Eine Seltenheit auf der StrasseIst der Zürcher Microlino ein Flop?
Die bunten Kleinautos der Zürcher Kickboard-Firma Micro sind seit einem Jahr im Verkauf. Bis jetzt sind deutlich weniger im Verkehr als ursprünglich erhofft.
Was rar ist, erregt Aufmerksamkeit. Regine Sauter, FDP-Nationalrätin und -Ständeratskandidatin, gehört zu den wenigen in der Schweiz, die mit einem neuen Microlino unterwegs sind. Mit dem Miniflitzer macht sie Wahlkampf. Zur Verfügung gestellt hat ihn das Küsnachter Unternehmen, Sauter kennt Wim Ouboter, den Erfinder des Microlino. «Seit März bin ich knapp 600 Kilometer gefahren, die weitesten Strecken waren nach Adliswil oder Stäfa», sagt die Stadtzürcherin Sauter.
Wenn sie mit dem Microlino Ausflüge macht, erntet sie erstaunte Blicke. «Kinder winken einem zu, wenn man vorbeifährt. Und wenn ich die Tür nach vorne öffne und aussteige, kommen Passantinnen und Passanten auf mich zu und wollen wissen, wie dieses Fahrzeug funktioniert und ob es wirklich vollständig elektrisch fährt», sagt Sauter.
Weniger als 400 Microlinos im Verkehr
Dass der Microlino so viel Aufmerksamkeit erregt, ist kein Zufall. Sein Design, das an den legendären BMW Isetta erinnert, ist ein Blickfang. Die Knutschkugel löst einen Jöö-Effekt aus, wenn sie sich mit ihren 496 Kilogramm neben den tonnenschweren SUVs einreiht.
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Doch auch dieser Effekt würde verpuffen, wenn die Microlinos nicht so selten wären, wie sie es heute noch sind. 1500 Fahrzeuge hätten die Gebrüder Ouboter, Projektleiter des Microlinos, gern bis Ende 2022 ausgeliefert. Jetzt zeigen die Zahlen des Bundesamts für Strassen (Astra): Es sind nur 390. Knapp 40 Prozent der Microlinos sind im Kanton Zürich eingelöst.
Damit hat Microlino sein Ziel deutlich verfehlt. Weltweit liessen sich dereinst 36’000 Personen auf eine Warteliste setzen, noch 700 Interessierte aus der Schweiz leisteten sich im Frühsommer 2022 eine Anzahlung von 500 Franken. Ein Flop, also?
Merlin Ouboter, der das Microlino-Projekt gemeinsam mit seinem Bruder leitet, sieht das anders. «Das Ziel war ein gesunder Optimismus, die Zahlen sind jetzt die Realität.» Man sei zufrieden mit dem Erreichten, wolle schon im nächsten Jahr Gewinne schreiben und sei auf Expansionskurs.
Die Familie expandiert in Europa
Verschiedene Gründe hätten dazu geführt, dass man das «optimistische Ziel» verfehlt habe. Er nennt die Lieferschwierigkeiten von Teilen, die Inbetriebnahme der Produktionsstätte, aber auch die derzeitige begrenzte Produktpalette. Zurzeit sei nur die Version mit der mittelgrossen Batterie erhältlich, für die anderen Versionen gebe es 400 Vorbestellungen in der Schweiz. In der Produktionsstätte in Turin montieren inzwischen 150 Mitarbeitende 20 Microlinos pro Tag, das sind fünfmal mehr als noch zu Beginn. Total seien bis dato rund 1500 Microlinos produziert worden, sagt Ouboter.
In Deutschland, Belgien, Spanien, Italien, Griechenland und jüngst auch in Frankreich und in den Niederlanden arbeitet Microlino inzwischen mit Partnern zusammen und verkauft das Fahrzeug dort. Einige Hundert habe man im Frühling bereits nach Deutschland, Belgien und Italien liefern können, die werden jetzt an Kundinnen und Kunden ausgeliefert.
Produktion von Kultfahrzeug eingestellt
Offiziell ist der Microlino gar kein Auto, sondern ein Leichtelektrofahrzeug. Für diese gelten andere Zulassungsregeln. Die Fahrzeuge, die maximal 500 Kilo wiegen dürfen, brauchen beispielsweise keine Airbags. Ouboter ist optimistisch, was die Zukunft seines Leicht-E-Fahrzeugs angeht. Und das, obwohl Renault gerade die Produktion des Twizy eingestellt hat, eines kultigen Vorreiters in dieser Klasse, das den Stadtverkehr hätte revolutionieren sollen. «Aber das war eher ein Flop des Produkts, nicht der Kategorie», sagt Ouboter. Citroën feiere im Ausland mit dem Ami Erfolge – in der Schweiz wurde erst eine Handvoll eingelöst –, und Fiat habe kürzlich den Topolino auf den Markt gebracht. Die Konkurrenz und das Angebot an kleinen Elektroautos für die Stadt wachse also.
Microlino will auf den europäischen Markt fokussieren. In Asien – vor allem in China – sieht die Firma derzeit weniger Chancen. Zwar sind dort solche E-Kleinwagen sehr populär, doch diese seien weitaus günstiger. «Für einen Premium-Kleinstwagen sehen wir dort keinen Markt, wer das Geld hat, würde sich eher ein grösseres Auto leisten», sagt Ouboter.
Bis zum Winter behält Regine Sauter ihren Microlino. Und dann? Sie kann sich gut vorstellen, den Microlino für kurze Strecken zu behalten. Für die Reise nach Bern werde sie aber weiterhin den Zug bevorzugen.
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