hoshoryu gleich die nächste Herausforderung zu bestehen: Er musste früher aufstehen, als er das seinen müden Knochen gerne zugemutet hätte. «Wenn es nicht eine Pressekonferenz gegeben hätte, würde ich noch schlafen», sagte er den Reportern im Haus seines Wettkampfstalles Tatsunami.
Pflicht ist Pflicht, aber am Ende ist der 25-Jährige ihr wohl doch gerne gefolgt. Sein Erfolg brachte ihm schliesslich die Beförderung zum Yokozuna, zum Sumo-Profi des höchsten Ranges. In der langen Geschichte des japanischen Nationalsports ist Hoshoryu erst der 74. Ringer, dem diese Ehre zuteilwird.
Sumo ist mehr als nur ein Sport in Japan. Es ist eine Kultur aus dem Zeremonienrepertoire der Religion Shinto, die die Japan Sumo Association (JSA) gegen grössere Veränderungen abschirmt. Trainingsmethoden und Trachten sind im Grunde seit 300 Jahren gleich.
Die besten Ringer wirken mit ihren Seiden-Lendenschürzen und traditionellen Frisuren wie die Vertreter einer anderen Epoche. Aber gerade am neuen Yokozuna Hoshoryu kann man sehen, dass die Zeit doch nicht spurlos am urjapanischen Kampfsport vorbeizieht.
Sumo hat ein Nachwuchsproblem. Unter den letzten sechs Yokozuna war nur ein gebürtiger Japaner, alle anderen kamen aus der Mongolei. Genauso wie Hoshoryu. Der heisst eigentlich Sugarragchaagiin Byambasuren, stammt aus Ulan Bator und wuchs in einer Ringerfamilie auf.
Er ging nach Japan, er überzeugte bei Nachwuchsturnieren, wurde nach der Oberschule Profi und arbeitete sich mit seinem athletischen Stil nach oben. Hoshoryu wiegt 148 Kilo bei 1,88 Meter Grösse – das ist eher leicht für einen Sumo-Profi.
Beförderung wegen zu kleiner Auswahl?
Und nun hat der Yokozuna Shingi Iinkai, das Expertengremium zur Prüfung von Yokozuna-Kandidaten, der JSA also einstimmig empfohlen, Hoshoryu zum neuen Sumo-Grossmeister zu küren. Auch aus Verlegenheit wegen zu kleiner Auswahl? Es sieht ein bisschen so aus. Alles in allem waren Hoshoryus Turnierleistungen nicht allzu eindrücklich.
Aber der Posten des Grossmeisters war eben frei. Denn beim Neujahrsturnier hatte es eine spektakuläre Ankündigung gegeben: Der 73. Yokozuna, Haruo Terunofuji, auch ein gebürtiger Mongole, erklärte seinen Rücktritt mit 33. Grund: Sein 176 Kilo schwerer Körper mache nicht mehr mit.
Kein Grossmeister – das gab es im Sumo seit 1993 nicht mehr. Dieser Umstand dürfte bei Hoshoryus Beförderung eine Rolle gespielt haben. Dem Ringer konnte es egal sein. «Ich nehme an, ich träume nicht», sagte Hoshoryu bei der Pressekonferenz zu seinem Erfolg, ehe er sich wieder zurückzog, um seine müden Knochen zu pflegen.
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