Legendärer SuperbossItaliens meistgesuchter Mafioso festgenommen
Sie nennen ihn den Unsichtbaren: Matteo Messina Denaro (60), oberster Pate der Cosa Nostra, ist den Carabinieri in einer Privatklinik ins Netz gegangen. Er war seit 30 Jahren auf der Flucht.
Nach drei Jahrzehnten auf der Flucht ist Italiens meistgesuchter Mafia-Boss Matteo Messina Denaro verhaftet worden. Polizisten hätten den 60-Jährigen am Montag in einer Gesundheitseinrichtung der sizilianischen Hauptstadt Palermo festgenommen, bestätigte Polizeigeneral Pasquale Angelosanto. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sprach von einem «grossen Erfolg des Staates, der zeigt, sich nie gegenüber der Mafia geschlagen zu geben».
Der 1993 untergetauchte Mafioso wurde in Abwesenheit wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, er gilt als Nachfolger der 2016 und 2017 in Haft verstorbenen historischen «Paten» Bernardo Provenzano und Toto Riina.Das FBI hält ihn für den gefährlichsten Kriminellen weltweit nach dem mexikanischen Drogenboss Joaquín «El Chapo» Guzmán.
Der Dünne, der Unsichtbare
In Italien gilt er als grösstes Enigma. «L'invisibile», der Unsichtbare, wie auch der Titel eines Buches über ihn lautet. Er ist der Superboss aus Castelvetrano, Provinz Trapani, sie nennen ihn «u siccu», den Dünnen. Niemand will ihn gesehen haben in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren. Zweihundert Carabinieri und Polizisten suchten vollzeitlich nach ihm.
In den Zeitungen erscheinen jeweils die immer gleichen Fotos des «Dünnen», die ihn als jungen Mann zeigen. Besonders berühmt ist ein Porträt mit Sonnenbrille, leicht nach vorne geneigter Kopf, da muss er Mitte zwanzig sein – sehr glamourös, ein Hauch James Dean. Das Bild unterlegt seine Fama als «sciupafemmine», als Playboy. Er ist zur Popikone geworden, zur Legende.
Messina Denaro ist ein untypischer Boss. Er ist Atheist, wo sich sonst alle auf Gott berufen. Er durchlief auch keinen Initiationsritus der Cosa Nostra. Er mag Kunst und Archäologie, teure Kleider und Autos. Er liest offenbar Daniel Pennac und Vergil, wie ein Briefwechsel mit dem früheren Bürgermeister von Castelvetrano beweist, so er die Briefe denn selbst geschrieben hat. Und er ist ledig, Vater einer Tochter. Es werden ihm noch andere Vaterschaften nachgesagt und wunderschöne Geliebte in grosser Zahl. Wie bei einem Star.
Aber wo versteckte er sich all die Jahre? Vielleicht ist er nie weggegangen aus Castelvetrano. Vielleicht wird er da verehrt wie ein Robin Hood der Seinen, geschützt von einem Netz von Komplizen, von Unternehmern und Politikern, vielleicht auch von Teilen des italienischen Geheimdienstes. 2010 soll er im Fussballstadion von Palermo gesehen worden sein, beim Spiel Palermo gegen Sampdoria Genua. Lebte er in Caracas, in Tunis, in der Schweiz, in Deutschland? Alle Destinationen schienen mal auf, in der einen oder anderen Form. Nun hat seine jahrzehntelage Flucht ein Ende genommen.
Mit Material der Nachrichtenagentur AFP
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