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Regierungskrise in Brasilien
Jair Bolsonaro droht ein Amtsenthebungs­verfahren

Die Minister laufen ihm davon: Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro an einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag.
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Es läuft gerade sehr schlecht für Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren droht dem 65-jährigen Rechtspopulisten. Nicht das Coronavirus, sondern massive Vorwürfe von Sergio Moro, bis vor kurzem noch Justizminister, könnten Bolsonaro zu Fall bringen.

Der Streit zwischen Bolsonaro und Moro eskalierte Ende der vergangenen Woche. Der brasilianische Präsident entliess den Chef der Bundespolizei. Der Rauswurf kam nicht überraschend, schon länger hatte Bolsonaro davon gesprochen. Umso überraschender war aber, was danach geschah: Justizminister Moro gab kurze Zeit später seinen Rücktritt bekannt – und warf Bolsonaro vor, gegen Gesetze verstossen zu haben.

Die Söhne im Visier der Justiz

Bolsonaro habe ihm gesagt, er wolle einen Polizeichef einsetzen, «den er anrufen und um Informationen, um Geheimdienstberichte bitten kann», erklärte Moro. «Ich habe versucht, eine Krise inmitten der Pandemie zu vermeiden, aber es ist meine Pflicht, die Rechtsstaatlichkeit zu schützen», so Moro weiter. Konkret soll Bolsonaro die Arbeit des Polizeichefs beeinflusst haben, um Ermittlungen gegen seine Familie zu verhindern. Das wäre ein klarer Verstoss gegen die Gewaltentrennung.

Im Visier der Justiz stehen zwei von Bolsonaros Söhnen. Der 37-jährige Carlos Bolsonaro soll eine Gruppe anführen, die Rufmordkampagnen in den sozialen Medien organisiert. Dem ältesten Sohn Flavio werden illegale Geschäftsbeziehungen mit Paramilitärs vorgeworfen.

Der Präsident wies die Anschuldigungen umgehend zurück. Dafür, dass die Ermittlungen jetzt etwas weniger schnell vorangehen könnten, hat Bolsonaro aber nachweislich gesorgt. Als neuen Polizeichef hat er Alexandre Ramagem eingesetzt, der, wie ein Foto auf Instagram zeigt, auch schon mit Carlos Bolsonaro gefeiert hat. Nachfolger von Sergio Moro wird Jorge Oliveira. Der war in der Vergangenheit Berater von Bolsonaro und Trauzeuge von Eduardo Bolsonaro, dem drittältesten Bolsonaro-Sprössling.

Eine ernste Krise für den Präsidenten

Mit den raschen Neubesetzungen kann Bolsonaro aber kaum vom Schaden ablenken, den Sergio Moros Anschuldigungen verursachen. Der 47-Jährige ist in Brasilien einer der populärsten Politiker. Er trieb die Ermittlungen gegen den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras voran, der in den grössten Korruptionsskandal Lateinamerikas verwickelt war. 2017 verurteilte er den linken Präsidenten Lula da Silva wegen Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe.

«Ganz sicher ist das die grösste Krise in der Amtszeit Bolsonaros», sagt Thomaz Favaro, ein Analyst der Beratungsfirma Control Risks in São Paulo. Ein beträchtlicher Teil von Bolsonaros Anhängern habe ihn gewählt, weil dieser sich als Korruptionsbekämpfer inszeniert hatte. Dass sich nun ausgerechnet der Aufräumer Moro gegen ihn richte, sei für Bolsonaro ein grosses Problem, sagt Favaro.

«Nur eine kleine Grippe»

Neben Moros Anschuldigungen hat auch die Reaktion auf die Corona-Krise Bolsonaro massiv an Popularität gekostet. Er verharmloste das Coronavirus als «kleine Grippe», umarmte weiter seine Anhänger und drängte auf einen raschen Stopp der Ausgangsbeschränkungen. Deswegen zerstritt er sich mit dem ebenfalls sehr populären Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta, der vor knapp zwei Wochen zurückgetreten ist. Die Situation im Land ist desaströs: Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, die Zahl der Todesopfer, bereits jetzt über 4200, steigt schnell, viele Friedhöfe sind überlastet.

Um Bolsonaro des Amtes zu entheben, wäre eine Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern nötig. 2016 wurde die linke Präsidentin Dilma Rousseff so des Amtes enthoben. Kurzfristig sei eine Amtsenthebung unwahrscheinlich, sagt Thomaz Favaro, da die Opposition die notwendige Mehrheit nicht habe. Aber langfristig spreche die politische Dynamik klar gegen Bolsonaro. «Die Wahrscheinlichkeit einer Amtsenthebung steigt mit jedem Tag an.»