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Israel nach der Wahl
Islamist avanciert zum Königsmacher

«Eine bessere Zukunft für alle – für Araber und Juden»: Mansour Abbas, Chef der arabischen Raam-Partei.
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In den Interviews nach der jüngsten israelischen Parlamentswahl hat man viele ratlose Gesichter gesehen. Doch ein Politiker war dabei, der stets zufrieden lächeln konnte: Mansour Abbas, Chef der konservativen arabischen Raam-Partei. Das hat gleich einen doppelten Grund.

Denn zum einen hat seine Partei entgegen den ersten Prognosen doch noch den Sprung in die Knesset geschafft. Und zum zweiten ist Abbas damit angesichts des politischen Patts gleich in die Rolle des potenziellen Königsmachers geschlüpft. Ausgerechnet er.

Der 46-jährige Abbas vertritt im Parlament nicht nur die arabische Minderheit in Israel, die zwar 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, aber noch nie massgeblich am politischen Entscheidungsprozess beteiligt war. Obendrein steht seine Raam-Partei auch für den politischen Islam – und sie wurzelt damit im gleichen Boden wie die Muslimbrüder oder die Hamas, die zu Israels Erzfeinden zählen.

Abbas will die arabische Minderheit in Israel aus der Zuschauer- oder Opferrolle herausholen.

Abbas aber ist alles andere als ein fanatischer Islamist. Er zeigt sich als Pragmatiker und Realist – und dass er nun umworben wird von allen Seiten, belegt auch, dass sich selbst im politischen Stillstand der vergangenen beiden Jahre in Israel doch manches zu verändern scheint. Es wäre demnach kein Tabubruch mehr, wenn Abbas mit den voraussichtlich vier Sitzen von Raam entweder dem Langzeit-Premierminister Benjamin Netanyahu, der sich zum Wahlsieger erklärt hat, oder dessen Gegnern zur Mehrheit verhelfen würde.

Zumindest ist der Zahnarzt aus dem arabisch-drusischen Städtchen Maghar im Jerusalemer Politikbetrieb derzeit der Mann der Stunde. So viel Aufmerksamkeit und Möglichkeiten hatte noch kein anderer Politiker der arabischen Minderheit in Israel. Doch Mansour Abbas lässt sich nicht drängen. Er weiss, dass er gute Karten in der Hand hält, und er will sie mit Bedacht ausspielen. «Weder die Rechten noch die Linken haben uns in der Tasche», sagt er. «Wir können mit jedem arbeiten.»

Sein Ziel hat er klar umrissen: Er will die arabische Minderheit in Israel aus der Zuschauer- oder Opferrolle herausholen. Er will Politik gestalten und von innen heraus verändern. Um bessere Bildung geht es ihm, um Wohnungsbau und um mehr Sicherheit angesichts einer Vielzahl von Gewaltverbrechen im arabischen Sektor. «Es gibt eine lange Liste von chronischen Problemen in der arabischen Gesellschaft, die von Staat und Regierung seit Jahren vernachlässigt wurde», klagt er.

Auf der Suche nach Verbündeten: Israels Premier Benjamin Netanyahu, der an der Macht bleiben möchte.

Umfragen belegen, dass sich eine Mehrheit der israelischen Araber mehr Teilhabe am Staat wünscht. Doch noch nach der Wahl 2020 hatte es Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiss abgelehnt, sich mit Unterstützung der arabischen Parteien zum Regierungschef wählen zu lassen. Die Veränderung aber hat ausgerechnet Netanyahu eingeleitet, der zuvor noch die arabischen Knesset-Abgeordneten unter Terrorismusverdacht gestellt hatte. Schon in der letzten Legislaturperiode machte er Abbas zum Zweck des Machterhalts Avancen, und im Wahlkampf warb er offensiv um arabische Stimmen.

Kritik von Palästinensern

Abbas, der 2019 zum ersten Mal ins Parlament gewählt wurde, will nun die Chancen nutzen, die ihm das Wahlpatt beschert hat. Möglichst viele Verbesserungen für seine arabischen Wähler will er herausholen – und wer immer ihm dazu Angebote macht, ist ihm willkommen. Als Vorbild kann er sich dabei die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum nehmen, die seit jeher schon als Klientelvertreter in Israels Regierungen sitzen.

Bei manchen Vertretern der anderen arabischen Parteien handelt er sich nun jedoch den Vorwurf der Kollaboration ein. Auch Verrat an der palästinensischen Sache wird ihm vorgeworfen. Leicht tut er sich damit nicht. Das bringe ihn in einen «tiefen inneren Konflikt», hat er erklärt. «Aber du musst auch nach vorne schauen und eine bessere Zukunft für alle bauen können, für Araber und Juden.»