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Meinung

Leitartikel zur Krise in Nahost
Die Schweiz braucht eine neue Iran-Politik

Swiss Foreign minister Ignazio Cassis, left, greets the ambassador of Iran to Switzerland, Mohammad Reza Haji Karim Jabbari during the traditional New Year's reception of the diplomatic corps, Wednesday, January 15, 2020 in the Federal palace in Bern. The ceremony is attended by the ambassadors, charges d'affaires, presidents of the National Council and Council of States, chairs of both councils' foreign affairs committees and the authorities of the city and canton of Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
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Die Krise im Nahen Osten hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Zum ersten Mal hat die Islamische Republik Iran ihren Erzfeind Israel direkt attackiert. Teheran feuerte am letzten Wochenende mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel ab. Dies, nachdem Israel Anfang Monat das iranische Konsulat in Syrien bombardiert und einen hochrangigen General getötet hatte. Am Freitag antwortete Israel seinerseits mit Raketenangriffen auf iranische Städte.

Es ist ausserdem kein Geheimnis, dass das iranische Regime die Terrororganisation Hamas finanziell und logistisch unterstützt. Am 7. Oktober griff die Hamas Israel an, massakrierte die Zivilbevölkerung und nahm über 240 Geiseln. Seither tobt in Gaza ein verheerender Krieg. Die mit dem iranischen Regime eng verbündeten Huthi-Milizen verüben seit Monaten Anschläge auf Frachtschiffe im Roten Meer, um Israel zu schwächen und um den Welthandel zu behindern.

Kurz: Die Lage im Nahen Osten scheint zu eskalieren, und einer der Hauptakteure ist das iranische Regime.

Pöstlerin zwischen Washington und Teheran

Die Schweiz spielt dabei eine besondere Rolle. Sie vertritt die Interessen der USA – der engsten Freundin von Israel – im Iran. Dieses Schutzmachtmandat ist Teil der Guten Dienste der Schweiz. Es besteht seit 1980 und ist eine Art Pöstlerdienst: Wenn Washington mit Teheran kommunizieren möchte, fungiert die Schweiz als Briefträgerin zwischen den Regierungen.

Die Eidgenossenschaft hat derzeit noch fünf andere Schutzmachtmandate inne: Sie vertritt die iranischen Interessen in Ägypten und Kanada, die saudischen im Iran sowie jene von Russland in Georgien und jene Georgiens in Russland.

Doch die Frage ist: Was nützt der Schweiz das Schutzmachtmandat mit Staaten wie dem Iran und Russland? Wie legitim ist es heute noch, Pöstlerin zu sein für Staaten, die mit internationalen Sanktionen belegt sind, Krieg führen und die Menschenrechte in ihren Ländern verletzen? Wir erinnern uns an die landesweiten Proteste im Iran vor anderthalb Jahren. UNO-Ermittler haben erst kürzlich in einem Untersuchungsbericht schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Teheran erhoben: Bei der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste seien «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» verübt worden.

Manchmal entsteht der Eindruck, die Schweiz berufe sich auf das Schutzmachtmandat, um einer klaren Positionierung zu entgehen.

Die EU ergriff damals Sanktionen gegen die Islamische Republik, welche die Schweiz allerdings nicht übernahm. Das hatte das für Sanktionen zuständige Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung unter Bundesrat Guy Parmelin gemeinsam mit dem Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis beschlossen. Der Entscheid wurde «unter Einbezug aller innen- und aussenpolitischen Interessen der Schweiz» gefällt, darunter auch «die Guten Dienste der Schweiz im Iran». Sprich: das Schutzmachtmandat. Dieses fällt allerdings nicht automatisch, wenn die Schweiz die EU-Sanktionen übernehmen würde.

Manchmal entsteht der Eindruck, die Schweiz berufe sich auf das Schutzmachtmandat, um einer klaren Positionierung zu entgehen. Dies, obwohl sich längst alle einig darüber sind, dass die Mullahs nicht nur für die eigene Bevölkerung eine Gefahr darstellen, sondern auch für die gesamte Region.

Weitermachen wie bis anhin

Derweil haben am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Gipfel in Brüssel wegen des Angriffs auf Israel neue Sanktionen gegen Teheran beschlossen. Auch die USA und Grossbritannien haben diese Woche umfassende Sanktionen gegen das iranische Drohnen- und Raketenprogramm verhängt. Und die Schweiz? Sie macht einfach weiter wie bis anhin.

Die helvetische Iran-Politik ist aber auch deshalb fragwürdig, weil das Schweizer Parlament den Bundesrat in jüngster Vergangenheit immer wieder zu einem Kurswechsel gegenüber dem islamischen Regime aufgefordert hat. Der Nationalrat verabschiedete letztes Jahr sogar eine Erklärung «für Menschenrechte und Demokratie im Iran». Die grosse Kammer setzte damit den Bundesrat unter Druck und forderte den Nachzug aller EU-Sanktionen gegen die Islamische Republik.

Seither ist nichts passiert. Der Bundesrat scheint zu hoffen, dass verbale Verurteilungen reichen. Und während die Schweiz redet, erstarken die Mullahs, richten jugendliche Demonstranten hin, beliefern Russland weiterhin mit Drohnen, unterstützen Terrororganisationen wie die Hamas und schiessen Raketen auf Israel.

Jüngst sagte Tim Guldimann, ehemaliger Botschafter der Schweiz in Teheran, gegenüber dem Schweizer Fernsehen, dass die Guten Dienste nicht überschätzt werden sollten. Genau das tut aber die Schweizer Landesregierung. Die Guten Dienste erweisen sich immer mehr als unergiebig. An der Brutalität und der Entschlossenheit des iranischen Regimes, die ganze Region zu destabilisieren, um seine eigene Macht zu festigen, haben sie nichts geändert. Für die Schweizer Regierung ist es höchste Zeit, ihre Politik gegenüber dem Iran zu überdenken.