Krieg im GazastreifenKhan Younis wird zum Schlachtfeld
Israels Armee hat nach eigenen Angaben das Haus von Hamas-Chef Yahya Sinwar in der zweitgrössten Stadt des Gazastreifens umstellt. Dieser dürfte sich aber im Untergrund befinden.
Israels Armee hat laut eigenen Angaben die grösste Stadt im Süden des Gazastreifens, Khan Younis, eingekesselt und das Haus des Gaza-Chefs der islamistischen Hamas, Yahya Sinwar, umstellt. Premierminister Benjamin Netanyahu sagte am Donnerstag, es sei «nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn finden». Khan Younis gilt als Hochburg der Hamas. Armeesprecher Daniel Hagari sagte, Israels Soldaten hätten beim Versuch, zentrale Stellungen der Hamas-Terroristen in Khan Younis zu zerstören, einen Durchbruch erzielt. Hamas-Chef Sinwar sei allerdings nicht über der Erde, sondern im Untergrund.
Im Tunnelnetz verschanzt
Experten vermuten, dass sich die Führung der Hamas und Tausende ihrer Mitglieder in einem weit verzweigten Tunnelnetz verschanzt haben könnten. Auch zahlreiche der noch festgehaltenen Geiseln werden dort vermutet. Seit dem Terrorangriff der Hamas und anderer Gruppierungen auf israelischem Gebiet am 7. Oktober, bei dem rund 1200 Menschen getötet wurden, steht Sinwar ganz oben auf Israels Abschussliste.
Die internationale Kritik am Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen wächst angesichts des Leids der Zivilbevölkerung. Hunderttausende Palästinenser im Gazastreifen sind seit Beginn des Militäreinsatzes obdachlos, Zehntausende leben in Zelten. Israel hat daher die Einfuhr von mehr Treibstoff in den Süden des Gazastreifens erlaubt. Das Sicherheitskabinett habe einer Empfehlung des Kriegskabinetts zugestimmt, teilte Netanyahus Büro laut israelischem Radio mit. Eine Erhöhung der erlaubten Mindestmenge sei erforderlich, «um einen humanitären Zusammenbruch und den Ausbruch von Epidemien zu verhindern», hiess es.
UNO-Chef fordert Waffenstillstand
UNO-Generalsekretär António Guterres hat den Weltsicherheitsrat in einem seltenen Schritt zur Abwendung einer humanitären Katastrophe in dem Küstengebiet aufgefordert. «Ich wiederhole meinen Aufruf, dass dringend ein humanitärer Waffenstillstand ausgerufen werden muss», erklärte Guterres. Der Zivilbevölkerung im Gazastreifen müsse «grösseres Leid erspart bleiben», schrieb er an den Sicherheitsrat und berief sich auf Artikel 99 der UNO-Charta.
Dieser erlaubt es dem Generalsekretär, den Sicherheitsrat auf «jede Angelegenheit hinzuweisen, die seiner Meinung nach die Gewährleistung von internationalem Frieden und Sicherheit gefährden kann» und ist nach Angaben der UNO seit Jahrzehnten nicht mehr angewandt worden.
Israels Aussenminister Eli Cohen übte Kritik an UNO-Generalsekretär Guterres. Dessen Antrag, Artikel 99 zu aktivieren, und die Forderung nach einem Waffenstillstand im Gazastreifen stellten «eine Unterstützung der Terrororganisation Hamas dar», so Cohen auf X (ehemals Twitter). «Jeder, der den Weltfrieden unterstützt, muss die Befreiung Gazas von der Hamas unterstützen.» Guterres’ Amtszeit gefährde den Weltfrieden.
Keine «sichere Zone»
Direkte Folgen hat eine Berufung auf den Artikel nicht. Es sei aber zu erwarten, dass der Sicherheitsrat noch diese Woche zusammenkomme, hiess es im israelischen Radio. Guterres hat in jüngster Zeit mehrfach zum Missfallen der israelischen Regierung auf die prekäre Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen hingewiesen.
Israelische Medien berichten, dass Tausende Familien inzwischen vom hart umkämpften Khan Younis nach al-Mawasi geflohen seien. Laut UNO-Angaben fehlten dort ebenso Nahrungsmittel, Wasser und Unterkünfte. Es gebe keine «sichere Zone» für die rund zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens. Der gesamte Landstrich sei «zu einem der gefährlichsten Orte der Welt geworden», so das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) auf X.
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