Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Israels Krieg in Gaza
Warum Nicaragua Deutschland wegen Beihilfe zu Genozid verklagt

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu (L) speaks during a joint press conference with German Chancellor Olaf Scholz following their meeting in Jerusalem on March 17, 2024. Scholz's visit came the same day Israeli officials were set to meet to discuss the "mandate" of a negotiations team expected to participate in a new round of talks in Qatar aimed at securing a new truce between Israel and Hamas. (Photo by Leo Correa / POOL / AFP)

Ein halbes Jahr nach dem Massaker der Hamas ist es einsam geworden um Israel, das Land, das sich selbst verteidigt, dabei in Gaza aber bereits mehr als 30’000 Menschen getötet hat. Die USA und Deutschland gelten als letzte verlässliche Verbündete.

Zuletzt verschärfte aber selbst US-Präsident Joe Biden seine Kritik an der Kriegsführung und drohte mit einem Ende der Waffenlieferungen, wenn Israel die Menschen in Gaza nicht besser vor Tod und Hunger schütze. Auch Berlin änderte darauf seinen Ton. «Wir erwarten, dass die israelische Regierung ihre Ankündigungen rasch umsetzt. Keine Ausreden mehr», sagte Aussenministerin Annalena Baerbock Ende letzter Woche.

Deutschland nimmt eine Sonderrolle ein

Wegen seines Genozids an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg nimmt Deutschland eine Sonderrolle gegenüber Israel ein, der Zufluchtsstätte der Juden aus aller Welt. Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober versicherte Berlin Jerusalem denn auch umgehend seiner uneingeschränkten Solidarität.

Deutschland lieferte Israel Waffen, Bundeskanzler Olaf Scholz gehörte zu den ersten westlichen Politikern, die sich an die Seite des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanyahu stellten. Aussenministerin Baerbock reiste bisher siebenmal in die Region, um Auswege aus dem tödlichen Konflikt zu finden.

epa11265061 Nicaraguan Ambassador to the Netherlands Carlos Jose Arguello Gomez (3-L) during a hearing at the International Court of Justice (ICJ), in the case that Nicaragua filed against Germany over the financial and military aid that the European country provides to Israel and the lifting of subsidies to the aid organization UNRWA, in The Hague, The Netherlands, 08 April 2024. According to Nicaragua, Germany is violating the 1948 Genocide Convention and the 1949 Geneva Conventions on the laws of war in the occupied Palestinian territories.  EPA/ROBIN VAN LONKHUIJSEN

Sein Engagement für Israel bringt Deutschland nun auf die Anklagebank: Nicaragua klagt es vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag an, die Anhörungen haben heute begonnen. Ein vorläufiges Urteil im Eilverfahren wird in zwei Wochen erwartet. Die Anklage wirft Berlin vor, Beihilfe zum angeblichen israelischen Genozid und zu systematischen Kriegsverbrechen in Gaza geleistet zu haben. Der Prozess ist ein Novum: Erst seit 2022 können auch nicht direkt betroffene Länder mutmassliche Genozide weltweit zur Anklage bringen.

Laut Völkerrechtlern sind die Aussichten Nicaraguas mässig bis gering. Genozid setzt eine feste Vernichtungsabsicht voraus; diese fehle im Fall Israels, meinen Fachleute. Zu diesem Schluss war der IGH vor einigen Wochen schon bei einer Klage von Südafrika gekommen – hatte Israel aber gemahnt, mehr zu tun, um einen Völkermord möglichst zu verhindern.

Die meisten Fachleute sind dagegen der Meinung, dass Israel in Gaza wiederholt Kriegsverbrechen begangen hat und begeht, wenn auch nicht systematisch, sondern im Zuge legitimer Selbstverteidigung. Aufgrund dieser Ambivalenz werde der IGH Deutschland kaum pauschal verbieten, die israelische Armee mit Waffen zu versorgen. Berlin hat Jerusalem nach dem 7. Oktober militärisches Gerät im Umfang von 330 Millionen Euro geliefert – zehnmal mehr als im ganzen Vorjahr.

epa11265058 People protest outside the International Court of Justice (ICJ), before the hearing in the case that Nicaragua filed against Germany over the financial and military aid that the European country provides to Israel and the lifting of subsidies to the aid organization UNRWA, in The Hague, The Netherlands, 08 April 2024. According to Nicaragua, Germany is violating the 1948 Genocide Convention and the 1949 Geneva Conventions on the laws of war in the occupied Palestinian territories.  EPA/ROBIN VAN LONKHUIJSEN

Dass Nicaragua Deutschland wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen verklagt, ist nicht ohne Ironie: Daniel Ortega regiert das Land seit Jahren diktatorisch und unterdrückt sein Volk. Aussenpolitisch ist Nicaragua ein Vasall Russlands, ein Verbündeter Chinas und des Iran, Teil einer antiwestlichen Allianz also.

Die USA halten sich nicht an die Urteile des Gerichts

Die Klage gegen Deutschland verfolgt denn auch eher politische als juristische Ziele: Sie soll Druck auf die verbleibenden Unterstützer Israels ausüben. Ursprünglich hatte Nicaragua neben Deutschland auch Grossbritannien, die Niederlande und Kanada im Visier gehabt; seine Klage richtet sich jetzt aber ausschliesslich gegen Berlin. Grund dafür sei vermutlich der Umstand, dass die deutsche Politik Israel einseitiger unterstütze als die jedes anderen Landes, meinen Beobachter.

Aber warum hat Nicaragua nicht seinen Erzfeind USA angeklagt, den entscheidenden Unterstützer Israels? Der Grund dafür sei wohl eher rechtlicher als politischer Natur, heisst es. Die USA haben zwar die Völkermordkonvention ratifiziert, unterwerfen sich aber nicht der Rechtsprechung des IGH. In der Vergangenheit ignorierten die USA bereits einmal eine Verurteilung nach einer Klage Nicaraguas. Zumindest dies wäre von Deutschland wohl nicht zu erwarten.