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Mafia & Corona
Italien entlässt 376 Mafiosi – in der Kritik steht Premier Contes Mentor

So fing alles an: Nach dem Lockdown gab es überall in Italien Revolten und Proteste vor und in den Gefängnissen, hier vor der Haftanstalt Rebibbia in Rom.
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Von den vielen bizarren Geschichten, die sich im Schatten von Corona zutragen, ist eine besonders unfassbar. Wenigstens aus Sicht der Italiener.

In den letzten eineinhalb Monaten sind 376 Mafiosi aus den chronisch überfüllten Gefängnissen des Landes entlassen worden, damit sie ihre Strafen für eine Weile in einem milderen Regime absitzen können – im Hausarrest, daheim in Kalabrien, Sizilien und Kampanien. Alte und kranke Mitglieder der ’Ndrangheta, der Cosa Nostra und der Camorra sind dabei. Aber auch einige jüngere. Kleine und grosse Fische, ganz grosse. Drei von ihnen sassen davor im «41bis», der härtesten Isolationshaft in der westlichen Welt, weil man die Männer auch nach langer Haft noch immer für so gefährlich hielt, dass sie ganz von der Aussenwelt abgeschnitten wurden.

Chronisch überfüllt

Die seltsame Geschichte beginnt kurz nach der Verhängung des Lockdown. In den italienischen Haftanstalten kam es zu Revolten, es gab Tote. Die Häftlinge protestierten, weil ihre Familien nicht mehr zu Besuch kommen durften und weil sie fürchteten, dass ein Ausbruch von Covid-19 bei den engen Verhältnissen schnell für viele fatal sein könnte. In den italienischen Gefängnissen wäre eigentlich nur Platz für etwa 47’000 Insassen, doch sitzen meist mehr als 60’000 ein.

«Er versucht, die Zahnpasta wieder zurück in die Tube zu drücken.»

«La Repubblica» über Alfonso Bonafede

Und so verfügte das Justizministerium, dass aus sanitären Gründen die Belegung der Anstalten etwas ausgedünnt werde für die Zeit der Krise. Profitieren sollten vor allem Insassen, die kurz vor Haftende standen, und solche, die schwer krank sind. Im Dekret hiess es auch, dass Mitglieder der Mafia ausgenommen seien. Doch dieser Passus ging im Rundschreiben der Gefängnisbehörde für die praktische Handhabung offenbar verloren. Strafvollzugsrichter überall im Land bezogen sich auf das Rundschreiben. Für etwa 6000 öffneten sich die Zellen. Und, eben, für 376 Mafiosi.

Justizminister Alfonso Bonafede von den Cinque Stelle: Nun soll es ganz schnell gehen.

Diese eindrückliche Zahl hat die römische Zeitung «La Repubblica» herausgefunden. Und natürlich steht nun jener Mann im Zentrum aller Kritik, der für den Strafvollzug in oberster Instanz zuständig ist: Alfonso Bonafede, 44 Jahre alt, Sizilianer, Anwalt und italienischer Justizminister von den Cinque Stelle. Bonafede will jetzt ein Dekret erlassen, damit die Mafiosi schnell wieder zurück in die Gefängnisse gebracht werden können. Doch ob das gelingt?

Contes enger Vertrauter und Mentor

Die Gefahr ist gross, dass einige dieser Herrschaften untertauchen. Immerhin sind sie daheim in ihrem vertrauten Wirkungsgebiet, wenn auch einigermassen bewacht von der Polizei. «La Repubblica» schreibt, Bonafede versuche die Zahnpasta wieder in die Tube zu drücken. Niemand wirft ihm vor, er habe die Entlassungen mutwillig in Kauf genommen. Vorgeworfen wird ihm aber Versehen und Dilettantismus – und das ist in der Politik fast ebenso schlimm.

Es gibt Rücktrittsforderungen von allen Seiten. Doch die Personalie ist brisant. Bonafede ist ein enger Vertrauter von Premier Giuseppe Conte. Die beiden kennen sich seit gemeinsamen Zeiten an der Universität in Florenz. Bonafede war es, der Conte einst den Spitzen der Cinque Stelle vorgestellt hatte. Nun ist der Mentor zum Problem geworden.