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Nahost-Konflikt
Israel ist empört über Antrag auf Haft für Netanyahu

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu attends the weekly cabinet meeting at the Prime Minister's office in Jerusalem, Sunday, Dec. 10, 2023. (Ronen Zvulun/Pool Photo via AP)
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Den Protagonisten des Gazakriegs auf israelischer und auf palästinensischer Seite droht ein Haftbefehl. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, stellte am Montag die entsprechenden Anträge sowohl für den Hamas-Anführer in Gaza, Jahia Sinwar, als auch für Israels Premierminister Benjamin Netanyahu und seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant. Vorgeworfen werden ihnen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Über die Ausstellung der Haftbefehle muss nun ein Richtergremium des IStGH in Den Haag entscheiden.

In Israel sorgte die Nachricht, die von Chefankläger Khan in einem Interview bei CNN bekannt gemacht wurde, für grosse Aufregung und Entrüstung. Schon auf die im April kursierenden ersten Gerüchte über einen solchen Haftbefehl hatte Netanyahu mit der Ankündigung reagiert, er werde sich niemals einer Anklage aus Den Haag beugen. Eine mögliche Strafverfolgung bezeichnete er als «beispielloses antisemitisches Hassverbrechen». Khan konterte das nun kühl bei CNN mit der Feststellung: «Niemand steht über dem Gesetz.»

Was Netanyahu und Sinwar vorgeworfen wird

Vorgeworfen wird Netanyahu und Gallant in einer in Den Haag veröffentlichten Erklärung Khans unter anderem, für das Aushungern von Zivilisten als Mittel der Kriegsführung verantwortlich zu sein. Zudem wird ihnen die Verantwortung für willkürliche Tötung und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten vorgeworfen. Im Gazakrieg wurden nach palästinensischen Angaben bislang mehr als 35’000 Menschen getötet, ungefähr zwei Drittel von ihnen sollen Frauen und Kinder sein.

Der Hamas-Führung wird vom Haager Chefankläger die Verantwortung für Ausrottung, Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter vorgeworfen. Neben Sinwar wurden auch noch Haftbefehle gegen Mohammed Deif, den Anführer der Qassam-Brigaden, sowie den in Katar residierenden Chef des Politbüros, Ismail Haniya, beantragt.

Über die Grausamkeiten des Terrorüberfalls vom 7. Oktober mit 1200 Toten und der Verschleppung von fast 250 Menschen nach Gaza hatte sich Khan bei einem Besuch in Israel im November selbst ein Bild gemacht. Die Anschuldigungen gegen Israel stützt er laut seiner Erklärung auf Zeugenaussagen, Satellitenbilder sowie Bild- und Tonmaterial.

Die in zahlreichen Ländern als Terrororganisation eingestufte Hamas dürften die drohenden Haftbefehle eher weniger bekümmern. Dennoch empörte sich ein Sprecher, dass dabei nun «Opfer und Henker» gleichgesetzt würden.

Für Netanyahu und Gallant aber könnten solche Haftbefehle ungleich grössere Auswirkungen vor allem hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit haben. Zwar ist Israel – ebenso wie die USA, Russland oder China – dem 1998 gegründeten IStGH nie beigetreten. Das Gericht aber hat sich 2021 im Nahostkonflikt für zuständig erklärt. Jedes der mehr als 120 Mitgliedsländer, darunter die Schweiz und alle EU-Staaten, wäre deshalb verpflichtet, die Gesuchten auf seinem Gebiet festzunehmen und auszuliefern.

Neben dem IStGH beschäftigt der Gazakrieg auch noch ein zweites Weltgericht: den ebenfalls in Den Haag ansässigen Internationalen Gerichtshof (IGH). Dort hat Südafrika eine Klage gegen Israel unter dem Vorwurf des Völkermords eingebracht. Ein Eilantrag wurde abgewiesen, das Hauptverfahren kann Jahre dauern. Anders als der 1946 geschaffene IGH beschäftigt sich der Strafgerichtshof aber nicht mit Streitigkeiten zwischen Staaten, sondern ermittelt gegen einzelne Personen. Sollte tatsächlich ein Haftbefehl ausgestellt werden, stünden Netanyahu und Gallant auf einer Stufe mit diversen afrikanischen Warlords – und mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, hat in Israel darauf gedrängt, dass das Land seinen Militäreinsatz mit einer politischen Strategie verbinde. Diese solle eine dauerhafte Niederlage der radikal-islamischen Hamas, die Freilassung aller Geiseln und eine bessere Zukunft für den Gazastreifen gewährleisten, teilte die US-Regierung nach Gesprächen Sullivans mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und Präsident Isaac Herzog mit. Zuvor hatten führende israelische Minister die Zögerlichkeit der Netanyahu-Regierung mit Blick auf Pläne für die Zeit nach Israels Einsatz im Gazastreifen kritisiert.